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28.04.2014

Shakespeare: Ein heimlicher Katholik?

In diesem Zimmer eines Hauses in der Henley Street in Stratford-upon-Avon wurde William Shakespeare im April 1564, vor 400 Jahren,  geboren.

Die deutsche Anglistin Hildegard Hammerschmidt-Hummel legt Erkenntnisse vor, dass William Shakespeare (1564-1616) nicht nur eine katholische Erziehung erhielt, sondern auch ein katholischer Untergrundkämpfer war.

Was waren das für Zeiten, in die William Shakespeare im April 1564 hineingeboren wurde?
Hildegard Hammerschmidt-Hummel: Elisabeth I. gab England mit den berühmten „39 Articles“ eine neue protestantische Grundordnung. Diese trat 1563 in Kraft, genau ein Jahr vor Shakespeares Geburt. Die Strafen bei Verweigerung an der Teilnahme am anglikanischen Gottesdienst waren anfangs relativ gering. Als aber 1580 im Untergrund eine großangelegte jesuitische Remissionierungsbewegung einsetzte und dabei weite Bevölkerungsteile für den Katholizismus zurückgewonnen wurden, verabschiedete das Parlament drakonische, antikatholische Strafgesetze. Nun waren das Lesen und Hören der Messe, der Besitz katholischer Gegenstände wie Rosenkränze, Marienbildnisse oder Kruzifixe und auch das Verstecken von Priestern und Ordensgeistlichen Hochverrat. Die Todesurteile wurden oft nach schwersten Folterungen auf grausamste  Weise  vollstreckt.

Was wissen wir über das Glaubensleben seiner Eltern?
Hammerschmidt-Hummel: Shakespeares Mutter Mary Arden entstammte einem Nebenzweig des sehr bedeutenden und streng katholischen englischen Adelsgeschlechtes der Arden von Park Hall. Das Familienoberhaupt Edward Arden war 1583 in ein katholisches Komplott verwickelt und wurde wie ein gemeiner Verbrecher hingerichtet. Mary Arden und ihre Familie hielt trotz aller Gefahren am alten Glauben fest. Was den Vater John betrifft, konnte ich viele Hinweise in den Quellen entnehmen, dass auch er ein heimlicher Katholik war. Der schlagendste Beweis für den Katholizismus von John Shakespeare ist das sogenannte borromäische oder jesuitische Testament, also sein schriftliches katholisches Glaubensbekenntnis. Dieses hat man erst durch Zufall im Jahr 1757  bei Reparaturen im Dachstuhl des Geburtshauses von William entdeckt. John Shakespeare muss es dort in den 1580er Jahren aus Furcht vor der Entdeckung versteckt haben.

 

Welche Ausbildung hat der junge William genossen?
Hammerschmidt-Hummel: Es ist mit großer Selbstverständlichkeit davon auszugehen, dass der Sohn des Ratsherrn John Shakespeare die örtliche Lateinschule besucht hat. Allerdings ist es meines Erachtens undenkbar, dass die streng katholischen Shakespeares ihren Sohn zum Studium nach Oxford oder Cambridge geschickt haben. Der Grund ist, dass man dort den sogenannten Suprematseid ablegen musste. Diesen Eid, mit dem anerkannt wurde, dass die Königin Oberhaupt der Kirche sei, konnte kein Katholik schwören. Die einzige Möglichkeit, die sich den Shakespeares bot, war William auf dem englischen Kolleg am Kontinent in Douai bzw. Reims studieren zu lassen. Es ist offensichtlich, dass William Shakespeare wie hunderte andere englische Katholiken seine akademische Ausbildung an diesem Kolleg erhalten hat. Ich habe in den Diarien des Kollegs nachgeforscht. In der Zeit, in der Shakespeare dort studiert haben muss, 1578 bis 1580, habe ich mehrere Male den Vornamen Guilielmus (William) gefunden, der Nachname war gelöscht.

