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17.06.2014

„Ich lebe nach vorn“

Herz Jesu / Innenseite der Tabernakeltür

"Der letzte Tanz“

Mit Erni Mangold, Daniel Sträßer, Marion Mitterhammer u.v.m.
Regie: Houchang Allahyari
Ab 13. Juni im Stadtkino im Künstlerhaus (1. Bezirk), im Filmhaus Kino am Spittelberg (7. Bezirk), im UCI Millenium City (20.) und ab 19. Juni im Cinema Paradiso Baden.

Erni Mangold ist mit 87 immer noch eine gefragte Schauspielerin. Im neuen Film „Der letzte Tanz“ spielt sie eine alte Frau, die durch die Liebe noch einmal auflebt. Mit dem SONNTAG spricht sie über die Liebe, das Alter und den Tod.

DER SONNTAG: „,Romeo und Julia’, das ist was für junge Mädchen“, sagt die hochbetagte Julia Ecker in „Der letzte Tanz“ und belehrt sich selbst und alle anderen eines Besseren. Wird älteren Leuten die Liebe abgesprochen?

Mangold: Ich glaube, das sehen eher junge Leute so. Alte haben da eine andere Vorstellung oder Einstellung. Oder sie haben gar keine Einstellung, weil es sie gar nicht mehr interessiert, oder sie zuviel mitgemacht haben und froh sind, dass das alles vorbei ist. Das ist verschieden. Es gibt welche, die immer noch Sehnsüchte haben und gewisse Streicheleinheiten brauchen oder sich danach sehen. Ich finde das völlig o.k., weil im Grund genommen alte Menschen wieder ein bisschen in die Kindheit zurück  gehen. Vielleicht spielt das auch eine Rolle.

„Der letzte Tanz“ handelt von einer besonderen Beziehung zwischen der alten Julia und dem jungen Zivildiener Karl (gespielt von Daniel Sträßer). Es bleibt keine platonische Liebe.

Mangold: Wenn man knapp vor dem Tod steht, hat man eine besondere Ausstrahlung, und auch eine besondere Art, auf junge Leute zu wirken. Julia Ecker wirkt auf den jungen Mann, er kann sich das gar nicht erklären. Sie verliebt sich zwar etwas in ihn, aber sie ist ihm auch irrsinnig dankbar, dass er ihr aus dieser Demenz herausgeholfen hat und aus dieser Einöde im Krankenhaus und aus dieser Verzweiflung. Und irgendwo, ich glaube völlig unbewusst, will sie ihm plötzlich nahe sein, und da entsteht dieser merkwürdige Liebesakt von einer alten Julia.

Es war die erste Bettszene ihres Lebens. Beim Dreh haben Sie gesagt, die Szene müsse so sein, dass man dabei ein Butterbrot essen könnte, ohne sich daran zu verschlucken. Haben Sie das getestet?

Mangold: (lacht) Nein, das habe ich nicht ausprobiert. Beim Dreh haben wir viel gelacht. Mich hat diese Szene im Vorfeld sehr beschäftigt, weil ich mich gefragt habe, wie wird das am besten sein, wie wenig peinlich muss es sein, wie werde ich das beginnen. Ich kam auf die Idee, dass sich Julia umzieht und ein bisschen herrichtet und wie in einen Traum fällt. Davon wird auch er in einer gewissen Weise gefangen genommen. Als ich den Film gesehen habe, dachte ich, das ist ein Geschenk von dem jungen Mann.

Bei der Diagonale haben Sie die Reaktionen des Publikums mitbekommen. Wie haben ältere Menschen den Film aufgenommen?

Mangold: Manche ältere Frauen hatten ein bisschen Schwierigkeiten. Sie haben gemeint, es sei alles so wunderbar, aber wozu und warum habe Julia das gemacht? Die haben halt gewisse Schwierigkeiten mit dieser Vorstellungen. Aber die 50-Jährigen sind auf meiner Seite. Und die ganz Jungen auch.

Durch die Liebe blüht Julia Ecker auf. Kann die Liebe ein Jungbrunnen sein?

Mangold: Ich glaube schon, dass das ein Schub sein kann, der den Menschen  hochheben und wieder in die Jugend hineinfallen lassen kann. Julia blüht auf, weil sie endlich jemanden hat, der ihr zuhört, der sich mit ihr beschäftigt und sie ernst nimmt.

Warum wird von alten Leuten nichts Aufregendes erwartet?

Mangold: Ich glaube, da sind sie selber Schuld, weil sie sich zurückziehen. Es wird nur mehr vom Wetter gesprochen. Das ist     eine Zurückentwicklung, und das ist nicht gut.

Wie schaffen Sie es, mit 87 Jahren so jung zu wirken?

Mangold: Ich habe kein Geheimrezept, ich lebe nach vorne. Ich habe immer nach vorn gelebt und nicht nach rückwärts, das hat mich nie interessiert.

Beschäftigen Sie sich mit dem Tod und dem, was danach sein könnte?

Mangold: Das war bei mir merkwürdig. Ich habe mich mit dem Sterben auseinander gesetzt, da war ich 30. Ich habe gedacht, zehn Jahre werde ich noch leben, dann nochmal zehn. Mit 60 hab ich gedacht, 72 werde ich vielleicht noch erreichen. Mit 70 hatte ich plötzlich Angst vor dem Sterben. Da habe ich mir sehr ins Gewissen geredet. Jetzt ist das schon längst vorbei. An Auferstehung glaube ich nicht. Vielleicht werden wir in ein anderes System geschupft. Die Energie, die wir hinterlassen, die bleibt.

erstellt von: Redaktion der Sonntag / Monika Fischer
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