Papst Franziskus hat in Bulgarien für ein kulturoffenes Europa geworben.
Papst Franziskus hat in Bulgarien für ein kulturoffenes Europa geworben.
Papst äußert auch Sorge über "demografischen Winter" und Abwanderung. Franziskus bittet in erster Ansprache seiner Reise um mehr Aufnahmebereitschaft gegenüber Migranten.
Papst Franziskus hat in Bulgarien für ein kulturoffenes Europa geworben. In einer Rede vor Politikern und Diplomaten am Sonntag, 5. Mai 2019 in Sofia nannte er Bulgarien ein Land, dessen alte christlichen Wurzeln die "Berufung zur Begegnung" lebendig hielten. Als Mitglied der Europäischen Union stehe das Land zugleich in stabilen Beziehungen zu Russland und der Türkei, die hier über Jahrhunderte den Ton angegeben hätten. Bulgarien müsse wie in der Vergangenheit die Begegnung zwischen verschiedenen Kulturen, Ethnien und Religionen fördern, sagte Franziskus. Dabei bat er auch um Aufnahmebereitschaft gegenüber Migranten.
Sein Gastgeberland nannte der Papst als ein Beispiel dafür, wie man Vielfalt als Chance und Reichtum statt als Grund für Auseinandersetzungen sehen könne. Er erinnerte an die Slawenapostel Kyrill und Method als "Mitpatrone Europas" und Wegweiser für einen fruchtbaren Dialog zwischen Kirchen, Staaten und Völkern.
Besorgt äußerte sich Franziskus darüber, dass in den vergangenen Jahrzehnten mehr als zwei Millionen Bulgaren auf der Suche nach Arbeitsmöglichkeiten ausgewandert seien. Dies und ein "demographischer Winter" habe zu einer Entvölkerung vieler Dörfer und Städte geführt. Die Regierung dürfe keine Mühen scheuen, um jungen Menschen Zukunftschancen zu ermöglichen, so der Papst. Die junge Generation brauche günstige Bedingungen "um ihre frische Energie einzusetzen und ihre persönliche und familiäre Zukunft planen zu können".
Der Papst äußerte sich anlässlich seines Empfangs zu einem zweitägigen Besuch in dem südosteuropäischen Land. Staatspräsident Rumen Radew sagte in seiner Begrüßungsansprache, aufgrund seiner "dramatischen Geschichte voller Krieg und Leid" wisse Bulgarien auch um den Wert des Friedens. Frieden habe nur dann Bestand, wenn Menschlichkeit und Toleranz zwischen den Religionen, Ethnien und Konfessionen die Oberhand behielten.
Radew betonte, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit hätten in der bulgarischen Gesellschaft keinen Platz. Brücken statt Mauern zu bauen, sei "die Botschaft unserer Zeit", so der Staatspräsident. "Mauern zu bauen ist leicht, Brücken dagegen nicht", sagte er.
Papst Franziskus hat in Bulgarien die Trennung zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche beklagt und zu gemeinsamem Handeln trotz der Spaltung ermutigt. Bei einem Treffen mit dem bulgarisch-orthodoxen Patriarchen Neofit am Sonntag, 5. Mai in Sofia verwies er auf das Glaubenszeugnis verfolgter Christen, soziales Engagement und die Glaubensweitergabe an die jüngere Generation als verbindende Handlungsfelder. Franziskus sprach von einer "Ökumene des Blutes, der Armen und der Mission". Neofit dämpfte Erwartungen. In Glaubensdingen könne und dürfe es "keine Kompromisse" geben, betonte er.
Das Verhältnis der bulgarisch-orthodoxen Kirche zu anderen christlichen Gemeinschaften gilt als schwierig. Neofit äußerte sich beim Empfang von Franziskus am Patriarchatssitz lobend über Aussagen des Papstes zu den christlichen Wurzeln Europas und über seine Warnung vor einer wachsende Christenverfolgung. In diesen Punkten gebe es Übereinstimmung. Die orthodoxe Kirche freue sich, wenn andere geistliche Führer ihre Überzeugungen teilten, aber man unternehme "jede Anstrengung, um Kompromisse beim Glauben nicht zuzulassen", sagte der Patriarch.
