Zauberhafte Bilder, poetische Texte über das Muttersein vereint das Buch „Mama“.
Zauberhafte Bilder, poetische Texte über das Muttersein vereint das Buch „Mama“.
Zum Muttertag steht das Band zwischen Mutter und Kind im Mittelpunkt. Es gilt als das stärkste der Welt. Doch stimmt das?
Das neue Buch „Mama“ von Hélène Delforge und Quentin Gréban spürt in poetischen Texten und Bildern den Gefühlen des Mutterseins nach.
Im erschütternden Sozialdrama „Ayka“ (ab 24. Mai im Kino) verlässt eine junge Frau aus Not ihr Neugeborenes in einer Moskauer Geburtsklinik.
Über die Verbindung zwischen Mutter und Kind sprachen wir mit Psychotherapeut Raphael Bonelli.
In der Mitte ihres Arbeitstages schickt eine Mama ein Gebet zum Himmel für ihr Kind, das sie auf dem Rücken trägt. Sie nimmt die Arbeit wieder auf. Ihr Baby wird ruhig. Es beobachtet das Leben. Es ist schwer doch beide sind glücklich...“
Es sind kurze poetische Blitzlichter in das Leben von Müttern rund um den Globus, die Hélène Delforge und Quentin Gréban im Buch „Mama“ aufleuchten lassen – in kleinen Texten und erfrischenden Mutter-Kind-Porträts. Aus allen spricht die Liebe, die die Mütter aus den verschiedensten sozialen Schichten und Kulturen für ihre Kinder haben. Die gefühlvollen Texte und Bilder machen deutlich: Auch schwere Momente lassen die Mutter-Liebe nicht versiegen.
Was macht das Band zwischen Mutter und Kind seit jeher und über alle Grenzen hinweg so einzigartig?
Diese Frage stellten wir aus Anlass des Muttertages Raphael Bonelli, Buchautor und Psychotherapeut in Wien. Er sagt: „Zuallererst, dass die Mutter dem Kind das Leben schenkt. Sie stellt ihren Leib zur Verfügung, neun Monate lang, und opfert sehr viel dadurch auf. Eine Schwangerschaft ist sehr schön, bedeutet aber auch Einschränkungen und Belastungen.
Die Psychologie einer Mutter unterscheidet sich sehr von der Psychologie eines Vaters. Beide sind gleichermaßen notwendig. Die Mutter aber ist die, die mehr Einsatz hat, mehr Präsenz im Leben ihrer Kinder von Anfang an durch die Schwangerschaft und die Schmerzen einer Geburt.“
Das Buch „Mama“ erzählt auch von Müttern, die in ihrem Alltag an ihre Grenzen geraten, etwa einer Mama von Zwillingen.
Wie können sich Mütter vor Burnout schützen bzw. sich im stressigen Alltag ein „weiches“ Herz bewahren?
Psychotherapeut Raphael Bonelli, Vater von drei Söhnen, betont: „Die Aufgabe des Mutterseins wird heute in der Gesellschaft sehr abgewertet. Mütter dürfen sich selber aber zusprechen wie wichtig diese Aufgabe ist.
Um mich vor Burnout zu schützen, muss ich Prioritäten richtig setzen, indem ich weiß, was ist mir wichtig und was weniger und worauf will ich verzichten, um für mein Kind da zu sein.
Bei mehreren kleinen Kindern soll man keine Scheu haben, sich in Stoßzeiten Hilfe von außen zu holen. Eine optimale Bedingung ist, wenn der Mann hinter der Frau steht und wenn man die Kinder nicht zur eigenen Befriedigung nimmt, sondern als von Gott geschenkte Aufgabe. Ich finde es schön, dass die Kirche diesen Idealzustand immer wieder betont, damit wir ihn nicht aus den Augen verlieren.“
Durchaus ähnlich sieht das eine alte Weisheit der Sioux-Indianer, die besagt: „Eure Kinder gehören euch nicht. Sie sind aus dem Leben geboren. Sie sind Funken, die ihr empfangt“. Bei den Sioux geben die Mütter diese Botschaft von Generation zu Generation weiter.
