"Ökumene darf nicht nur Sache von Amtsträgern sein. Ökumene muss an der Basis passieren und ein Anliegen aller Christen sein", so Lothar Pöll, der neue Vorsitzende des ÖRKÖ.
"Ökumene darf nicht nur Sache von Amtsträgern sein. Ökumene muss an der Basis passieren und ein Anliegen aller Christen sein", so Lothar Pöll, der neue Vorsitzende des ÖRKÖ.
Der methodistische Superintendent Pöll will "viele kleine Schritte" zur Vertiefung der Beziehungen zwischen den Kirchen setzen.
Viele kleine Schritte zur Vertiefung der Beziehungen zwischen den Kirchen möchte der methodistische Superintendent Lothar Pöll setzen. Er ist seit 1. Jänner neuer Vorsitzender des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ). Pöll wurde bereits im Oktober von den ÖRKÖ-Mitgliedern zum neuen Vorsitzenden gewählt. Er folgt dem rumänisch-orthodoxen Bischofsvikar Nicolae Dura nach.
Österreich werde oftmals als "Musterland der Ökumene" bezeichnet, sagte Pöll zu Amtsantritt. Der ÖRKÖ-Vorsitzende verwies auf die ausgezeichneten Kontakte zwischen den Kirchen, viele gemeinsame Gottesdienste und auch Initiativen wie die Fortschreibung des Ökumenischen Sozialworts im Prozess "sozialwort 10+". Freilich gebe es auch noch "offene Baustellen", etwa im Bereich der gemischt-konfessionellen Ehepaare und beim Zugang zur Kommunion.
"Es wäre eine große Hilfe, wenn die Ehepartner auch an der Eucharistie der jeweils anderen Kirche teilnehmen könnten", so Pöll. Der ÖRKÖ-Vorsitzende wünschte sich eine Art "Gastmitgliedschaft" in anderen Kirchen, damit etwa der evangelische Ehepartner als vollwertiges Mitglied in einer katholischen Pfarrgemeinde mitleben kann, "ohne die eigene Tradition aufzugeben". Bei katholisch-evangelischen Paaren funktioniere dies in der Praxis oft schon sehr gut; er würde sich so etwas auch bei anderen Konfessionen wünschen, sagte Pöll.
Fast alle im ÖRKÖ vertretenen Kirchen würden auch gegenseitig die Taufe anerkennen, so Pöll: "Das ist zur Selbstverständlichkeit geworden." Ausnahmen gebe es bei der koptischen Kirche sowie den Baptisten. Er würde sich deshalb einen Beschluss aller ÖRKÖ-Mitglieder über die gegenseitige Taufanerkennung wünschen, so Pöll.
Druck wolle er freilich keinen ausüben. Unterschiede zwischen den Kirchen sollte man respektvoll benennen, aber: "Je mehr wir unsere Beziehungen vertiefen und Vertrauen schaffen, umso mehr wird möglich." Wichtig ist dem neuen ÖRKÖ-Vorsitzenden vor allem eines: "Ökumene darf nicht nur Sache von Amtsträgern sein. Ökumene muss an der Basis passieren und ein Anliegen aller Christen sein."
Wann immer es nötig ist, wollten die Kirchen auch zu gesellschaftlich wichtigen Themen gemeinsam Stellung beziehen, kündigte der ÖRKÖ-Vorsitzende an. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an die Erklärung des ÖRKÖ vom vergangenen Herbst zum Gedenken an die Novemberpogrome und zu Antisemitismus-Tendenzen im Land. Auch zur weltweiten Christenverfolgung werde man nicht schweigen. Mit dem Prozess "sozialwort 10+" wollten sich die Kirchen auch im sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Bereich verstärkt einbringen.
Vertiefen möchte der ÖRKÖ-Vorsitzende auch die Beziehungen zu anderen Religionen, allen voran zum Judentum und zum Islam, doch auch fernöstliche Religionen wie den Buddhismus dürften die christlichen Kirchen in Österreich nicht aus dem Fokus verlieren, so Pöll: "Das interreligiöse Klima in Österreich ist sehr gut. Das hat sich etwa auch im vergangenen Jahr beim Volksbegehren gegen vermeintliche Kirchenprivilegien gezeigt, das von allen Religionsgemeinschaften abgelehnt wurde."
Pöll ist seit sechs Jahren im Vorstand des ÖRKÖ engagiert: "Wenn man bedenkt, dass alle handelnden Personen das ehrenamtlich tun, geschieht im ÖRKÖ sehr viel." Freilich wäre es wünschenswert, dass die einzelnen Mitgliedskirchen dem Ökumenischen Rat mehr materielle Mittel zur Verfügung stellen. Derzeit hat der ÖRKÖ 16 Mitglieder. Darüber hinaus arbeitet eine Reihe von kirchlichen Organisationen als Beobachter mit.
Stellvertretende Vorsitzende des ÖRKÖ sind seit 1. Jänner der griechisch-orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis) und der katholische Diözesanbischof von Innsbruck, Manfred Scheuer. Weitere Vorstandsmitglieder sind Erika Tuppy (evangelisch-reformierte Kirche), Bischof Michael Bünker (evangelisch-lutherische Kirche), Bischof John Okoro (altkatholische Kirche) und Chorepiskopos Emanuel Aydin (syrisch-orthodoxe Kirche).
Der 62-jährige Pöll ist seit 2001 Superintendent der Evangelisch-methodistischen Kirche in Österreich. Diese gehört zu den Gründungsmitgliedern des ÖRKÖ, der seit 1958 besteht. Zum Selbstverständnis der Kirche gehöre die Öffnung und Zusammenarbeit mit anderen Kirchen, bekräftigte Pöll.
Der Name "Methodisten" war im 18. Jahrhundert in England die spöttische und abfällige Bezeichnung für Menschen, die ihren christlichen Glauben besonders ernst nahmen und sich durch eine disziplinierte Lebensweise auszeichneten. Ihre Frömmigkeit hatte "Methode".
John Wesley (geboren 1703 in England) gilt zusammen mit seinem Bruder Charles als Begründer der Methodistischen Bewegung. John Wesley wandte sich vor allem an die sozial schwache Arbeiterbevölkerung und setzte sich für die Beseitigung sozialer Missstände ein.
Die Methodistische Kirche selbst entstand im 18. Jahrhundert in Nordamerika und ging aus der Anglikanischen Kirche hervor. Heute zählt sie weltweit rund 75 Millionen Mitglieder. In Österreich gibt es die Evangelisch-methodistische Kirche seit 1870. 1951 wurde sie staatlich anerkannt. Heute gibt es neben Wien auch Gemeinden in Bregenz, Graz, Linz, Ried im Innkreis, Salzburg und St. Pölten. In Wien gibt es auch eine englischsprachige internationale und eine koreanische Gemeinde. Insgesamt zählen die Methodisten in Österreich rund 1.500 Mitglieder.
Website des Ökumenischen Rats der Kirchen in Österreich: www.oekumne.at
Website der Methodistischen Kirche in Österreich: www.emk.at