Lara Sienczak beeindruckt als Sophie Scholl.
Lara Sienczak beeindruckt als Sophie Scholl.
Vor 75 Jahren wurden Hans und Sophie Scholl sowie Christoph Probst von den Nationalsozialisten hingerichtet. Ein Theaterstück ruft die Ereignisse in Erinnerung. Die Historikerin Barbara Beuys beleuchtet die Bedeutung des Glaubens für die Geschwister Scholl.
München, 18. Februar 1943, gegen 10.45 Uhr: Sophie und Hans Scholl betreten durch den Haupteingang die Universität. Mit dabei haben sie einen braunen Koffer und eine Aktentasche, beides gefüllt mit Flugblättern. Sie legen sie stoßweise auf den Gängen und vor den noch geschlossenen Hörsälen auf.
„Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt. Entscheidet Euch, eh es zu spät ist!“ – diese Worte aus einem Flugblatt der Weißen Rose, dem kleinen Kreis von Münchner Studierenden, die ab 1942 durch die Verbreitung von Schriftstücken zum Widerstand aufriefen, lassen an einen warnenden Propheten des Alten Testaments denken.
Die Ereignisse des Februar 1943 in München – Verhaftung, Verhöre und Verurteilung der Geschwister Scholl und von Christoph Probst werden derzeit auf der Bühne im Theater der Jugend in Wien eindringlich in Erinnerung gerufen.
Das sehenswerte Stück von Petra Wüllenweber zieht das Publikum aktiv mit ein und macht deutlich, dass Sophie und Hans Scholl keineswegs als Widerstandskämpfer geboren worden waren, sondern im Gegenteil, in ihrer frühen Jugend begeisterte Mitglieder der Hitlerjugend gewesen waren.
Im Umdenken der Geschwister, das in aktiven Widerstand mündete, spielte der christliche Glaube eine wesentliche Rolle.
„Welche Kraft von einem festen Glauben ausgehen kann, haben die beiden von ihrer Mutter erfahren“, führt die Historikerin und Sophie-Scholl-Biografin Barbara Beuys aus.
Die Mutter Lina Scholl war eine protestantische, tief gläubige Christin und hatte vor ihrer Heirat mit Robert Scholl als Diakonisse gearbeitet.
Auch die Freundschaft mit dem Katholiken und Nazi-Gegner Otl Aicher (später einer der bekanntesten Grafiker Deutschlands und Ehemann von Inge Scholl, der ältesten Schwester von Hans und Sophie Scholl) prägte das Denken der Geschwister und führte Sophie zu einer intensiven Auseinandersetzung mit Augustinus.
Für Sophie Scholl war die Kernbotschaft Martin Luthers von der „Macht der göttlichen Gnade“ von entscheidender Bedeutung.
Grund dafür dürften ihre großen Schuldgefühle bezüglich ihrer früheren Begeisterung für den Nationalsozialismus gewesen sein, wie Barbara Beuys vermutet.
„Könnte es sein, dass Sophie Scholls langes selbstkritisches Ringen um einen gnädigen Gott zusammenhängt mit der Schuld, die auf ihr lastete?“, fragt die Historikerin und fährt fort: „Es gibt keine Antwort darauf, jedoch die Gewissheit, dass Sophie Scholl in der kurzen Zeit, die ihr blieb, dem fernen Gott wieder näher kam, dass sie wieder beten konnte und ihr unruhiges Herz langsam Ruhe fand.“
Hans Scholls Zugang zum Glauben war ein anderer. Nach einem Bekehrungserlebnis zu Weihnachten 1941 war er sich seines Gottes sicher.
In einem Brief an seinen väterlichen Mentor Carl Muth (Herausgeber der katholischen Kulturzeitschrift Hochland) schreibt er, er habe sich in „nutzlosen Bahnen gequält“, an deren Ende „immer dieselbe Leere“ stand:
„Eines Tages ist dann von irgendwoher die Lösung gefallen. Ich hörte den Namen des Herrn (...). Dann ist es wie Schuppen von meinen Augen gefallen. Ich bete. Ich spüre einen sicheren Hintergrund und sehe ein sicheres Ziel. Mir ist in diesem Jahr Christus neu geboren.“
Barbara Beuys führt aus: „Sophie Scholls Glaube an einen gnädigen Gott und Hans Scholls Bindung an Christus, den Erlöser, sind ein fester Grund ihres Widerstandes gewesen.“
Dennoch sind sie nicht als Märtyrer ihres Glaubens gestorben, sondern für ihr Einstehen für die menschliche Freiheit. Diese war für sie kein Widerspruch zu ihrem Glauben.
22. Februar 1943, 17 Uhr: Sophie Scholl wird im Gefängnis München-Stadlheim unter dem Fallbeil hingerichtet. „Die Verurteilte war ruhig und gefasst“ heißt es im Protokoll.
Zwei Minuten später folgt Hans. Er ruft laut: „Es lebe die Freiheit!“
Felix Strobel als Hans Scholl, Lara Sienczak als Sophie Scholl im Theater der Jugend.
Bis 22. März präsentiert das Theater der Jugend (im Theater im Zentrum) Petra Wüllenwebers Stück „Die Weiße Rose“ für Jugendliche ab 13 und Erwachsene.
Die sehenswerte Inszenierung gibt Einblick in die Gedankenwelt der jungen Widerstandskämpfer und zeigt ihre Entwicklung von begeisterten Hitler-Anhängern zu überzeugten Regimegegnern.
Petra Wüllenweber webt geschickt verschiedene Zeitebenen ineinander. Ein tolles Schauspielteam überzeugt.
Einziges Manko: Die religiöse Dimension im Leben der Geschwister Scholl wird vernachlässigt.
unter:
Tel.: 01/521 10 - 415,
Von Historikern wurde der Glaube der Geschwister Scholl bisher kaum beachtet. Barbara Beuys, Verfasserin der Biografie „Sophie Scholl“ (Hanser), untersucht im E-Book „Neugier auf Gott. Sophie und Hans Scholl“, die Rolle des Glaubens im kurzen Leben der Widerstandskämpfer.
Hanser Box,
22 Seiten,
ePUB-Format,
EUR 1,99,
ISBN 978-3-446-24795-6
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