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13.01.2019 · Österreich & Weltkirche · Lebensschutz

„Und ein möglichst perfektes Kind...“

Moraltheologe Günter Virt: „Jeder Mensch ist um seiner selbst willen zu achten und zu schützen.“

Gentechnisch veränderte Babys in China und Tiere als Rohstoff-Ersatzteile für den Menschen. Ein „garantiert“ gesundes Kind und die Eingriffe in das Erbgut des Menschen: Der Moraltheologe Günter Virt über das weite Feld der Herausforderungen durch die Bioethik.

 

Experimente im Bereich der Bio-Wissenschaften klingen oft wie Träume vom genetisch perfektionierten Menschen.

 

Angesichts der rasanten technischen Entwicklungen in der Bio-Medizin ist die Bioethik ständig gefordert. Sie gründet auf jahrtausendealten Prinzipien. Zugleich ist eine ethische Bildung notwendiger denn je, ist der Wiener Moraltheologe Günter Virt überzeugt. Er spricht am 30. Jänner bei den „Theologischen Kursen“ in Wien.

 

„Erste Gentech-Babys geboren“, so lauteten die Schlagzeilen vor wenigen Wochen. Was ist von den Versuchen in China zu halten?


Zunächst stellt sich die Frage, ob das alles stimmt oder ob es sich nicht wieder einmal um Fake-News handelt, denn niemand kann das zum jetzigen Zeitpunkt überprüfen.

 

Wenn die Meldung aber stimmt, dann ist es umso schlimmer, denn dann handelt es sich um eine völlig unverantwortliche Vorgangsweise. Es wäre ein eindeutiger Verstoß gegen die Menschenrechte, die auch in der Europäischen Menschenrechts-Konvention zur Biomedizin festgehalten sind.

 

Dort heißt es ausdrücklich: „Eine Intervention, die auf die Veränderung des menschlichen Genoms gerichtet ist, darf nur vorgenommen werden, wenn sie nicht darauf zielt, eine Veränderung des Genoms von Nachkommen herbeizuführen.“

 

Das wäre also ein Verstoß gegen die Menschenrechte und Menschenwürde, wenn man einen Menschen nicht nur total instrumentalisiert, sondern auch künftige Nachkommen den Plänen und dem Können gerade lebender Wissenschaftler ausliefert und alle Nachkommen unumkehrbar von den Folgen betroffen sind.


Sind das dann unverantwortliche Menschenversuche?


Solche Versuche verstoßen nicht nur gegen die Menschenrechte, sondern auch gegen alle Wissenschaftsregeln, die die Grundlagen für die vielen Ethikkommissionen bilden.


Sind wir damit nahe dran am Traum der Menschheit vom genetisch perfektionierten Menschen?


Träume haben sich immer in Utopien niedergeschlagen, besonders in der Literatur, als Utopien von einer besseren Welt. Spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg gibt es keine positiven Utopien mehr, sondern nur mehr Negativ-Utopien, Horrorszenarien.

 

Früher gab es weniger technisches Können, heute wachsen die technischen Möglichkeiten rasant, wie etwa durch die Gen-Schere, die hier in Wien entdeckt worden ist von Emmanuelle Charpentier. Diese ermöglicht einfache und wirksame Eingriffe in die Genetik von Pflanzen, Tieren und Menschen.

 

Gibt es in Zukunft eine Garantie für ein gesundes Kind?


Die wird es nie geben können, weil ein Großteil der Krankheiten durch spätere Umstände im menschlichen Leben entstehen, durch Verletzungen, durch Strahlungen, die in die Genetik eingreifen, durch Mutationen usw. In unserer Gesellschaft sprechen Soziologen von der „Rush hour“ des Lebens.

 

Idealtypisch vereinfacht: Mit 29 1/2 Jahren sollte man in kürzester Zeit das Studium abschließen, sollte man eine eigene Wohnung, einen festen Partner und ein Kind haben, das dann bitte möglichst perfekt sein soll.

 

Das ist ein gesellschaftlicher Druck, der hier aufgebaut wird: „Man macht das so.“ Das Kind wird nicht als Gabe betrachtet, in seinem Eigensein, sondern als Erfüllung von ganz unterschiedlichen Träumen und eben gesellschaftlichen Zwängen.


Was dann, wenn Tierorgane mit einer solchen „Gen-Schere“ derart verändert werden, dass sie in Menschen eingesetzt werden können?


Das ist zunächst eine technische Frage, was die Gen-Schere im Bereich der Pflanzen und Tiere tatsächlich schon leisten kann. Da gibt es viele Versprechungen, die so noch nicht eingelöst sind.

