Der Autor Thomas Hürlimann.
Der Autor Thomas Hürlimann.
Den religiösen Motiven in der Gegenwartsliteratur auf die Spur kommen wollen der Autor Thomas Hürlimann und der Wiener Theologe Jan-Heiner Tück. In Vorlesungen und einem Symposium an der Universität Wien wird das Zeichen des Kreuzes in der modernen Literatur behandelt.
Religion ist in der Literatur ein Thema und kann schnell polarisieren. Sie wird zu einem Minenfeld.“ Davon ist der Schweizer Autor Peter Hürlimann überzeugt: „Wenn ich mich dagegen wehre, das Kreuz von den Wänden zu nehmen, wird das sofort als reaktionäre politische Aussage verstanden. Andere Bereiche polarisieren nicht so sehr.“
Gegen Tendenzen, das Kreuz aus dem Alltag zu verbannen, wehrt sich Hürlimann bei einem Pressegespräch entschieden: „Kreuze werden durch Rauchverbots-Schilder ersetzt, ein Kardinal wagt sich mit dem Kreuz nicht mehr nach Jerusalem, an den Fuß des Ölbergs.
Literatur hat die Aufgabe, diesem Zeitwind entgegenzutreten.“ Für Hürlimann weist das Kreuz zuallererst auf den Tod hin. Es spreche eine Tatsache an, die alle Menschen erwartet: „Das Kreuz und alles, was damit verbunden ist, löst in mir keine Ängste aus. Es hilft mir, diese Ängste zu benennen.“
Hürlimann begibt sich in Vorlesungen und Seminaren an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien mit Studentinnen und Studenten auf die Suche nach dem Motiv des Kreuzes in der modernen Literatur.
Durch diese „Poetikdozentur Literatur und Religion“ wird ein Austausch zwischen Literaturwissenschaftlern, Theologen und Autoren ermöglicht, die eine „Antenne für religiöse Fragen“ haben, sagt der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück.
Auf Zugänge zu einer Welt jenseits dieses irdischen Lebens ist Hürlimann in seinem literarischen Wirken angewiesen. Das Geheimnis des christlichen Glaubens verschwindet für ihn immer mehr aus dem Alltag: „Literatur braucht aber diese transzendente Wirklichkeit. Auch der Erfolg von Harry Potter zum Beispiel hat damit zu tun: Kinder werden aus dieser Welt in eine ganz andere entführt. Das hat Religion auch vermittelt.“
Literatur hat für Hürlimann die Aufgabe, eine „Form von Transzendenz“ zu sein: „Im jüdischen Glauben sehe ich das sehr stark: Man erzählt von den Toten.“ Berührt hat Hürlimann in seiner Jugend das Ministrieren bei Beerdigungen: „Der Lebenslauf des Toten wurde vorgelesen. Ein Mensch stirbt, ein Text aufersteht. Der Tote wird quasi zum Text. Vergangenes wird so bewahrt.“
Abgeschlossen wird die Vorlesungs- und Seminarreihe von Thomas Hürlimann mit einem interdisziplinären Symposium zum literarischen Werk des Autors: Theologen und Literaturwissenschaftler kommen unter dem Titel „Feuerschlag des Himmels“ am 1. und 2. Juni an der Universität Wien miteinander ins Gespräch.
Das Programm des Symposiums und weitere Informationen dazu finden Sie im Internet unter dg-ktf.univie.ac.at
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