Rudolf Prokschi ist Leiter des Fachs Ostkirchenkunde an der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät und Vizepräsident der Stiftung "Pro Oriente".
Rudolf Prokschi ist Leiter des Fachs Ostkirchenkunde an der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät und Vizepräsident der Stiftung "Pro Oriente".
Pro Oriente-Vizepräsident Prokschi über die Hintergründe des historischen Treffens von Havanna.
Die ökumenische Bedeutung des Treffens zwischen Papst Franziskus und Patriarch Kyrill hat der Wiener Ostkirchen-Experte Rudolf Prokschi unterstrichen. Prokschi verwies in einem "Zenit"-Interview auf die größeren Zusammenhänge: Seit Beginn des Pontifikats von Papst Franziskus habe sich ein sehr herzliches Verhältnis zum Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., ergeben, während es ein Treffen eines Papstes mit einem Moskauer Patriarchen noch nie gegeben hatte. Seit rund 20 Jahren sei in den Medien öfter von einer möglichen Begegnung des Papstes mit dem russischen Patriarchen die Rede gewesen.
Fast wäre es, so Prokschi, anlässlich der Zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung (Graz 1997) dazu gekommen. Die Begegnung hätte damals im Stift Heiligenkreuz, auf neutralem Boden, stattfinden sollen, es sei ein großer Wunsch von Johannes Paul II. gewesen, dass es zu einer solchen Begegnung kommt. Das Verhältnis der russischen Orthodoxie zum Nachfolger Johannes Pauls II., Papst Benedikt XVI., sei dann ein "sehr gutes" gewesen, man habe den Papst in Moskau sehr als Theologen geschätzt.
Jetzt sei es ganz wichtig gewesen, dass sich die Reisepläne von Papst und Patriarch auf Kuba kreuzten, "in einem gewissen Sinn" sei der Papst dem Patriarchen entgegen gekommen. Prokschi: "Kyrill hätte den Papst nicht nach Moskau einladen können, da es zu viele Widerstände von sehr anti-ökumenischen Gruppierungen gibt. Und er hätte auch nicht nach Rom gehen können, weil viele russisch-orthodoxe Kreise auch dagegen gewesen wären".
Metropolit Hilarion (Alfejew), der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, habe bei seiner Pressekonferenz am 5. Februar, als das Treffen in Havanna angekündigt wurde, die Kritik an der Ukrainischen griechisch-katholischen Kirche aufrecht erhalten, aber das Zustandekommen der Begegnung damit begründet, dass man unbedingt zu den christlichen Brüdern und Schwestern in der Konfliktregion Naher Osten stehen müsse. Prof. Prokschi dazu: "Ich vermute, dass zwei Punkte nun eine Rolle spielten: Zunächst ist da das gute Verhältnis des Papstes zum Ökumenischen Patriarchen. Der Moskauer Patriarch möchte die internationale Bühne nicht dem Patriarchen von Konstantinopel allein überlassen. Der zweite Punkt ist das bevorstehende Panorthodoxe Konzil. Sicher hat man in den Statuten im Vorfeld beschlossen, dass nur Konsens-Entscheidungen der 14 allgemein anerkannten autokephalen Kirchen gefasst werden können, wobei jede Kirche, unabhängig von ihrer Größe, nur eine Stimme hat. Trotzdem geht es jetzt schon im Vorfeld darum, wer den Grundton angibt".
Die Russisch-orthodoxe Kirche habe sich Jahrhunderte hindurch bemüht, eine selbständige autokephale Kirche zu werden, während sie von Ostrom abhängig war, erinnerte der Wiener Ostkirchen-Experte. Als Konstantinopel durch die heranstürmenden Osmanen politisch immer schwächer wurde, habe die russische Kirche 1448 unter Großfürst Wasilij II., dem es gelungen war, einen einheitlichen Staat zu formen, erstmals selbst ihren Metropoliten bestimmt. Iwan III., der Nachfolger Wasilijs, habe dann den Zaren-, also Kaisertitel übernommen. Er heiratete die Nichte des letzten byzantinischen Kaisers, Sofia Palaiologa. Prokschi: "Moskau verstand sich fortan als 'Drittes Rom'. Es kam dann die Erhebung zum Patriarchat im Jahr 1589, wobei da schon die Tatsache eine Rolle spielte, dass der damalige Patriarch von Konstantinopel, Jeremias II., nach Moskau gekommen war, um finanzielle Unterstützung zu erbitten."
Damit habe er den Sultan mit entsprechenden Geschenken positiv für sich stimmen wollen, um so seine Position als oberster Repräsentant aller Orthodoxen im Osmanischen Reich zu erhalten. In dieser Phase habe der russische Zar Druck gemacht und die Erhebung zum Patriarchat erreicht, erläuterte Prokschi. Er ist Leiter des Fachs Ostkirchenkunde an der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät und Vizepräsident der Stiftung "Pro Oriente".
Ökumenische Stiftung "Pro Oriente":
www.pro-oriente.at