Kirche in Not International: Brutalität gegen katholische Kroaten in Bosnien und Herzegowina beruht größtenteils auf radikaler islamistischer Ideologie, die von ausländischen Söldnern in Land getragen wurde.
25 Jahre nach dem Abkommen von Dayton droht die katholische Minderheit in Bosnien und Herzegowina "auszubluten": Davor hat "Kirche in Not international" am Mittwoch in einer Aussendung gewarnt. Die drei ethnischen Gruppen in dem Balkan-Land - Bosnier, Serben und Kroaten - seien zwar auf dem Papier gleichberechtigt, interne Spannungen und ausländischer Einfluss führten jedoch zu Ungleichheiten: Die muslimischen Bosnier orientierten sich zunehmend an der islamischen Welt, beklagte "Kirche in Not"; die mehrheitlich orthodoxen Serben suchten oft den Schulterschluss mit Russland, während die katholischen Kroaten, die kleinste der drei ethnischen Gruppen, sich den europäischen Nachbarn zuwendeten.
Noch heute seien viele kroatische Dörfer, die während des Bürgerkrieges zerstört wurden, unbewohnt. Der kroatische Journalist Zvonimir ili berichtete dem weltweiten päpstlichen Hilfswerk "Kirche in Not", dass allein in seiner Heimatstadt Vitez, rund 80 Kilometer nordwestlich von Sarajewo, über 650 Menschen von bosnischen Muslimen getötet wurden - und dies innerhalb von nur 316 Tagen. Mehr als 460 Witwen und 600 Waisen und Halbwaisen seien zurückgeblieben.
Die Brutalität gegen die katholischen Kroaten beruhe größtenteils auf einer radikalen islamistischen Ideologie, die von ausländischen Söldnern in das Land getragen worden sei, hieß es in der Aussendung weiter. Diese Extremisten lebten nach wie vor verborgen in den Außenbezirken der städtischen Ballungsgebiete. Auch als die Kroaten nach dem offiziellen Ende des Krieges begannen, in ihre Heimatdörfer zurückzukehren, fielen sie noch Terroranschlägen marodierender islamistischer Extremisten zum Opfer.
Ein weiteres Problem sei die Diskriminierung katholischer Rückkehrer im zivilen und religiösen Leben. "Während die islamischen Gemeinden ihren Besitz nach Kriegsende zurückerhalten haben, sind bis heute zahlreiche kirchliche Besitztümer immer noch nicht ihren rechtmäßigen Eigentümern zurückgegeben worden. Auch entsprechende Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte haben daran nichts geändert."
Das Misstrauen gegenüber dem Rechtsstaat und die hohe Arbeitslosigkeit von teilweise über 50 Prozent sind laut "Kirche in Not" die maßgeblichen Gründe für eine massive Auswanderung der jungen katholischen Kroaten. Nach Angaben von Kardinal Vinko Puljic, dem Erzbischof von Sarajewo, verlassen jährlich bis zu 10.000 Katholiken Bosnien und Herzegowina. Die Hauptstadt war vor dem Krieg Heimat von 35.000 Kroaten; heute hat sich diese Zahl halbiert.
Arabische Hochburg im Westen?
Auf der anderen Seite sei die Zahl der Zuwanderer aus der Türkei und den Golfstaaten in den vergangenen zehn Jahren rapide gestiegen. Laut einem 2017 erstellten Bericht des Europarates waren in den vergangenen 20 Jahren in Bosnien und Herzegowina 245 arabische humanitäre Organisationen tätig. Konservative Glaubensströmungen des sunnitischen Islam, mehrheitlich von Saudi-Arabien unterstützt, wetteiferten mit dem schiitischen Islam, der seinen Rückhalt im Iran habe.
Die zunehmende Radikalisierung rufe auch innerhalb der muslimischen Gemeinden Besorgnis hervor. Stipe Odak von der Fakultät für Theologie und Religionswissenschaften an der belgischen Universität Löwen erklärte, dass sowohl ein organisatorischer als auch ein ideologischer Kampf gegen die "importierten" radikalen muslimischen Gruppen begonnen hat. Sie seien vor die Wahl gestellt worden, sich entweder in die bestehende Organisation der bosnischen islamischen Gemeinschaft zu integrieren oder sich aufzulösen - bisher erfolglos. Die Idee einer arabischen Hochburg im Westen, die von ausländisch geförderten fundamentalistischen Ideologien vorangetrieben wird, sei besonders besorgniserregend vor dem Hintergrund, dass Bosnien und Herzegowina Mitglied der Europäischen Union werden möchte.
Es sei eindeutig, dass der Schlüssel zu einer gemeinsamen Zukunft im Dialog liege, ist Professor Dzemaludin Latic von der Universität für Islamwissenschaften in Sarajewo überzeugt: "Wir müssen über unsere Ängste sprechen. Die katholischen Kroaten müssen die Schmerzen und die Angst der Bosnier verstehen. Wir Bosnier müssen als Mehrheit die Gefühle der Kroaten nachempfinden, die das Land verlassen."
"Kirche in Not" steht seit über drei Jahrzehnten den Katholiken in Bosnien und Herzegowina bei. Um weiter helfen zu können, bittet die Organisation um Spenden (Konto: "Kirche in Not"; IBAN: AT71 2011 1827 6701 0600; Verwendungszweck: Bosnien und Herzegowina; online: www.kircheinnot.at).