Wegschauen oder handeln? Rike (Susanne Wolff) wird in „Styx“ herausgefordert.
Wegschauen oder handeln? Rike (Susanne Wolff) wird in „Styx“ herausgefordert.
In der griechischen Mythologie trennt der Fluss Styx die Welt der Lebenden vom Totenreich. Regisseur Wolfgang Fischer benennt seinen neuen Film nach diesem Grenzfluss und führt uns dorthin, wo Politik und wirtschaftliche Interessen über Leben und Sterben entscheiden.
Diesen Film werde ich so schnell nicht vergessen. Selbst wenn ich wollte. Ein Autounfall, ein Schwerverletzter und eine Notärztin, die souverän ein Leben rettet.
Die Ärztin heißt Rike und ist die Hauptfigur des Films „Styx“. Nach ihrem Einsatz in den Straßen von Köln begleiten wir sie in ihren Urlaub. Im Hafen von Gibraltar, an der Südküste Spaniens, belädt sie eine Segeljacht mit Unmengen an Trinkwasser und Fertignahrung und sticht – ganz alleine – in See.
Ziel ihrer Reise ist eine kleine tropische Insel zwischen Afrika und Südamerika mit dem Namen Ascension Island. Hier wollte der Begründer der Evolutionstheorie Charles Darwin Mitte des 19. Jahrhunderts einen Garten Eden anlegen und ließ das ursprünglich karge, trockene Eiland bepflanzen.
Heute wachsen hier dichte, einzigartige Nebelwälder, die der Insel Trinkwasser spenden. Von diesem Ort träumt Rike schon lange.
Als geübte Seglerin schreckt Rike nicht einmal ein heftiger Sturm. Im peitschenden Regen und unter klatschenden Wellen hält sie das schaukelnde Boot auf Kurs.
Doch nach dem Sturm ist alles anders. Sie begegnet einem havarierten Fischerboot, das hoffnungslos überladen ist mit Flüchtlingen. Sie rufen sie um Hilfe an. Mehrere Menschen gehen von Bord und drohen zu ertrinken.
Die Ärztin bleibt selbst jetzt Profi und fordert per Funk Unterstützung an. Wieder und wieder.
Der gestern noch so freundliche Kapitän eines Frachters winkt ab, seine Firma gebe strikte Anordnungen für „solche Fälle“ und seinen Job könne er wegen so etwas nicht riskieren.
Die Küstenwache erklärt, sie werde Hilfe schicken und weist Rike an, wegzufahren, sie gefährde sich ansonsten selbst. Rike bleibt auf Distanz, aber in der Nähe.
Als nach einem Tag noch immer keine Hilfe eingetroffen ist, hält Rike es nicht mehr aus. Mitten in der Nacht steuert sie den rostigen Kutter an. Kein Rufen mehr, kein Winken. Sie klettert auf das Boot und geht unter Deck. Im Licht ihrer Stirnlampe muss Rike erkennen, dass sie zu lange gewartet hat.
Regisseur Wolfgang Fischer erzählt in „Styx“ kein aus der Luft gegriffenes Märchen: „Ich kenne Segler, denen Ähnliches passiert ist“, sagt der gebürtige Amstettner. Sein Film folgt der „Göttlichen Komödie“ von Dante, die als Reise ins Paradies beginnt und im Totenreich endet.
Er führt uns an die Grenzen und fordert uns heraus, uns Fragen zu stellen, denen wir vielleicht lieber ausweichen würden.
Wie dieser: Finden wir es in Ordnung, Menschen ertrinken zu lassen, nur damit sie nicht zu uns kommen?
Die Antworten muss jede und jeder für sich selbst finden. Und bevor man das tut, sollte man sich Styx anschauen.
Der Film „Styx“ des österreichischen Regisseurs Wolfgang Fischer läuft ab 23. November 2018 im Kino.
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