Ausschlaggebend sei Franziskus' Hintergrund als Südamerikaner, betont Pater Wisser SJ: "Franziskus habe hautnah miterlebt, "wie Reiche immer reicher werden, während Arme nicht genug zu essen haben".
Ausschlaggebend sei Franziskus' Hintergrund als Südamerikaner, betont Pater Wisser SJ: "Franziskus habe hautnah miterlebt, "wie Reiche immer reicher werden, während Arme nicht genug zu essen haben".
"Lange Nacht der Kirchen"-Diskussion: Jesuitenprovinzial Wisser und "AGENDA Austria"-Geschäftsführer Schellhorn kreuzten zu den Wirtschaftsaussagen von Papst Franziskus die Klingen.
Zwei konträre Sichtweisen auf die Papst-Aussagen zum Kapitalismus im apostolischen Schreiben "Evangelii gaudium" sind in der Langen Nacht der Kirchen am Freitagabend, 23. Mai 2014, im Rahmen einer Diskussion zu "Ein Jahr Papst Franziskus - Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft" in Wien im Mittelpunkt gestanden. Während der frühere Wirtschaftsredakteur der Tageszeitung "Die Presse", Franz Schellhorn, die ablehnende Äußerungen des Papstes in dem Schreiben zum Kapitalismus als "unhaltbare ökonomische These" zurückwies, hob der Provinzial der österreichischen Jesuitenprovinz, Gernot Wisser, diese als Anfrage an das Individuum und seine Lebensführung hervor. "Dem Papst geht es nicht darum, ein Wirtschaftssystem zu ändern", so Wisser. Das Schreiben sei vielmehr eine Anfrage an den Lebensstil eines jeden Einzelnen.
Anders als Papst Benedikt XVI., der in einer klaren, wissenschaftlichen Sprache geschrieben habe, verwende Franziskus ausdrucksstarke Bilder und spreche sehr oft bezogen auf konkrete Situationen. Einem wissenschaftlichen Diskurs würden diese nicht standhalten; das sei aber auch nicht der Anspruch des Papstes, so Wisser weiter. Aussagen wie "Diese Wirtschaft tötet" seien so nicht als wissenschaftliche These oder Umsturzversuch eines Wirtschaftssystems zu werten, sondern viel mehr als Bild dafür, "dass wir teilweise bedenkliche Lebensformen gewählt haben, die zu Ungerechtigkeit und Entsolidarisierung führen".
In "Evangelii gaudium" habe sich Franziskus "etwas von der Seele geschrieben, um eine neue Evangelisierung anzustoßen". Das Grundanliegen des Dokuments sei die "Rückkehr der Menschen zu Gott, die heute oftmals durch eine Prioritätenverschiebung verstellt ist". Das werde auch in der Gewichtung der Themen sichtbar werden: "Aussagen über die Wirtschaft nehmen darin nur einen geringen Teil ein." Franziskus habe immer wieder betonte, keine Sozial-Enzyklika geschrieben zu haben.
Außerdem müsse das Dokument im Ganzen gesehen werden. Sich auf den ersten Teil zu konzentrieren, in dem der Papst gebündelt Aussagen über die Wirtschaft treffe und daraus zu schließen, er sehe keine Vorteile in der Marktwirtschaft sei "naiv". Das zeige sich im Schreiben durchaus durch Zitate, die von einer Vermehrung der Güter sprechen würden und ein Bekenntnis zum Wirtschaftswachstum seien. Ausschlaggebend sei schließlich auch Franziskus Hintergrund als Südamerikaner. Er habe hautnah miterlebt, "wie Reiche immer reicher werden, während Arme nicht genug zu essen haben".
Für Schellhorn ergebe sich dieser Interpretationsspielraum nicht. Das Dokument sei vielmehr eine "fundamentale Abrechnung mit dem Kapitalismus" und wende sich konkret und mit klaren Worten gegen die freie Marktwirtschaft. Für den Geschäftsführer der "AGENDA Austria" eine "naive Sichtweise", die mit der Realität nichts zu tun habe. Er vermisse außerdem einen Gegenentwurf des Papstes. "Wenn ich mich so deutlich gegen ein System wende, dann muss ich eine Alternative anbieten."
Besonders deutlich werde die unreflektierte Haltung des Papstes auf den Kapitalismus und die freie Marktwirtschaft in der Aussage "Diese Wirtschaft tötet". In Nr. 53 heißt es wörtlich: "Ebenso wie das Gebot "du sollst nicht töten" eine deutliche Grenze setzt, um den Wert des menschlichen Lebens zu sichern, müssen wir heute ein "Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen" sagen. Diese Wirtschaft tötet." Für Schellhorn eine Sichtweise, "die entweder Unwissenheit widerspiegelt oder als bewusste Manipulation gedacht ist"; denn: "Der Realität entspricht diese Aussage nicht."
Die Papstaussagen würden außerdem einen verantwortlichen Umgang mit Sprache vermissen lassen, kritisierte Schellhorn. "Ein Wirtschaftswissenschaftler kann auch nicht sagen, 'Religion tötet'". Hier sei mehr Feingefühl und Sprachsorgfalt gefragt, was man von einem Papst erwarten könne.
Eindrücke aus der Langen Nacht der KirchenBildergallerie zur Langen Nacht 2014 |
Lange Nacht der Kirchen 2014 |
"Lange Nacht der Kirchen"
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