Wie sah sein Engagement für den englischen Kryptokatholizismus aus?
Hammerschmidt-Hummel:  Shakespeare hat sich in drei Phasen seines Lebens meiner Erkenntnisse zufolge aktiv im englischen Kryptokatholizismus bzw. Exilkatholizismus betätigt. Der Dichter war illegal als katholischer Privatlehrer im Adelshaushalt des Katholiken Alexander Houghton in Lancashire von 1580 bis 1582 tätig – unmittelbar nach seinem Studium in Reims. Shakespeare muss in Lancashire, wie ich in dem größtenteils verschlüsselten Testament seines Arbeitgebers entdeckte, Mitglied der „Catholic Association“ gewesen sein, eine Gesellschaft junger Katholiken, die den Schutz heimlich ins Land gekommener Missionspriester übernahmen. William Shakespeare hatte weiters ganz offensichtlich Kontakt zu beiden Anführern der 1580 in Rom einsetzenden jesuitischen Missionsbewegung, mit Pater Edmund Campion, dem späteren Märtyrer, und Pater Robert Parsons.


Nach Beendigung seiner literarischen Laufbahn als gefeierter Londoner Bühnenautor 1613 hat er seine Theateranteile verkauft und vermutlich mit diesem oder anderem Eigenkapital die geheime Anlaufstelle für flüchtige und verfolgte Priester in London erworben: ein verwinkeltes Torhaus auf dem ehemaligen Klostergelände von Blackfriars.

 

Was bedeutet der Ausdruck „The lost years“ – die verlorenen Jahre – im Leben Shakespeares?

Hammerschmidt-Hummel: Damit sind die sieben Jahre von 1585 bis 1592 gemeint, über die wir bisher nichts wussten. In einem Pilgerbuch des Collegium Angelicum in Rom habe ich Einträge für die Jahre 1585, 1587 und 1589 entdeckt. Diese lassen auf die Präsenz Shakespeares in Rom schließen. Ein Eintrag von 1591 war völlig herausgestochen worden. Bei den noch vorhandenen Namen handelt es sich allem Anschein nach um Pseudonyme, bei denen in Variationen der Name von Shakespeares Heimatstadt Stratford verwendet wurde. Einen weiteren Eintrag fand ich unter dem Monat Oktober 1613. In diesem Jahr war er noch einmal und wahrscheinlich zum letzten Mal in Rom.

Ist die Religion einer der Schlüssel zum besseren Verständnis von Leben und Werk des Dichters?
Hammerschmidt-Hummel: Shakespeares katholische Glaubenszugehörigkeit erweist sich tatsächlich als ein Schlüssel zum besseren Verständnis seines Lebens und Werkes. Denn vieles, was zuvor nicht oder nicht hinreichend gedeutet werden konnte, ergibt nun plötzlich Sinn. Denn jetzt wird beispielsweise klar, warum sich in Shakespeares dramatischen Werk ab 1601 eine plötzliche Wende zum Tragischen vollzieht. Und der Dichter keine einzige Komödie mehr verfasste, sondern nur mehr Tragödien, dunkle Problemstücke und ganz am Ende Romanzen. Diese Romanzen haben mit den leichten Komödien der 1590er Jahre nichts mehr gemein. Der Hoffnungsträger der englischen Katholiken am Ende der elisabethanischen Ära war der mächtige und einflussreiche Graf von Essex, der Günstling der Königin Elisabeth I., der durch seine Feinde zu Fall gebracht wurde. Die Hinrichtung des Grafen 1601 wurde für Shakespeare, der einer seiner glühenden Anhänger war, zum Trauma. Es gibt viele Hinweise dafür, dass der Dichter seinem getöteten politischen Idol mit „Hamlet“ ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Am Ende des Stückes spricht Horatio für den toten Prinzen genau das katholische Gebet, das Essex auf dem Schafott sprach und zweimal wiederholt hat: dass Gott seine Engel hernieder senden möge, um seine Seele zu den himmlischen Freuden zu geleiten.

erstellt von: Redaktion der Sonntag / Markus Langer
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