Eine Mutter im Buch „Mama“ dazu: „Für mich ist das ganz neu. Mir wird bewusst, dass du nicht mein Sohn bist und du nicht meine Tochter. Ihr seid zwei ganz eigene Menschen. Aber wenn ihr es wollt, möchte ich gern EURE Mama bleiben.“
Das ergreifende Schicksal einer kirgisischen jungen Mutter im fernen Moskau kommt uns im Kinofilm „Ayka“ des kasachischen Regisseurs Sergej Dwortsewoy ganz nah.
Das Sozialdrama rund um die illegale Arbeitsmigrantin Ayka, die ihr neugeborenes Kind aus Not in einem Moskauer Spital zurücklässt, startet am 24. Mai in unseren Kinos. Hauptdarstellerin Samal Yeslyamova wurde für ihre Darstellung der Ayka bei den Filmfestspielen in Cannes 2018 als beste Schauspielerin ausgezeichnet.
Ausgangspunkt für Regisseur Dwortsewoy war eine Zeitungsnotiz, die lautete: „Im Jahr 2010 wurden in Moskauer Geburtskliniken 248 Babys von Müttern aus Kirgisistan aufgegeben.“
Der Filmemacher erinnert sich: „Ich stand lange Zeit unter Schock, nachdem ich das gelesen hatte: Wie kann das sein? Was könnte der Grund dafür sein, dass kirgisische Mütter ihre Babys freiwillig massenhaft aufgeben und in einem fremden Land zurücklassen? Was könnte sie dazu zwingen?“
Dwortsewoy wurde klar, dass er einen Film darüber machen musste. Das Ergebnis ist ein atemberaubendes Filmdrama, das uns die aussichtslose Situation einer jungen verzweifelten Mutter schonungslos vor Augen führt.
Ayka, die von einem eigenen Nähstudio träumte, hat Schulden bei einem Mafia-Brüderpaar, dass sie massiv bedroht. Sie sieht sich außerstande ihr Neugeborenes zu ernähren und lässt es im Spital zurück.
Unter Schmerzen taumelt sie durch das tief winterliche Moskau. Sie gelangt in eine schmutzige Spelunke, in der illegale Migrantinnen – wie sie selbst – geschlachtete Hühner rupfen. Das Tempo in dem Ayka und die Frauen die Hühner rupfen, ausweiden und waschen verschlägt einem den Atem, ebenso der Umstand, dass der Auftraggeber mit der LKW-Ladung der gerupften Hühner wegfährt, ohne die Frauen zu entlohnen.
„Ayka“ ist eine eindrückliche Sozialstudie, die schockiert und fesselt. Die Kamera ist der verzweifelten jungen Frau stets dicht auf den Fersen: Bei ihrer Suche nach einem Job, im Elendsquartier illegaler Kirgisen oder beim Abpumpen der Muttermilch, um den Milchstau in der Brust zu lindern. Irgendwann wird klar, dass Ayka zu ihrem Kind zurückkehren muss, doch die Mafia hat die junge Frau inzwischen aufgespürt...
Auch zu diesem Mutter-Thema haben wir Psychiater Raphael Bonelli befragt:
Wie kann es soweit kommen, dass eine Mutter ihr neugeborenes Kind im Spital zurücklässt?
Seine Antwort: „Der Fall, dass Mütter ihre Kinder im Spital zurücklassen, kann dann passieren, wenn die Mütter wissen, dass es die Kinder besser haben ohne sie – wenn sie also in einer Not sind.
Mich erinnert das an den Streit zweier Mütter um ein Kind vor König Salomo. Als dieser vorschlägt, das Kind auseinanderzuteilen, sagt die richtige Mutter: Dann verzichte ich auf das Kind, die falsche Mutter ist für das Auseinanderschneiden, denn sie will nur gewinnen.
Positiv gesprochen - und abgesehen von psychischen Störungen - verlässt eine Mutter ihr Kind nur dann, wenn sie weiß, dass das Kind es ohne sie besser hat.“ Soweit also kann Mutterliebe gehen.
Der Film „Ayka“ ist ein lauter Appell an uns alle, Mütter in Not stärker zu unterstützen.
Raphael M. Bonelli
Autor und Psychotherapeut,
verfasste zuletzt das Buch „Frauen brauchen Männer (und umgekehrt)“.
Hélène Delforge, Quentin Gréban
Mama.
arsedition
64 Seiten
ISBN: 978-3-8458-2992-0
Trailer:
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