Christen sollen ohne Skrupel helfen, wo Menschen in Not sind. Aber sie sollen gleichzeitig daran arbeiten, ungerechte Strukturen, böse Systeme zu ändern – auf dem Rücken der Täter, nicht der Opfer.
Christen sollen ohne Skrupel helfen, wo Menschen in Not sind. Aber sie sollen gleichzeitig daran arbeiten, ungerechte Strukturen, böse Systeme zu ändern – auf dem Rücken der Täter, nicht der Opfer.
Sollten die Hilfsorganisationen denn Menschen ertrinken lassen, um den Schleppern das Geschäft zu vermasseln?
Es stimmt schon, was Außenminister Kurz kürzlich kritisiert hat: Die Schlepper an Nordafrikas Küsten verkaufen den Flüchtlingen unbrauchbare Boote – weil sie wissen, dass die Hilfsorganisationen sie nicht ertrinken lassen, sondern nach wenigen Seemeilen Fahrt aus dem Wasser fischen werden.
Trotzdem hat sich der Außenminister im Ton vergriffen. Er sprach von „NGO-Wahnsinn“ und dass die Hilfsorganisationen „Partner“ der Schlepperbanden seien.
Das ist ungerecht. Sollten die Hilfsorganisationen denn Menschen ertrinken lassen, um den Schleppern das Geschäft zu vermasseln? Ja, die Hilfsbereitschaft wird von den Schleppern ausgenützt – aber das darf man, wie Kardinal Schönborn gesagt hat – nicht den Hilfsbereiten anlasten. Sie haben keine andere Wahl.
Dieses Dilemma gibt es in vielen Situationen. Wer einem Bettler etwas gibt, trägt auch dazu bei, dass Betteln ein Erwerbszweig bleibt. Wer einspringt, weil der Staat versagt, erleichtert es dem Staat, weiterhin zu versagen. Manche haben es Mutter Teresa von Kalkutta zum Vorwurf gemacht, dass sie mit ihrer Hilfe für die Ausgegrenzten dazu beigetragen habe, dass die Ausgrenzung bleibt.
Aber in der Bergpredigt sagt Jesus, dass man sogar dann freigiebig sein soll, wenn man dazu gezwungen wird. Und „wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab“. Die Hintermänner, die davon profitieren könnten, sind Christus keinen Einwand wert.
Müssen Christen also naiv sein? Nein. Sie sollen ohne Skrupel helfen, wo Menschen in Not sind. Aber sie sollen gleichzeitig daran arbeiten, ungerechte Strukturen, böse Systeme zu ändern – auf dem Rücken der Täter, nicht der Opfer.
Und das ruhig in Arbeitsteilung: Helfer helfen in der konkreten Not, Regierungen schaffen gerechtere Bedingungen. Dann ist keiner von ihnen Partner des Bösen.
Schwerpunkt Asyl auf erzdioezese-wien.at
zur Person:
Dr. Michael Prüller ist Kommunikationschef der Erzdiözese Wien und Geschäftsführer der St. Paulus-Medienstiftung.
weitere Texte von Michael Prüller
die Zeitung der Erzdiözese Wien
Stephansplatz 4/VI/DG
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at