 

Die Verantwortung beginnt bereits hier. Dass man Tierorgane im Menschen einsetzt, steht momentan nicht im Vordergrund. Die Frage ist, ob man menschliche Organe im Tier heranwachsen lässt für eine Rücktransplantation zum Menschen.

 

Hier ist extreme Vorsicht angebracht, was an eventuellen Krankheiten und Erregern aus dem Tierreich in den Menschen importiert werden könnte.

 

Es ist aber auch eine tierethische Frage, ob man nämlich höher entwickelten Tieren gleichsam als Rohstoffproduzenten Qualen aussetzt. Es gibt eine ethische Verpflichtung auch dem Tier gegenüber, das ebenso leiden kann wie der Mensch.

 

Wann darf der Mensch – beseelt vom Wunsch nach Perfektion – in den Bauplan des Menschen eingreifen?


Es gibt kein Diktat der Natur, denn sonst dürfte es keine Medizin geben. Die Heilversuche und Therapien unterliegen allerdings strengen Regeln.

 

Der Eingriff in den Bauplan des Menschen, also in die genetischen Grundlagen, darf nur nach ausführlicher Aufklärung und nach freier Zustimmung am einzelnen Individuum geschehen. Bei Haut-Krebs etwa kann ich nicht sagen, der Haut-Krebs gehört zur Natur, da darf ich nicht eingreifen.

 

Selbstverständlich hat die Medizin den Auftrag, therapeutisch und nach vorangegangener Information und Zustimmung einzugreifen.

 

Wenn man allerdings in den Bauplan des Menschen eingreift und das Erbgut verändert und allen Nachkommen dieses Menschen das veränderte Erbgut weitergibt, so ist dies allein schon vom Technischen her unverantwortlich, weil wir ja noch gar nicht alle Folgen kennen.

 

Es gibt Hinweise, dass durch solche Eingriffe alle ca. 35.000 Gene in ihrer Wechselwirkung betroffen sein können. Dass beispielsweise neue Formen von Krebswucherungen entstehen, die dann an alle künftigen Generationen weitergegeben würden.


Brauchen wir eine neue Ethik der Besonnenheit?

 

Wir brauchen keine neue Ethik, sondern endlich umfassende ethische Bildung auf allen Ebenen. Die fehlt hinten und vorn.

 

Weil sich Menschen, die kein eigenes, gebildetes ethisches Urteil haben, auch leicht von anderen verführen lassen. In vielen Bereichen haben wir noch gar nicht realisiert, dass wir ethische Bildung brauchen.

 

Die Menschen, die die Algorithmen herstellen, mit denen wir am Computer konfrontiert werden, wo alle unsere Daten von großen Firmen abgesaugt werden, bräuchten auch ganz dringend eine ethische Bildung.

 

Was sind die Eckpfeiler einer solchen ethischen Bildung?

 

Zunächst die Grundlage einer jeden Ethik: Dass nämlich jeder Mensch um seiner selbst willen zu achten und zu schützen ist und dass man ihn niemals nur als Mittel zum Zweck einsetzen kann.

 

Die unveräußerliche und gleiche Würde aller Menschen, die mit dem Mensch-Sein gegeben ist, ist die Grundlage für alle ethischen Güterabwägungen. Unser christliches Verständnis von Menschenwürde gründet in der Gottebenbildlichkeit eines jeden Menschen.

erstellt von: Der SONNTAG / Stefan Kronthaler
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Weitere Informationen:

Moraltheologe Günter Virt

 

Geboren: 1940 in Wien.

 

AusbildunG, Beruf:

Studium der Katholischen Fachtheologie.

Priesterweihe 1965.

Habilitation für Theologische Ethik 1981 in Tübingen.

1981-1983 Professor für Moraltheologie in Paderborn,

1983-1986 Professor für Moraltheologie in Salzburg.

1986-2006 Professor für Moraltheologie an der Uni Wien.


Mitgliedschaften:

1993-2001 Aufbau und Leitung des interdisziplinären Instituts für Ethik in der Medizin an der Uni Wien.

Mitglied der Ethikkommission am AKH und an der Medizinischen Universität. 2001-2009 Mitglied der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt.

2001-2016 Mitglied der Leitethikkommission der EU in Brüssel.

