Tomás Halík: Priester, Soziologe, Psychotherapeut
Tomás Halík: Priester, Soziologe, Psychotherapeut
Ein Stück Glaubens-, Theologie- und Kirchengeschichte: das neueste Buch des Prager Priesters und Soziologie-Professors Tomás Halík. Er kommt am 14. Juni nach Wien.
Anfang Juni 1948 in Prag geboren, und drei Tage nach der Geburt getauft, verbrachte Halík seine Kindheit im Stalinismus tschechoslowakischer Prägung. „Der Samen der Taufe war in ungepflügte Erde gesät“, erinnert sich Halík in seinem neuesten Buch „Alle meine Wege sind DIR vertraut. Von der Untergrundkirche ins Labyrinth der Freiheit“. Seine echte Konversion zum Christentum erfolgte in einer Zeit harter Verfolgungen der Kirche. Es folgten kurzzeitig der „Prager Frühling“ und die sowjetische Besetzung im Jahr 1968. 1978 wurde Halík heimlich zum Priester geweiht, hernach arbeitete er elf Jahre in der „Untergrundkirche“. 1989 beteiligte er sich an der „Samtenen Revolution“, dann am Aufbau der Demokratie. Er wurde sogar als Präsidentschaftskandidat ins Spiel gebracht. Prägende Persönlichkeiten auf seinem Lebensweg wurden für ihn Václav Havel, Papst Johannes Paul II. und der Dalai Lama.
Ein einschneidendes Erlebnis für Halík und viele seiner Generation war die Selbstverbrennung des Jan Palach im Jänner 1969 auf dem Prager Wenzelsplatz: „Mich zogen das Motiv der Tat an, die Forderung nach Askese, das hohe Ziel, für das es nötig ist, sich vorbehaltlos einzusetzen und alles zu überschreiten und außer Acht zu lassen, was zerstreut und aufhält.“
Im 432-Seiten-Buch finden sich auch Hinweise auf die Erzdiözese Wien. Kurz bevor die Grenzen der Tschechoslowakei erneut dichtgemacht wurden, besuchte er im Sommer 1969 ein Seminar in Österreich, genauer gesagt im katholischen Bildungshaus Großrußbach im Weinviertel, das von britischen Quäkern veranstaltet wurde.
Später führte ihn eine seiner Reisen nach Fribourg zum damaligen Professor Christoph Schönborn, einem Landsmann, damals Dekan der Theologischen Fakultät. „Unser Gespräch dreht sich um das Geschehen in Theologie und Kirche und dauerte bis Tagesanbruch“, schreibt Halík: „War ich betrübt über die Spaltung in der Schweizer Kirche, so war Schönborn mir ein Halt; es schien mir, dass er eine kultivierte ,Mitte-Rechts-Position’ verkörperte, der auch ich mich am nächsten fühlte“.
Halík gelang es immer wieder, noch zur Zeit des Eisernen Vorgangs, als Touristen reisende westliche Theologen nach Prag zu holen. Unter ihnen waren u. a. Walter Kasper, Christoph Schönborn, Hans Küng und der frühere Wiener Moraltheologe Günter Virt.
Ende der 80er Jahre beschäftigte sich Halík mit einem Pastoralplan für Tschechien, dessen Inhalt Mitarbeitern der Erzdiözese Wien nicht unbekannt vorkommen wird. „Ich entwarf eine Reform der Gemeindepastoral, bei der das bisherige Josephinische Modell der Territorialpfarren durch eine flexible Struktur ersetzt würde, die lebendige Regionen und Missionsgebiete unterschiede, die einen je anderen Stil in der Herangehensweise erforderten.“
Bei einem Schulungsprogramm für kirchliche Führungskräfte, das der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner Anfang der 90er Jahre federführend begleitete, traf Halík – nicht zum ersten Mal – auf Kardinal Franz König. „Ich denke voller Dankbarkeit an jedes Gespräch mit ihm zurück, weil ich ihn für einen wirklichen geistigen Aristokraten hielt und zugleich für das Muster eines modernen Hirten der Kirche – eine der größten Persönlichkeiten des Katholizismus im zwanzigsten Jahrhundert“, schreibt Halík.
Er ist Professor für Soziologie an der Universität Prag und Pfarrer der Akademischen Gemeinde Prag sowie Präsident der Tschechischen Christlichen Akademie. 2014 erhielt er den „Templeton-Preis“. Weitere berühmte Trägerinnen und Träger dieser weltweit am dritthöchsten dotierten Auszeichnung für einzelne Personen sind Mutter Teresa, Frère Roger, Kardinal Léon-Joseph Suenens und Chiara Lubich.