Papst Franziskus und Kardinal Sodano bei einer Audienz.
Papst Franziskus und Kardinal Sodano bei einer Audienz.
Dem Dekan, der dem Kardinalskollegium als "primus inter pares" (erster unter Gleichen) vorsteht, kommen vor allem beim Tod oder Rücktritt eines Papstes bedeutende Aufgaben zu.
Papst Franziskus hat den Rücktritt von Kardinal Angelo Sodano (92) als Dekan des Kardinalskollegiums angenommen. Zugleich hob der Papst mit einem am Samstag, 21. Dezember 2019 veröffentlichten Erlass die bislang unbeschränkte Amtsdauer eines Kardinaldekans auf. Künftig erhält er ein fünfjähriges Mandat, das allerdings verlängerbar ist.
Dem Dekan, der dem Kardinalskollegium als "primus inter pares" (erster unter Gleichen) vorsteht, kommen vor allem beim Tod oder Rücktritt eines Papstes bedeutende Aufgaben zu. So hat er unter anderem die wahlberechtigten Kardinäle zum Konklave nach Rom einzuberufen und die Papstwahl zu leiten. Der Dekan wird von Kardinälen der ranghöchsten Klasse der Kardinalbischöfe gewählt; die Wahl ist vom Papst zu bestätigen.
Der frühere Vatikandiplomat Sodano, von 1991 bis 2006 Kardinalstaatssekretär und damit Nummer zwei im Vatikan, war seit April 2005 Kardinaldekan. Er folgte in dieser Funktion auf Joseph Ratzinger, der bei dem von ihm selbst geleiteten Konklave zum Papst gewählt wurde. Eugene Tisserand (1884-1972) hatte das Amt des Kardinaldekans über 21 Jahre inne.
Aufgrund der Altersgrenze von 80 Jahren für die Teilnahme am Konklave konnten zuletzt weder Sodano noch sein Stellvertreter Giovanni Battista Re (85) die vorgesehene Rolle bei einer Papstwahl ausüben. Die Aufgabe käme derzeit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin (64) zu. Er ist das ranghöchste unter 80 Jahre alte Mitglied der Klasse der Kardinalbischöfe.
Kardinal Sodano war fünf Jahrzehnte lang im diplomatischen Dienst des Papstes tätig. Johannes Paul II. machte den gebürtige Norditaliener ab 1. Dezember 1990 zum Pro-Staatssekretär des Staatssekretariats und schließlich mit Erlangen der Kardinalswürde am 28. Juni 1991 zu seinem Kardinalstaatssekretär und damit zweitwichtigsten Mann im Vatikan. Für eineinhalb Jahre bestätigte ihn Benedikt XVI. im April 2005 in diesem Amt, bevor Tarcisio Bertone am 15. September 2006 Sodano nachfolgte. Bis zuletzt hatte Sodano als Dekan und damit Vorsitzender des Kardinalskollegiums großen Einfluss in der Römischen Kurie.
Sodano, geboren am 23. November 1927 im norditalienischen Asti als Sohn eines Landbesitzers und langjährigen Abgeordneten der Christdemokraten, wurde 1950 zum Priester geweiht. In der Seelsorge war er nur kurze Zeit tätig. Rasch schickte ihn sein Bischof zum Studium nach Rom, wo er bereits 1959 in den diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls eintrat. Erste Stationen seiner Laufbahn waren die päpstlichen Nuntiaturen in Ecuador und Uruguay.
Bekannt wurde Sodano als Apostolischer Nuntius in Chile, wo er 1978/79 half, einen jahrzehntelangen Grenzstreit mit dem Nachbarland Argentinien beizulegen. In den Tagen der Wende und des Mauerfalls 1989 war er unter dem damaligen Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli vatikanischer Außenminister, bevor er 1991 dessen Nachfolger wurde. Mit den Verhältnissen im deutschen Sprachraum war Sodano auch deshalb vertraut, weil er zeitweise im deutschsprachigen Priesterseminar Santa Maria dell'Anima in Rom wohnte. Er sprach gut Deutsch und war unter Casaroli für diesen Bereich Europas zuständig.
Als Kardinalstaatssekretär war Sodano fast 14 Jahre lang hinter Johannes Paul II. der zweite Mann im Vatikan. Unter anderem begleitete Sodano den Papst aus Polen zwischen August 1991 und 2004 auf 53 seiner Auslandsreisen. Im Mai 2004 war der Kardinalstaatssekretär Päpstlicher Legat bei der "Wallfahrt der Völker" in Mariazell, die den Höhepunkt des Mitteleuropäischen Katholikentags bildete. Unter Sodano sei die Außenpolitik des Vatikan relativ glatt und problemlos verlaufen, urteilen Beobachter. Für die große politische Aufmerksamkeit sorgte Johannes Paul II. selber. In den letzten Monaten des Pontifikates von Johannes Paul II. gehörte Sodano mit Kardinal Joseph Ratzinger und dem päpstlichen Privatsekretär Stanislaw Dziwisz zu denjenigen, die die katholische Kirche faktisch leiteten.