Leonora Leitl hatte am Signiertisch alle Hände voll zu tun.
Leonora Leitl hatte am Signiertisch alle Hände voll zu tun.
Toni Faber und Heidi Lexe begrüßten das neue „Sagenbuch zum Stephansdom“.
Über 250 geladene Gäste fanden am vergangenen Freitag, 29. September 2017 Platz am Dachboden des Stephansdomes zur Buchpräsentation von „Das Sagenbuch zum Stephansdom“ - das sozusagen das Geburtstagsgeschenk für die Tyrolia Buchhandlung Wien war, die zugleich mit einem Festakt ihr 100-Jahr-Jubiläum feierte. Festlich eingestimmt vom Posaunenquartett Trombone Attraction begrüßte Hausherr Dompfarrer Toni Faber im Namen der Domkirche St. Stephan die Freunde, Mitarbeiter, Kunden, Autoren und Vertreter aus Kirche, Kultur und Medien.
Tyrolia-Vorstandsvorsitzender Christoph Schiemer umriss in seiner Ansprache den geschichtlichen Werdegang der Tyrolia Wien, betonte die langen und engen Beziehungen des Tiroler Unternehmens zur Bundeshauptstadt und meinte: „Wir freuen uns über die gute Zusammenarbeit mit Domkapitel und Kirchenmeisteramt, Dompfarre und Erzdiözese, auf diese Weise sind in unserem Verlag in den letzten Jahren allein vier Bücher über den Stephansdom erschienen.“ Werner Riedmüller, seit 17 Jahren Filialleiter Tyrolia Wien, bedankte sich in seiner Rede bei all seinen KundInnen - die den Beruf des Buchhändlers zu einem der schönsten der Welt machen würden - und brach eine Lanze für den lokalen Buchhandel.
Schon die am Dachboden ausgestellten Original-Illustrationen in Wachs-Technik von Leonora Leitl aus dem „Sagenbuch zum Stephansdom“ von Barbara Schinko machten neugierig auf den nächsten Programmpunkt der Feier: die Vorstellung des Jubiläumsbuches des Tyrolia Verlags. Schauspielerin Lena Raubaum präsentierte Kostproben aus dem neuen Kinderbuch, erweckte in einer fulminanten szenischen Lesung Teufel und Dienstbotenmuttergottes, Wind und Wetter zum Leben und tauchte den Veranstaltungsort in eine schaurig-schöne Atmosphäre.
Zum Abschluss der Buchvorstellung würdigte Heidi Lexe (Leiterin der STUBE - Studien- und Beratungsstelle für Kinder- und Jugendliteratur) den Stellenwert von Sagen als Hilfe zur Welterklärung. Dabei hob sie auch die Bedeutung ästhetischer Buchgestaltung hervor, für welche die Bücher des Tyrolia-Verlages stets Beispiel gebend seien.
Höhepunkt des Abends war jedoch die Festrede des Theologen und Philosophen Clemens Sedmak über die Bedeutung des Buches im Allgemeinen. Darin meinte er unter anderem: „Ein gutes Buch ist ein Begleiter, es führt uns auf Wege, die wir uns selbst nicht aussuchen würden, es muss uns Worte sagen, die wir uns selbst nicht geben können“. Und er zitierte Kafka: „Ein Buch muss sein wie die Axt für das gefrorene Meer in uns.“ Die Seele brauche Schönheit, Ruhe, Freundschaft und Geschichten – und das alles könne ein gutes Buch dem Menschen geben.
Mit einem gemütlichen Beisammensein bei einem Glas Wein und Köstlichkeiten vom Buffet, aber auch beim Signieren des neuen Sagenbuches oder beim Betrachten der Buchillustrationen ließ man den vielseitigen Abend ausklingen.
Das Tiroler Unternehmen „Verlagsanstalt Tyrolia“ firmiert seit 1907 unter diesem Namen, wurde aber schon 1888 als Pressverein in der Südtiroler Bischofsstadt Brixen vom Theologieprofessor Aemilian Schöpfer (1858–1936) ins Leben gerufen. Als einer der Mitbegründer der christlich-sozialen Partei in Tirol saß er seit 1897 im Reichsrat, gehörte 30 Jahre lang dem Parlament an und pflegte so gute Kontakte zu den führenden katholischen Persönlichkeiten Wiens. 1917 verkaufte der Katholische Schulverein seine 1899 gegründete Buch-, Kunst- und Papierhandlung am Stephansplatz um 10.000 Kronen an die Verlagsanstalt Tyrolia, die neben der Buchhandlung in Wien bald ein vielgesichtiges Medienunternehmen mit Druckerei und der Redaktion zahlreicher Zeitschriften und Zeitungen ihr eigen nennen konnte, darunter etwa die bis 1997 erscheinende renommierte christlich-soziale Wochenzeitschrift „präsent“, in der sich prominente Journalisten wie Gerhard Weis (1998–2001 Generalintendant des ORF) oder Peter Pawlowsky (1990–1997 Hauptabteilungsleiter Religion im ORF-Fernsehen) ihre ersten Sporen verdienten.
Die Zweigstelle Wien wurde am 25. September 1917 ins Handelsregister des K.K. Handelsgerichts Wien eingetragen. Gleich nach der Machtübernahme verhafteten die Nationalsozialisten den damaligen Filialleiter Josef Leb, verkauften die Buchhandlung und schlossen auch die Druckerei in der Neubaugasse 12, denn vor allem die Tyrolia-Presse, welche für die Selbständigkeit Österreichs eintrat und die Ideologie des Nationalsozialismus bekämpfte, war ihnen ein Dorn im Auge. Nach Bombenschäden in den letzten Kriegsjahren wurde die „Buchhandlung am Stephansdom“ teilweise neu errichtet und am 31. Dezember 1947 wieder an Tyrolia rückgestellt. Der bisherige Besitzer Lambert Peters leitete die Filiale bis zu seinem Tod 1954 als Pächter, danach führte Tyrolia den Standort wieder in Eigenregie. Eine Erweiterung mit großem Umbau 1977 wurde mit einer Wiedereröffnung und Segnung durch Kardinal König gefeiert, 2003 folgte eine weitere Renovierung. Seit der Tyrolia Verlag 2014 das Kinderbuchprogramm des Wiener Domverlags übernommen hat, ist der Filiale auch das Büro dieser Programmsparte angegliedert, von dem aus Inge Cevela und Katrin Feiner die bereits vielfach ausgezeichneten Kinder- und Jugendbücher von Tyrolia betreuen.
Der Tyrolia-Verlag hat heute seinen Sitz in Innsbruck und ist mit rund 200 MitarbeiterInnen und 18 Buchhandlungen in Tirol, Salzburg, Wien und Vorarlberg das größte Buchhaus Westösterreichs und der wichtigste österreichische Fachverlag für Religion und Theologie, verlegt aber auch Titel aus den Bereichen Geschichte, Kultur, Reise, Berge, Lebensorientierung und zählt zu den ersten Anlaufstellen für österreichische AutorInnen und IllustratorInnen von Kinder- und Jugendbüchern.