Wenn man bedenkt, wie leicht jemand im Glauben wankend wird, weil ein Vertreter des Glaubens das Falsche sagt oder tut, dann wird deutlich, dass es auch den anderen Weg gibt
Wenn man bedenkt, wie leicht jemand im Glauben wankend wird, weil ein Vertreter des Glaubens das Falsche sagt oder tut, dann wird deutlich, dass es auch den anderen Weg gibt
Es gibt keinen unkorrekten Anlass, die Freundschaft mit Gott wieder zu versuchen (und nichts anderes ist ja die Wiederaufnahme des Betens).
Der Papst hat Kubas Präsident Raul Castro zu einem Privatgespräch empfangen – im Vorfeld des für September geplanten Papstbesuches auf der karibischen Insel, die seit 1959 eine kommunistische Diktatur ist.
Raul Castro war wie sein älterer Bruder Fidel Schüler des Jesuitengymnasiums Colegio de Belén in Kubas Hauptstadt Havanna, als er sich dem Kommunismus zuwandte und den Glauben ablegte.
(Als die Castro-Diktatur die Jesuiten enteignete und vertrieb, wurde die Schule in den USA neu gegründet.)
Nach dem Besuch beim Papst sagte Raul Castro, er lese jede einzelne Rede des Papstes und bewundere dessen „Weisheit und Bescheidenheit“. Er werde jede Messe bei der Papstvisite besuchen „und das mit Freude“.
Und: „Wenn der Papst weiterhin so spricht, wie er es tut, werde ich früher oder später wieder zu beten anfangen und zur katholischen Kirche zurückkehren – und ich mache keine Witze.“
Als ich das gelesen habe, war mein erster Gedanke: Wer das Beten zu Gott vom Sprechen des Papstes abhängig macht, hat doch gar nicht verstanden, was Glauben heißt!
Mein zweiter Gedanke war viel nachdenklicher: Es gibt keinen unkorrekten Anlass, die Freundschaft mit Gott wieder zu versuchen (und nichts anderes ist ja die Wiederaufnahme des Betens).
Wenn man bedenkt, wie leicht jemand im Glauben wankend wird, weil ein Vertreter des Glaubens das Falsche sagt oder tut, dann wird deutlich, dass es auch den anderen Weg gibt – dass authentische Weisheit und Demut eines Glaubensvertreters einem den Weg zu Gott wieder öffnet.
Da bleibt dann nur noch die unangenehme Frage an mich selbst: Wie ist denn eigentlich mein Auftreten? So, dass die Castros meiner Umgebung die Freude des Betens wieder zu erahnen beginnen?
Michael Prüller ist Chefredakteur des „Sonntag“ und Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.
Seit fast 30 Jahren ist er Journalist, Ehemann und Vater.
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