Die Kirchen sollten ein "Netzwerk an Empfindsamkeiten" bilden, so der Theologe Kurt Appel.
Die Kirchen sollten ein "Netzwerk an Empfindsamkeiten" bilden, so der Theologe Kurt Appel.
Kurt Appel und Ulrich Körtner stellten in der "Langen Nacht der Kirchen" die Frage nach der Zukunft des Glaubens.
Mit der Frage nach der künftigen Bedeutung von Religionen setzten sich in der "Langen Nacht der Kirchen" die beiden Wiener Theologen Kurt Appel und Ulrich Körtner auseinander. Ein klares Nein gab es dabei von beiden zur Leitfrage der Diskussion in der Lutherischen Stadtkirche in der Wiener Innenstadt, die unter dem Titel "Wird die Religion verschwinden?" stand. Religion werde sicher nicht verschwinden, auch wenn es in unterschiedlichen Regionen der Welt, darunter in Europa, deutliche Tendenzen eines Rückzugs von Religion geben, sagte der evangelische Theologe Körtner.
Jene Erfahrungen von Menschen, die sich auch in religiöser Sprache artikulierten, würden in Zukunft keinesfalls verschwinden, betonte auch Kurt Appel, der an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien Fundamentaltheologie lehrt. Er verwies auf die zunehmenden Urbanisierung in vielen Weltregionen und die damit einhergehende wachsende Entwurzelung von Menschen. Religiöse Organisationen fungierten hier als wichtige Bezugspunkte, wenn auch nicht immer in der in Mitteleuropa bekannten Form einer institutionellen Kirche.
Die Gesellschaft brauche heute eine neue "Kultur der Empfindsamkeit", sagte Appel; Religion habe darin einen ganz wichtigen Platz. Die Kirchen sollten in dieser Situation danach trachten, ein "Netzwerk an Empfindsamkeiten" zu bilden, so der Theologe. "Wenn etwa der Papst die 'Globalisierung der Gleichgültigkeit' kritisiert, dann hat er ein wichtiges Stichwort geprägt und ich würde mir wünschen, dass sich das dahinterliegende Ethos intensiver in den Kirchen verkörpert."
Beide Theologen sprachen von der Säkularisierung als einem "epochalen Prozess", der seinen Anfang in der Aufklärung genommen hat. Appel akzentuierte hier insofern, als er unterstrich, dass die Menschen heute "global auf der Suche nach neuen Formen des Verständnisses und Auffassungsweisen von Welt sind".
Körtner wiederum betonte, dass man den Prozess der Säkularisierung keinesfalls zu stark relativieren dürfe. In diesem Zusammenhang verwies er u.a. auf eine aktuelle Studie der evangelischen Kirche in Deutschland, wonach die Menschen der Religion zunehmend gleichgültig gegenüberstehen. Im Kern liege dies nicht an Kirchenskandalen oder dem Kirchenbeitrag, schilderte Körtner die Ergebnisse. "Die Menschen verlassen die Kirche nicht, weil sie etwas dagegen haben, sondern weil sie nicht das Gefühl haben, dass sie Religion für ihr Leben brauchen."
Man könne daher auch nicht einfach sagen, die Kirche hätten in der Geschichte Fehler gemacht und deshalb verlassen die Leute die Kirche, betonte der Theologe. Den Kirchen empfahl er vor diesem Hintergrund eine gewisse Gelassenheit zu entwickeln; sie dürften "nicht gleich in Aktionismus verfallen".
"Gott schafft Möglichkeiten", betonte Körtner in seinem Resümee zu dem Gespräch, und: "Dem der glaubt ist mehr möglich als dem der nicht glaubt". Von den Kirchen erwarte er, "dass sie den Menschen zugewandt bleiben, vor allem aber nicht vergessen, dass sie keine Werteagentur für Gesellschaft oder Staat sind, sondern die Aufgabe haben, von Gott zu reden, der Mensch geworden ist". Gerade in ihrer Widerständigkeit sei die Rede von Gott wichtig.
Eindrücke aus der Langen Nacht der KirchenBildergallerie zur Langen Nacht 2014 |
Lange Nacht der Kirchen 2014 |
"Lange Nacht der Kirchen"
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