Kaum bekannt: Am Rande der Stadt, in Unterlaa, steht eine der ältesten Kirchen Wiens: die St. Johanneskirche. Stadtarchäologen haben das Bauwerk und den Boden genau erforscht – und stoßen immer noch auf Rätsel in der Geschichte des außergewöhnlichen Gotteshauses. Der SONNTAG war vor Ort, sprach mit Pfarrer Andreas Klein und Stadtarchäologin Karin Fischer-Ausserer.
Von der Augustsonne ausgeblichenes Gras weht im Wind. Erstes Laub lässt sich am Boden nieder. Auf einem Acker knattert ein Traktor und pflügt.
In die Tiefen der Geschichte geht es diesmal an den Stadtrand von Wien – mit der U-Bahnlinie U1 bis Oberlaa und dann mit dem Bus 70 A bis zur Station „Johanneskapelle“ in Unterlaa. Das Dorf Unterlaa hat einen sehr ländlichen Charme und ist von Feldern und Wiesen umgeben.
Die kleine Kirche St. Johannes, Ziel unserer „Reise ins Damals“, liegt direkt an der Klederinger Straße und die ist durchaus stark befahren. „Diese Straße gab es schon in der Römerzeit und sie war eine der wichtigsten Handelsrouten nach Wien“, erzählt Andreas Klein, Pfarrer in Oberlaa. Er ist froh, dass die Sakristei – gefährlich nahe an der Fahrbahn – noch nicht von einem Lkw gerammt wurde.
Was wenige wissen: Das „unbekannte“ Kirchlein in Unterlaa zählt zu den ältesten Kirchen Wiens. Seine Baugeschichte, der Untergrund und die Umgebung wurden von der Stadtarchäologie Wien umfassend untersucht.
Nachweisbar ist eine römische Streusiedlung aus dem zweiten bis vierten Jahrhundert. „Ein richtiges kleines Dorf“, sagt Karin Fischer-Ausserer, Leiterin der Stadtarchäologie Wien: „Wir haben festgestellt, dass sich unter dem Kirchlein St. Johannes noch römische Mauern befinden, dass diese aber in keinem Zusammenhang mit der mittelalterlichen Kirche stehen.“
Schon im 12. Jahrhundert bestand eine kleine romanische Kirche. „Es war ein einschiffiges Kirchlein ohne Turm, eine Chorquadrat-Kirche. Der Chor hatte eine quadratische Form und bildete das Zentrum“, erklärt Fischer-Ausserer.
Der Bau dieser Kirche ist um 1140 anzusetzen und aufgrund von Skeletten datierbar, die in Grabschächten unterhalb des Kirchenraums gefunden wurden.
Fischer-Ausserer: „Wir haben die Skelette mit C14-Methoden untersucht und sind dann im südlichen Grabschacht auf ein Bestattungsalter um 1140 gekommen“. Bei diesen sterblichen Überresten handelt es sich vermutlich um die Kirchengründer.
In der Frühgotik, um 1270, ist eine zweite Bauphase an der Kirche erkennbar. „Da hat man dann angefangen, die Kirche zu vergrößern und einen rechteckigen Turm zu bauen, wie es in dieser Zeit üblich war“, sagt die Archäologin.
Die Erforschung dieser Bauphase gab bald Rätsel auf. Bei der Untersuchung des Mauerwerks entdeckten die Archäologen zwei gesonderte Zugänge ins Kirchenschiff in der Nordwand. Von ausgegrabenen Mauerresten vor dieser Nordwand war man bisher ausgegangen, dass diese römisch seien.
„Nun hat man festgestellt, dass diese Mauern eigentlich gotisch waren und zu einem Hospiz gehört haben, das direkt an die Kirche angeschlossen war“, erzählt Karin Fischer-Ausserer.
Die zwei Zugänge in der Nordwand des Kirchleins führten direkt in das Obergeschoß eines Hospizes, das im 13. Jahrhundert durch die Johanniter errichtet wurde. „Die Durchgänge in das Gotteshaus ermöglichten es den Kranken und Pflegebedürftigen, direkt an der hl. Messe teilzunehmen“, sagt Pfarrer Andreas Klein.
In einem zweiten Grabschacht wurden weitere Skelette entdeckt, die auf das 14./15. Jahrhundert zurückgehen. Man nimmt an, dass es sich bei diesen Toten um Johanniter handelt.
Wie oft in der Archäologie und in der Geschichte gibt es auch bei der Johanneskirche in Unterlaa noch ein großes Fragezeichen.
Schriftliche Quellen des ausgehenden 13. Jh. belegen, dass ein Adeliger namens Baltram genau dort, wo diese Kirche ist, eine Burg hinbauen hat lassen. Aus der Burgkapelle dieses Baus ist dann die romanische Kapelle hervorgegangen.
Seltsamerweise aber sind von der Burg keine Mauerreste im Boden vorhanden. „Es kann aber auch kein Mythos sein, weil alles so gut zusammenpasst“, sagt Karin Fischer-Ausserer.
In Unterlaa sieht man noch Äcker und Wiesen, doch sind mittlerweile alle als Bauland verkauft, wie Pfarrer Andreas Klein erzählt. Wie schade, der ländliche Charme von Unterlaa ist wohl bald Geschichte. Hoffen wir, dass zumindest der Dorfkern in seiner Ursprünglichkeit erhalten bleibt!
Führungen in der Kirche & dem kleinen Museum nebenan macht das Bezirksmuseum Favoriten: 01/6898193;
hl. Messen: 1. Sonntag im Monat, 9 Uhr (Sept.-Juni)
2018, Styria,
Hardcover,
240 Seiten,
EUR 27,00;
ISBN: 978-3-222-13602-3
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