Franziskus und Kyrill: „Wir sind nicht Konkurrenten, sondern Geschwister.“
Franziskus und Kyrill: „Wir sind nicht Konkurrenten, sondern Geschwister.“
Die Annäherung zwischen Katholiken und Russisch-Orthodoxen hat durch die Begegnung von Papst und Patriarch Rückenwind bekommen. Aber die Reaktionen zeigen auch: Für ein wirklich vertrauensvolles Miteinander braucht es noch mehr. Ein Bericht im "SONNTAG".
Eine historische Begegnung war das Treffen von Papst Franziskus und Patriarch Kyrill, dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche am Freitag in Havanna jedenfalls
– aber ob es das „Treffen des Jahrtausends“ war, wie die russische Boulevardzeitung Moskowski Komsomolez getitelt hat, wird man an seinen Früchten in den kommenden Monaten und Jahren erkennen.
Konkrete weitere Schritte wurden ja nicht vereinbart.
Auch ein weiteres Treffen wurde nicht vereinbart – aber Patriarch Kyrill hat die Bereitschaft dazu bekundet: „Da es ein erstes Treffen gab, kann es auch ein zweites und drittes geben.“
Dass überhaupt ein Treffen stattgefunden hat, gibt aber schon Hoffnung auf eine Normalisierung der Beziehungen.
Seit die russisch-orthodoxe Kirche mit der Gründung des Moskauer Patriarchats im Jahr 1589 nicht mehr unter der Oberhoheit des Patriarchen von Konstantinopel stand, hat es ja noch nie eine Begegnung des Moskauer Patriarchen mit einem Papst gegeben.
Während es schon mehrmals sehr freundschaftliche Treffen des Papstes mit dem Patriarchen von Konstantinopel gab, blieben die seit 20 Jahren mit der russisch-orthodoxen Kirche geführten Vorgespräche erfolglos.
Zu angespannt waren die Beziehungen, vor allem auch wegen der unierten Kirchen, die sich im 16. Jahrhundert von der Orthodoxie abgespalten hatten und zur katholischen Kirche gewechselt waren.
Unter Stalin, der sie zwangsweise mit den Orthodoxen wiedervereinigen wollte, erlebten sie ein schweres Martyrium und gingen in den Untergrund.
Als die unierte griechisch-katholische Kirche 1990 wieder offiziell errichtet wurde, lebten alte Animositäten wieder auf.
Teile der russischen Orthodoxie sehen die Unierten nach wie vor als Abtrünnige und unlautere Mitbewerber an.
Umso mehr wiegt das Wort der Erklärung von Franziskus und Kyrill: „Wir sind nicht Konkurrenten, sondern Geschwister.“ Das Existenzrecht der unierten Kirchen wird in der Erklärung ausdrücklich anerkannt, und es wird zu „einmütiger Zusammenarbeit“ aufgefordert.
Trotzdem reagierte die griechisch-katholischen Kirche kühl. Ihr Oberhaupt, der Kiewer Großerzbischof Swiatoslaw Schewtschuk, war vor allem davon enttäuscht, dass die Erklärung den Krieg in der Ukraine als „Bürgerkrieg“ bezeichne und die „russische Aggression“ ausklammere. Beobachter vermuten, dass Rom hier einen Kompromiss eingegangen ist, damit das Treffen trotz Widerstand im Umfeld Kyrills stattfinden konnte.
Insgesamt sei der Text zwar positiv, die Punkte zur griechisch-katholischen Kirche brächten aber „mehr Fragen als Antworten“, erklärte Schewtschuk.
Dem Papst bleibt der Großerzbischof freilich dennoch treu: „Wenn wir nicht mit ihm das Handeln des Heiligen Geistes wahrzunehmen versuchen, werden wir in den Grundsätzen dieser Welt und ihrer Gefolgsleute gefangen bleiben.“
Mehr über Papst Franziskus
Mehr über Papst Franziskus
Kyrill I. ist seit dem 1. Februar 2009 Patriarch von Moskau und der ganzen Rus und damit der Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche.
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at
Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien