In der Erzdiözese Wien steht „Apg2.1“ für den missionarischen Aufbruch, der mit der großen Stadtmission in Wien im Jahr 2003 begonnen hat.
In der Erzdiözese Wien steht „Apg2.1“ für den missionarischen Aufbruch, der mit der großen Stadtmission in Wien im Jahr 2003 begonnen hat.
Die Kirche in Mitteleuropa braucht Aufbrüche. Dabei kann sie von den weltweiten lokalen Kirchenentwicklungen lernen. Christian Hennecke, Leiter des Fachbereichs Missionarische Seelsorge in Hildesheim, über die Lust am Experiment.
Als viele in Mitteleuropa nach der Jahrtausendwende noch dachten, dass die Themen Mission und Erneuerung abgehakt sind, schrieb Christian Hennecke seine ersten Bücher über die Aufbrüche in der weltweiten Kirche, die auch Impulse für die Kirche hierzulande liefern können.
Die Frage, wie Gott heute seine Kirche führt, treibt den Hildesheimer Regens des Priesterseminars und Leiter des „Fachbereichs Missionarische Seelsorge“ seit damals um. Seine Erfahrung lautet: Gott ist lebendig in der Gemeinschaft derer, die um sein Wort versammelt sind. Aus dieser Erfahrung heraus wird Kirche neu. Er erinnert auch an das Wort von Papst Franziskus vom Zustand „permanenter Mission“.
Hennecke: „Während wir eher denken: Wir sind Kirche und haben eine Aufgabe, denkt der Papst geradezu andersherum: Wir stehen als Christen in einer Sendung, in einem Auftrag, das Evangelium in aller Welt Wirklichkeit werden zu lassen – und daraus wächst dann Gottes Sammlungsbewegung, die Kirche.“
Warum ist ein neuer Aufbruch mehr als eine Rückkehr zu gewohnten Verhältnissen?
HENNECKE: Es gibt in der Geschichte keine Rückkehr. Und es gibt auch keinen Versuch der Bestandswahrung, der Erfolg gehabt hätte. Weil wir auf einem Weg sind, begegnet uns immer eine neue Wirklichkeit. Und für die Kirche gilt: Wir sind hineingenommen in die Dynamik einer beständigen Bewegung des Geistes Gottes, der uns nach vorne führt. Und weil unsere Zukunft vor uns liegt und wir ihr treu sein wollen, ist die Kirche immer im Aufbruch – und damit werden auch neue Erfahrungen möglich und wirklich. Die Kirche ist im Aufbruch – und wir brauchen die Augen, um diesen Aufbruch wahrzunehmen. Aber wir bleiben blind, wenn wir das, was kommt, am Vergangenen messen.
Wie sieht eine neue Kultur des Kirchenseins aus?
HENNECKE: Das ist eine komplexe Frage. Eine Kultur ist ja ein Gefüge und ein Zusammenspiel von Grundhaltungen und Grundbeziehungen. Ich glaube, dass eine Kultur des Kircheseins, die kommen wird und schon im Kommen ist, sehr stark den Blick umkehrt und nicht mehr von den Strukturen der Kirche her denkt. Die spielen zweifellos eine wichtige Rolle als ermöglichendes Skelett – und das ist nicht abwertend: Denn ohne dieses Skelett kann sich Evangelium nicht entfalten – und es braucht die Kanäle, die lebendiges Wasser auf die Felder bringen, um ein anderes Bild zu gebrauchen.
Aber das Entscheidende ist das, was dort geschieht, wo Menschen ihre Leidenschaft und Gaben geben, wo Gemeinschaft entsteht, wo Glaube lebendig wird und neue Gemeinden wachsen, oder Gemeinden belebt werden. Es geht – um kirchisch zu reden – um die Entfaltung dessen, was Taufe meint, es geht um die neuen Erfahrungen kirchlichen Lebens, es geht um Mitverantwortung und Teilhabe, Kreativität und Lust am Experiment. Und Fehlerfreundlichkeit. All dies braucht Vertrauen in Gott, und in das Wirken des Geistes in den Menschen.
Warum sind Gebet und Christusbeziehung so zentral?
HENNECKE: Wir alle wissen nicht, wie genau die Kirche werden wird. Gebet heißt für mich in dieser Situation, dass wir achtsam werden für Sein Tun, Seine Gegenwart, Seine Perspektive, Sein Drängen in unserer Zeit – Beten ist ein Sich-Hineinstellen in diese Bewegung Gottes in unserer Zeit. Und es ist eben Christus, der in unserer Mitte nicht nur die Schrift erschließt, sondern auch Beziehung stiftet, Kraft schenkt, neue Wege gehen lässt, neu in den Dienst für den Menschen hineinreißt. Ohne Gebet und Christusbeziehung wird Kirche zum Club.