Dass mit Franziskus nach "nur 17 Jahren" zum zweitenmal ein katholischer Papst nach Bulgarien reise, wertete Neofit als "Ausdruck des Respekts gegenüber der orthodoxen Kirche Bulgariens". An dem Treffen nahm auch der Heilige Synod teil, das oberste Leitungsgremium der Kirche. Mehr als drei Viertel der Bevölkerung in Bulgarien gehören der orthodoxen Kirche an; der Katholikenanteil beträgt nach Vatikanangaben ein Prozent.
Franziskus hob hervor, "eine gewisse Verschiedenheit der Sitten und Gebräuche" stehe der Einheit der Kirche "nicht im geringsten" entgegen. Bei unterschiedlichen theologischen Aussagen zwischen Ost- und Westkirche müsse man "oft mehr von einer Ergänzung als von einer Gegensätzlichkeit" sprechen.
Der Papst erinnerte an seit 1968 regelmäßig erfolgende Besuche bulgarisch-orthodoxer Delegationen im Vatikan sowie an die Präsenz einer bulgarisch-orthodoxen Gemeinde in Rom und päpstliche Gesandte in Bulgarien. "Ich bin zuversichtlich, dass sich diese Kontakte mit Hilfe Gottes und in der Zeit, die die Vorsehung bestimmen wird, positiv auf viele andere Aspekte unseres Dialogs auswirken werden", sagte er.
Wenn Christen gemeinsam das Bekenntnis von Christus ablegten und ihre Fehler einsähen, könnten sie "vielleicht die Freude der Vergebung wiederentdecken", sagte der Papst. Für ein gemeinsames Glaubenszeugnis verwies Franziskus auf die Verfolgungen des vergangenen Jahrhunderts. Diese Gläubigen unterschiedlicher Konfessionen seien bereits "im Himmel vereint".
Im Anschluss besuchte Franziskus die Alexander-Newski-Kathedrale, die als Patriarchatskirche dient. Der neobyzantinische Bau erinnert an 20.000 gefallene russische Soldaten, die bei der Befreiung Bulgariens von den Osmanen 1877-78 ums Leben kamen. Der Papst betete dort vor dem Thron der Slawenapostel Kyrill und Method, die im 9. Jahrhundert die christliche Missionierung in weiten Teilen Osteuropas betrieben.
Vor der Basilika gab es im weiteren Verlauf gemeinsam mit Vertretern anderer Kirchen und nichtchristlicher Religionen - unter ihnen Geistliche der armenischen Kirche, des Judentums und des Islam - ein gemeinsames Mittagsgebet, an dem weder Patriarch Neofit noch andere Vertreter der bulgarisch-orthodoxen Kirche teilnehmen wollten.
Franziskus hob dabei hervor, dass Bulgarien ein zwar orthodoxes Land, aber auch einen Kreuzungspunkt verschiedener Religionen sei. Die unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften müssten "die Kultur des Dialogs als Weg, die allgemeine Zusammenarbeit als Verhaltensregel und das gegenseitige Verständnis als Methode und Maßstab annehmen", betonte er. Dies werde "jeden Tag notwendiger".
Wie Franziskus hervorhob, hänge der ökumenische Aufbruch der katholischen Kirche ganz maßgeblich mit Bulgarien zusammen. Angelo Giuseppe Roncalli, der spätere Papst Johannes XXIII. (1958-1963), habe als Gesandter von 1925 bis 1934 in Bulgarien die Tradition der Ostkirche schätzen gelernt und so den Anstoß zur Förderung des ökumenischen Dialogs erhalten, der sich dann im Zweiten Vatikanischen Konzil (1963-1965) fortsetzte. Die katholische Kirche müsse Bulgarien für die "weise und inspirierende Intuition" Roncallis danken, sagte der Papst bei seinem Mittagsgebet.