 

Termin in Wien:

Günter Virt spricht am 30. Jänner (18.30-21 Uhr) in Wien bei den „Theologischen Kursen“ zum Thema: „Den Menschen optimieren? Von den Grenzen des Machbaren. Unterwegs zum Übermenschen?“


 

 

Günter Virt - Privat

Leben ist …
für mich eine Herrlichkeit

 

Sonntag ist …
für mich der Höhepunkt der Woche

 

Glaube ist …
für mich die feste Basis für Lebensentscheidungen und oft schwierige Entscheidungen

 


 

Schwerpunkt Bioethik und Lebensschutz

 

auf www.erzdioezese-wien.at

 


weitere Informationen zu

 

Der SONNTAG

die Zeitung der Erzdiözese Wien

Stephansplatz 4/VI/DG

1010 Wien
T +43 (1) 512 60 63

E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at

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Expertinnen aus der Praxis über die Probleme und Sorgen, die werdende Eltern am Beginn der Schwangerschaft am meisten beschäftigen.

Bischöfe zum 'Tag des Lebens': Jedes Menschenleben 'heilig'

Bischöfe zum "Tag des Lebens": Jedes Menschenleben "heilig"

Erzbischof Lackner bei Familien-Gottesdienst in Salzburg: Gott für das eigene Leben danken. Bischof Krautwaschl in Stift Rein: Identität nicht durch Abgrenzung definieren.

"Woche für das Leben": Kirche hält Menschenwürde hoch

Kindergottesdienst mit Erzbischof Lackner am 4. Juni im Salzburger Dom. Am 31. Mai Ethikforum und Ausstellungseröffnung mit "Lebensschutz"-Bischof Glettler in Innsbruck.

Woche für das Leben: Lackner feiert mit Familien Kindergottesdienst

Messe mit Salzburger Erzbischof im Dom von ukrainischer griechisch-katholischen Gemeinde mitgestaltet.

Papst zur Suizidbeihilfe: Recht auf Leben, nicht auf den Tod

Franziskus bei Generalaudienz: Tod muss angenommen statt verabreicht werden. Palliativmedizin nicht mit Suizidbeihilfe verwechseln.

Kardinal Schönborn: Palliativ- und Hospizarbeit Vorrang geben

Kardinal Schönborn: Palliativ- und Hospizarbeit Vorrang geben

Wiener Erzbischof betont zu Neuregelung der Sterbehilfe: "Der Mensch soll nicht durch die Hand eines Menschen sterben, sondern an der Hand eines Menschen".

Suizidbeihilfe: Bischofskonferenz bleibt bei Ablehnung

Suizidbeihilfe: Bischofskonferenz bleibt bei Ablehnung

Erzbischof Lackner: Hoffnung und Auftrag, dass Sterbeverfügungsgesetz "im besten Sinne totes Recht wird, wenn es uns als Solidargemeinschaft gelingt, dass niemand in Österreich das Bedürfnis hat, es in Anspruch zu nehmen".

Suizidbeihilfe: Experten befürchten enorme Schäden für Gesellschaft

Ex-Politikerinnen Kdolsky und Pittermann, Bischofskonferenz-Vertreter Schipka und Merckens sowie Sterbehilfe-Befürworter Reif und Proksch in Podiumsdiskussion: Geplante Neuregelung wird Zusammenleben und Selbstverständnis verändern.

Suizidbeihilfe: Experten kritisieren fehlenden Palliativ-Ausbau

Ethik- und Hospizexperten warnen vor "Ungleichgewicht" und fehlender Wahlfreiheit für Lebensmüde.

Orden und Caritas: "Schutz und Würde des Lebens bis zuletzt"

"Vorläufiger Orientierungsrahmen für den Umgang mit dem Wunsch nach assistiertem Suizid" in Pflegeeinrichtungen der Orden und Caritas veröffentlicht. Assistierter Suizid niemals Teil des Angebots-Spektrums kirchlicher Einrichtungen. Orden und Caritas setzen auf Begleitung.

Aktion Leben: Kinderrechte auch für Kinder vor der Geburt

Generalsekretärin Kronthaler sieht beim "Recht auf Leben" besonderen Handlungsbedarf und kritisiert "Kampf der Ideologien"

Sterbeverfügungsgesetz - schwere Bedenken

Laienrat hält Gesetzesvorlage in der derzeitigen Form für verfassungswidrig. Schwerwiegende Bedenken u.a. auch vom Institut für Ehe und Familie und dem Salzburger Ärzteforum.

Bischof Glettler: Suizidbeihilfe - "kultureller Dammbruch"

Innsbrucker Bischof in Allerheiligenpredigt: "Dass daraus ein gesellschaftlicher Normalfall wird, ist zu erwarten."

Respekt und Kritik zur Vorlage für ein neues Sterbeverfügungsgesetz

Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler, für Lebensschutzfragen zuständiger Bischof respektiert Bemühen um eine verantwortungsvolle Regelung, lobt Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung, zeigt sich aber enttäuscht über vertane Chancen bei der Suizidprävention.

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