Die Bitte um Vergebung, so der Papst weiter, könne nur ein erster Schritt sein. Weitere Aufarbeitung und ein gemeinsamer Einsatz für Gerechtigkeit, Würdigung und Beteiligung indigener Kultur und Menschen müssten folgen.
Die Bitte um Vergebung, so der Papst weiter, könne nur ein erster Schritt sein. Weitere Aufarbeitung und ein gemeinsamer Einsatz für Gerechtigkeit, Würdigung und Beteiligung indigener Kultur und Menschen müssten folgen.
Die "Bußwallfahrt" Papst Franziskus in Kanada beginnt mit einem Eingeständnis des Beitrags der Kirche zur "kulturellen Zerstörung und erzwungener Assimilierung" durch Gleichgültigkeit.
Papst Franziskus hat mit einer ausführlichen Vergebungsbitte an Indigene seine "Bußwallfahrt" in Kanada begonnen. "Ich bitte demütig um Vergebung für das Böse, das von so vielen Christen an den indigenen Bevölkerungen begangen wurde", sagte das katholische Kirchenoberhaupt am Montagvormittag (Ortszeit) vor Überlebenden früherer "Residential Schools" auf dem Gelände einer der größten dieser Internatsschulen in Maskwacis/Alberta.
In seiner Ansprache vor rund 2.000 Menschen, unter ihnen Generalgouverneurin Mary Simon und Premierminister Justin Trudeau, erinnerte der Papst an das Unrecht der staatlich errichteten und von Kirchen betriebenen Internate. In diesen sollten Kinder indigener Völker an die Kultur der europäischen Einwanderer angepasst werden.
Franziskus erinnerte an das, was ihm Überlebende berichtet hatten: Wie "eure Sprachen und Kulturen verunglimpft und unterdrückt wurden; wie Kinder körperlich und verbal, psychologisch und spirituell misshandelt wurden; wie sie von klein auf von zu Hause weggeholt wurden". Daher, so der Papst, "kniet die Kirche vor Gott nieder und bittet um Vergebung für die Sünden ihrer Kinder".
Viele Christen, so der Papst weiter, hätten die Kolonisierung mit ihrer Unterdrückung unterstützt. Daher bitte er um Vergebung "insbesondere für die Art und Weise, in der viele Mitglieder der Kirche und der Ordensgemeinschaften", durch Gleichgültigkeit an "kultureller Zerstörung und erzwungener Assimilierung" mitgewirkt hätten.
Die Bitte um Vergebung, so der Papst weiter, könne nur ein erster Schritt sein. Weitere Aufarbeitung und ein gemeinsamer Einsatz für Gerechtigkeit, Würdigung und Beteiligung indigener Kultur und Menschen müssten folgen. Er selber wolle "weiterhin zum Einsatz aller Katholiken für die indigenen Völker ermutigen". Gleichzeitig bat Franziskus um Verständnis, dass er nicht alle Orte ehemaliger Residential Schools besuchen könne.
Die auf Spanisch gehaltene und mehrfach von Beifall unterbrochene Rede des Papstes wurde auf Englisch sowie per Stream in zwölf indigene Sprachen übersetzt. Während der vorausgegangen Zeremonie eines Pow-Wow trugen Überlebende und Angehörige ein meterlanges rotes Banner mit den Namen der Opfer aller Residential Schools in das Rund.
Begrüßt worden war der Papst von Chief Wilton Littlechild, der als Kind ein Schüler der örtlichen Ermineskin Residential School war. Am Ende der Zeremonie überreichte er Franziskus als Anerkennung einen Kopffederschmuck. Der Papst seinerseits gab ein Paar Kindermokassins zurück, das ihm eine indigene Delegation im Frühjahr in Rom übergeben hatte mit der Aufforderung, sie gut zu hüten. Die Schuhe sollten ihn an jene Kinder erinnern, die aus den kirchlichen Internaten nicht nach Hause gekommen waren.
Zu Beginn der Zeremonie hatte Franziskus allein einen nahe gelegenen Friedhof besucht, auf dem Kinder der früheren Internatsschule in Maskwacis beerdigt wurden - etliche auch anonym. Sie waren an den Folgen von Krankheiten, aber auch Vernachlässigung und Misshandlung gestorben. Die Ermineskin Indian Residential School war von 1916 bis 1973 eine der größten des Landes. 1991 wurde die Einrichtung der Ermineskin Cree Nation übergeben.
In ersten Reaktionen zeigten sich kanadische Kommentatoren zwar beeindruckt von der Ansprache und der deutlichen Bitte um Vergebung. Zugleich mahnten sie die vom Papst angedeutete Aufarbeitung an; dazu müssten kirchliche Einrichtungen noch mehr Archive öffnen. Auch habe der Papst weder das in Kanada inzwischen geläufige Wort vom "Genozid" verwendet, noch von der Schuld der Kirche als ganzer und ihrer früheren Rechtfertigung des Kolonialismus, den sogenannten "doctrine of discovery" gesprochen.
Bei seiner zweiten Begegnung mit Indigenen auf seiner Kanadareise hat Papst Franziskus jeglicher Zwangsmissionierung eine Absage erteilt. "Man kann Gott nicht auf eine Weise verkünden, die im Widerspruch zu Gott steht", sagte er am Montagnachmittag (Ortszeit) beim Besuch einer Kirchengemeinde in Edmonton. Leider sei das oft in der Geschichte passiert. Gott biete sich demütig an, Menschen versuchten dagegen, ihn aufzuzwingen und in seinem Namen sich selbst aufzudrängen. "Im Namen Jesu, dies möge in der Kirche nicht mehr vorkommen", so das Kirchenoberhaupt.
Beim Treffen mit Mitgliedern der Herz-Jesu-Pfarre in Edmonton, zu der indigene Kanadier wie Nachkommen europäischer Einwanderer gehören, deutete Franziskus zudem an, wie er sich weitere Versöhnung zwischen Indigenen, Einwanderern und der Kirche vorstellt. "Gesten und Besuche mögen wichtig sein", so Franziskus, "aber die meisten Worte und Aktivitäten der Versöhnung finden vor Ort statt, in Gemeinschaften wie dieser, wo Menschen und Familien Tag für Tag Seite an Seite leben."
Gleichzeitig räumte der Papst ein, dass Versöhnung oft sehr schwer sein könne. Zumal wenn sie im Namen Christi geschehen soll und man angesichts der Vergangenheit in kirchlichen Einrichtungen "nur Wut und Scham empfinden" könne. Nichts könne "verletzte Würde, erlittenen Schmerz und verratenes Vertrauen auslöschen. Auch sollte die Scham von uns Glaubenden niemals ausgelöscht werden", mahnte Franziskus. Ein Neuanfang sei aber immer notwendig.
Weiter sagte der Papst: Um sich untereinander und mit der Vergangenheit zu versöhnen, "mit erlittenem Unrecht und verletzten Erinnerungen, mit traumatischen Ereignissen, die kein menschlicher Trost heilen kann", sollten Menschen gemeinsam "auf Jesus schauen, der in so vielen Schülern der Internatsschulen gekreuzigt wurde". Versöhnung sei im Grunde weniger Ergebnis eigener Leistung, sondern ein Geschenk Gottes.
In der 1913 gegründeten Kirchengemeinde "Sacred Heart" leben relativ viele Angehörige der First Nations, also ursprüngliche Bewohner des heutigen Kanada. Die Pfarre wurde 1991 vom damaligen Erzbischof zur Nationalkirche der indigenen First Nations, Metis und Inuit erklärt. Heute leben auch viele Migranten und Flüchtlinge dort.