Alkohol als beruflicher Belohnungsfaktor prägte lange sein Leben.
Alkohol als beruflicher Belohnungsfaktor prägte lange sein Leben.
Während der Fastenzeit berichten wir an dieser Stelle über Menschen, die besondere Herausforderungen bewältigen: Obdachlosigkeit, Überleben im Krieg, Blindheit, oder Umgang mit Drogen. Geschichten, die Mut machen. Den Start setzt Lorenz Gallmetzer, sein beruflicher Begleiter war der Alkohol, heute ist er „trocken“.
Fast täglich war er im Wohnzimmer der Fernsehzuseher präsent. Lorenz Gallmetzer berichtete aus Paris oder Washington für die Zeit im Bild des ORF. Eine journalistische Traumkarriere: „Das kann schon cool sein, nur heißt es, dass man vorher angespannt ist und danach durch das ausgestoßene Adrenalin erschöpft“, sagt Gallmetzer nachdenklich und auch geprägt vom Alkohol, der ihn nicht nur beruflich begleitete.
Energie und Kick für Konzentration - danach Entspannung, ein immer wiederholbares Szenario. Der Griff zum Glas bietet Gallmetzer Belohnung und Ausgleich im Alltagsstress: „Danach ist es angenehm, wenn man ein halbes oder ein ganzes Glas Wein trinken kann, man spürt, es wird warm in den Fingern und die Seele entspannt sich“, so der Publizist. Wenn es dabei bleibt, „ist auch nicht viel dagegen einzuwenden, aber wenn der Alkohol vom Genussmittel zur Medizin wird, beginnt das Risiko“, weiß Gallmetzer.
In seiner Studentenzeit ist der 1952 Geborene geprägt vom Aufbruch der 1968er-Jahre. Gallmetzer lässt wenig aus. Sein Motto: „Lieber mit Vollgas auch in den Exzessen und Abstürzen gegen die Wand, als irgendwann halbgesund ins Altersheim.“ Mit der persönlichen Reifung wird das anders, aber die Suche nach Intensität bleibt. Auch zwei Ehen scheitern.
„Ich habe am Vormittag mit einem Aperitif begonnen, zum Mittagessen gab es ein paar Gläser, am Nachmittag der Sprung an die Bar und am Abend je nach Gelegenheit, einmal mehr, einmal weniger.“ Gallmetzer bezeichnet sich rückblickend als „Spiegeltrinker, der immer genügend Alkohol in sich haben musste, ohne dabei die Kontrolle zu verlieren“.
Dazu kommt eine zweite Sucht. Jene nach Arbeit. „Ich war ein Work-aholic, habe bis auf zwei, drei Tage im Monat jeden Tag über zehn Stunden gearbeitet.“ Mit 50 Jahren merkt Lorenz Gallmetzer, „dass es ohne Alkohol nicht mehr geht“. Wenn er nicht ein Mindestmaß trinkt, ist er unrund, nervös und kann sich nicht konzentrieren. „In dem Moment ist es zur Droge geworden“, bekennt er.
Es ist ein Prozess, den Lorenz Gallmetzer durchmacht, psychisch wie physisch. Psychotherapie, eine Krebserkrankung, er lässt sich gehen, es folgt, wie er sagt, „ein echter Kontrollverlust“. Im Herbst 2009 landet er in einer Burnoutklinik. Er versucht mehrfach einen Entzug auf eigene Faust, geht auf Kur zu Zisterzienserschwestern im burgenländischen Marienkron. Das Heilfasten wirkt Wunder.
Eine Zeit geht es gut, dann gewinnen die alten Gewohnheitsmuster wieder Oberhand. Er kontaktiert Professor Michael Musalek, den Leiter des Anton Proksch-Instituts in Wien-Kalksburg, eine der führenden Suchtkliniken Europas. Gallmetzer kennt Musalek beruflich, benötigt seine Hilfe nun aber privat, um sein „außer Rand und Band geratenes Trinken“ wieder in den Griff zu bekommen.
Lorenz Gallmetzer beschließt, eine achtwöchige Therapie zu machen. „Körperlich war es einfach, nach ein paar Tagen war die Entzugsgeschichte vorbei“, schildert er. „Gerät man in eine richtige Sucht, ist es wie ein Krankheitszustand, wo man sich zwar helfen lassen, letztlich aber selber daran arbeiten muss, um wieder los zu kommen“, so der in Wien lebende Journalist. Die Orpheus-therapie hilft ihm. Diese trägt zur Neu- und Wiederentdeckung der eigenen Lebenskräfte bei. Gallmetzer erlebt das Leben wieder als schön, lust- und sinnvoll, der Alkohol hat für ihn keine Verführungskraft mehr.
Geht er heute in ein Lokal, oder ist er mit Menschen zusammen, die Alkohol trinken, stört ihn das nicht. „Es geht auch gar nicht anders“, weiß er. Auch 17 Monate nach der Therapie ist er „trocken“. Derzeit begleitet er gemeinsam mit seinem Bruder die schwerkranke Mutter in der Südtiroler Heimat.
Lorenz Gallmetzer hat seine Geschichte in einem Buch niedergeschrieben. Er beschreibt auch Menschen, die er in Kalksburg kennengelernt hat, die wie er den Kampf gegen die Sucht nicht aufgegeben haben.
Lorenz Gallmetzer’s Weg in die Alkoholsucht, seine Abhängigkeit, die Therapie und sein Heute hören Sie am Samstag, 4. März, von 19 - 20 Uhr.
Das DaCapo am Mittwoch, 8. März, von 21 - 22 Uhr.
Nachhörbar auf www.radioklassik.at als podcast.
Lorenz Gallmetzer
Von Alkohol bis Glückspiel: Abhängige erzählen
2016, Kremayr & Scheriau
Auflage: 1. Auflage
Hardcover
192 Seiten
ISBN: 978-3-218-01039-9
Dieses Buch online bei der Wiener Dombuchhandlung "Facultas" erstehen
Fastenzeit - die Vorbereitungszeit auf Ostern
weitere Informationen zu
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at