Warum ist es wichtig, in der eigenen Kultur einen eigenen Weg der lokalen Kirchenentwicklung zu entdecken?
HENNECKE: Das Geheimnis der Kirchenentwicklung ereignet sich da, wo Menschen ihre Sendung leben. Deswegen sind Kulturmerkmale wohl ähnlich, aber an jedem Ort wird sich Kirche anders gestalten, weil die Menschen, ihre Not, ihre Sehnsucht, ihre Freude und Lebenslust den Weg beschreiben, wie das Evangelium sich hier zum Ausdruck bringt. Aufgrund dieser radikalen Orientierung am Nächsten, einer radikalen Adressatenorientierung wird Kirche sich je anders entwickeln. Immer das eine Evangelium in fantastisch vielfältiger Gestalt.
Wie sieht eine gabenorientierte Sendung aus?
HENNECKE: Die Erfahrungen mit den Menschen in unseren Gemeinden zeigen, dass viele sich sehr stark engagieren, und dass in vielen einzigartige Gaben stecken. Hätten wir das Vertrauen, dass all das uns gegeben ist zum Aufbau der Gemeinschaft, dann würden wir vor allem eines tun: Wir würden alles darauf setzen, dass jede und jeder seine Gabe entdeckt und entfaltet zum Nutzen aller.
Wir würden nicht mehr zuerst auf die „To-do-Listen“ schauen und dringend nach Leuten suchen, die das tun – sondern wir würden uns fragen: für diese Sendung, für diese Aufgabe – welche Menschen haben hier diese Gabe, und welche können wir in diesen Dienst „rufen“? In der Regel lieben Menschen es, mit dem ins Spiel gebracht zu werden, was sie wirklich leidenschaftlich gerne tun. Und wenn das im Kontext eines werdenden Miteinanders, im Kontext eines konkreten Dienstes geschieht, dann „geschieht“ Kirche.
zur Person
Dr. Christian Hennecke
ist Regens des Priesterseminars und Leiter des Fachbereichs Missionarische Seelsorge im Bistum Hildesheim, Deutschland.
Buchtipp: "Kirche steht Kopf. Unterwegs zur nächsten Reformation"
lautet das Semester-Thema der „Theologischen Kurse“.
Ort: Stephansplatz 3,
Wien 1.
Anmeldung, Information: 01/ 51552-3708 oder www.theologischekurse.at
11.1., 18.30-21 Uhr, Vortrag: „Seht, ich mache alles neu“ - die Dynamik revolutionärer Prozesse. Eine Reflexion anlässlich 100 Jahre Russische Revolution, mit Militär-Superior MMag. Stefan Gugerel, Institut für Religion und Frieden, Wien.
18.1., 15.30-18 Uhr, Studiennachmittag: „Das Buch Levitikus als Mitte der Tora“, mit Prof. Dr. Thomas Hieke
Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
18.1., 18.30-21 Uhr, Vortrag: „Orientierung – Desorientierung – Neuorientierung. Gebetsprozesse im Alten Testament“, mit Prof. Dr. Thomas Hieke.
20.1., 18.30-21 Uhr, Vortrag: „Kirche 2025 – nach der Strukturreform“, mit
Generalvikariatsrat Dr. Christian Hennecke, Hauptabteilung Pastoral Bistum Hildesheim.
21.1., 9-12 Uhr, Workshop: „Gemeinsame Verantwortung leben – Gemeindeleitung durch Laien“, mit Generalvikariatsrat Dr. Christian Hennecke.
25.1., 15-17.30 Uhr, Studiennachmittag: „Ökumene der Märtyrer“, mit
P. Martin Maier SJ, Jesuit European Social Centre Brüssel.
25.1., 18.30-21 Uhr, Vortrag: „Seliger Oscar Romero – Prophet einer Kirche der Armen“, mit P. Martin Maier SJ.
1.2., 18.30- 21 Uhr, Vortrag: „Das Magnificat – ein Lied vom Umsturz?“, mit
Mag. Barbara Rauchwarter, Kirchliche Pädagogische Hochschule Wien/Krems.
15.2., 18.30-21 Uhr, Vortrag: „Was ist das Neue an der neuen Einheitsübersetzung?“, mit Mag. Oliver Achilles, Theologische Kurse.
16.2., 18.30-21 Uhr, Vortrag: „Liebe das Geschöpf um des Schöpfers willen“ (Yunus Emre) – Grundzüge islamischer Mystik, mit Univ.-Prof. Dr. Abdullah Takim M.A., Universität Wien.