Das Grabtuch wird seit 1578 im Turiner Dom in einer eigenen Kapelle aufbewahrt. Es wurde zuletzt 2015 öffentlich gezeigt. Die Herkunftsgeschichte der "Sindone" ist geheimnisumwittert.
Das Grabtuch wird seit 1578 im Turiner Dom in einer eigenen Kapelle aufbewahrt. Es wurde zuletzt 2015 öffentlich gezeigt. Die Herkunftsgeschichte der "Sindone" ist geheimnisumwittert.
Forscher aus Liverpool sieht Mittelalter-Hypothese bestätigt, Italiener Lazzaro sieht durch neue Publikation allerdings keinen neuen Beweis für Fälschung.
Die Echtheit des legendären Turiner Grabtuchs ist weiterhin ungeklärt. Der italienische Experimentalphysiker Paolo Di Lazzaro kritisierte am Dienstag, 17. Juli 2018, in einem Beitrag des Informationsdienstes "Vatican Insider" Mängel in der Versuchsanordnung einer jüngsten britisch-italienischen gerichtsmedizinischen Analyse. Die Untersuchung des Forensikers Matteo Borrini und des Chemikers Luigi Garlaschelli, die in Liverpool und Pavia forschen, hatte Unstimmigkeiten in den Blutspuren auf dem Leintuch mit dem Abbild eines Gekreuzigten festgestellt.
Nach der Studie von Borrini und Garlaschelli, die vergangene Woche im "Journal of Forensic Sciences" veröffentlicht wurde, setzen die Blutspuren auf der Vorder- und Rückseite der Arme des Gekreuzigten unterschiedliche Armhaltungen voraus. Ein Blutfleck auf der Rückseite des Abbilds, der von einem Lanzenstich in die Seite des Gekreuzigten herrühren soll, sei "völlig unrealistisch". Borrini und Garlaschelli begründeten ihre Zweifel anhand von Experimenten, die den Verlauf der Blutspuren auf dem Grabtuch simulieren sollten. Sie äußerten die Vermutung einer Nachstellung eines Gekreuzigten in einem Atelier des 13./14. Jahrhunderts.
Di Lazzaro, Vizedirektor des Turiner Zentrums für die Erforschung des Grabtuchs, machte dagegen unter anderem geltend, die beiden Forscher hätten für ihre Versuche Blut mit einem gerinnungshemmenden Zusatz verwendet. Dieses sei entsprechend dünnflüssiger als das Blut eines dehydrierten Mannes, sagte Di Lazzaro. Mitbestimmend für den Verlauf des Wundbluts bei einem Gekreuzigten seien auch die Stärke der Blutung, Schweiß, Schwellungen sowie Schmutz auf der Haut. Diese Faktoren seien bei dem Experiment unberücksichtigt geblieben.
Zu dem Blutfleck auf Hüfthöhe sagte Di Lazzaro, das Leintuch könne möglicherweise schon für den Transport des Leichnams vom Kreuz zum Grab verwendet worden sein. Hätte man den Toten an Armen und Beinen getragen, so hätte an der tiefsten Stelle am Becken das Blut der Lanzenwunde gesammelt. Um zu verlässlicheren Ergebnissen zu kommen, müsse man "Parameter von Blut und Haut verwenden, die näher an denen sind, die man reproduzieren will". So sei der Ertrag des Experiments von Borrini und Garlaschelli "weniger als vorläufig", sagte Di Lazzaro.
Radiokarbon-Analysen von 1988 hatten ergeben, dass das Gewebematerial aus dem 13. oder 14. Jahrhundert stammt. Diese Ergebnisse werden in Turin allerdings als nicht fachgerecht erstellt kritisiert.
Das Grabtuch wird seit 1578 im Turiner Dom in einer eigenen Kapelle aufbewahrt. Es wurde zuletzt 2015 öffentlich gezeigt. Die Herkunftsgeschichte der "Sindone" ist geheimnisumwittert. Die frühesten belegten Schriften, die das Grabtuch erwähnen, stammen aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. Bereits damals wurde die "Santa Sindone" durch den Bischof von Troyes, Pierre d'Arcis, als Fälschung beschrieben. Das 4,36 mal 1,10 Meter große Leinentuch zeigt den Abdruck eines kräftig gebauten, 1,81 Meter großen Mannes mit Bart und langem Haar.
Die Turiner Grabtuch-Expertin Prof. Emanuela Marinelli, die mehrere Bücher über die Turiner Reliquie vorgelegt hat, erklärte am Montag in "Vatican News", es handle sich bei den Berichten über die Liverpooler Erkenntnisse um "eine längst bekannte Studie, die vor vier Jahren auf einem Kongress vorgestellt wurde".
Als sie vor Jahrzehnten angefangen habe, sich mit dem Grabtuch zu beschäftigen, habe es noch gewissenhafte Experimente an wirklichen Leichen gegeben. "Jetzt hingegen reicht offenbar eine Schaufensterpuppe", kritisierte Marinelli. Die Autoren der Liverpooler Studie hätten nichts weiter getan, als die Blutflecken an ihrer Puppe mit denen auf dem Grabtuch zu vergleichen, und hätten aus den Unterschieden geschlossen: Das Blut auf dem Grabtuch ist teilweise falsch.
Auf Basis des biblischen Berichts und des Turiner Grabtuchs seien Kardiologen zu dem Schluss gekommen, dass Jesus an einem Infarkt gestorben und nicht, wie sonst häufig bei Gekreuzigten, erstickt sei, so die Italienerin: "Das ist also ein spezieller Fall: Jesus ist bereits tot, der Körper bleibt noch eine Weile am Kreuz hängen, und der Lanzenstich lässt nun dunkles, verdicktes Blut und eine Art Serum herausfließen, das sich um das Herz herum gebildet hat. Was tun nun die Autoren der Liverpooler Studie? Man sieht es genau, denn ihrem Aufsatz sind Fotos beigefügt: Sie nehmen eine Schaufensterpuppe, wie man sie in Kleidungsgeschäften sieht, befestigen an ihrer rechten Brust ein Säckchen mit künstlichem Blut und drücken darauf - das ist das 'wissenschaftliche' Experiment."
Kritik übte die Autorin auch an Luigi Garlaschelli, einem der Autoren der Studie: "Er hat selbst in einem Interview mit einer italienischen Zeitung 2009 erzählt, dass seine Arbeiten zum Grabtuch von Atheisten-Verbänden bezahlt würden. Aber Geld stinke eben nicht, hat er dann noch hinzugefügt, er wäre auch bereit, einmal für die katholische Kirche eine Studie durchzuführen. Daraus schließe ich: Wenn er immer noch von falschen Blutflecken spricht, kann das nur daran liegen, dass die Kirche ihn nicht finanzieren wollte. Sonst wäre er auf die andere Seite übergelaufen."