Tausende Kinder stranden jährlich auf Indiens Bahnhöfen
Tausende Kinder stranden jährlich auf Indiens Bahnhöfen
Alle fünf Minuten kommt in einem der rund 8.000 Bahnhöfe Indiens ein Kind an, das auf sich allein gestellt ist. Manche von ihnen fallen Menschenhändlern in die Hände, die sie als Arbeitssklaven oder Prostituierte verschachern, andere landen auf der Straße. Einige haben aber auch Glück: Sie treffen Sozialarbeiter, wie jene des Straßenkinderprogramms BOSCO in Bangalore, das von der österreichischen Hilfsorganisation Jugend Eine Welt seit Jahren unterstützt wird.
Jeden Tag greifen wir in Bangalore durchschnittlich 17 Kinder im Bahnhof auf, monatlich sind es mehr als 500“, erzählt Salesianerpater Jiji Kalavanal, Direktor des im indischen Bangalore angesiedelten Medienzentrums „Don Bosco IMAGE“. Hier wird seit Jahrzehnten die vielfarbige Welt der Salesianer Don Boscos, die in 132 Ländern vertreten sind, in professionellen Fotos, Dokumentationen, Filmen und Multimedia-Materialien dokumentiert.
„Schätzungen zufolge stranden in den großen indischen Bahnhöfen jährlich mehr als 100.000 unbegleitete Kinder“, sagt er: „Die meisten der ,Bahnhofskinder‘ laufen vor Armut und Gewalt in ihren Familien davon und hoffen auf ein besseres Leben in der Stadt. Doch leider verwandelt sich ihr Traum fast immer in einen Albtraum.“
Zahlreiche alleinstehende Kinder fallen auf die Versprechen von Menschenhändlern herein, die ihnen das Blaue vom Himmel versprechen und sie dann als billige Arbeitssklaven oder Prostituierte verschachern.
Andere landen auf der Straße, wo sie sich notdürftig mit Gelegenheitsjobs durchschlagen, betteln oder stehlen. Sie ernähren sich von erbetteltem Essen und Abfällen und sind für Infektionen, chronische Krankheiten, Verletzungen und Drogenmissbrauch sehr anfällig.
Die Straßenkinder finden kaum Zugang zu medizinischen Einrichtungen und haben kein Geld für erforderliche Behandlungen und Medikamente.
Hilfe bekommen die „Bahnhofskinder“ bei Sozialarbeitern, Mitarbeitern des Straßenkinderprogramms BOSCO etwa, das den Kindern Rat, Schutz und Hilfe in insgesamt neun Einrichtungen bietet, darunter zwei Notschlafstellen, einem Mädchen- und einem Jungenhaus. Soweit wie möglich wird auch versucht, die Kinder wieder zu ihren eigenen Familien zurückzubringen.
Einer, der das Leben als „Bahnhofskind“ aus eigener Erfahrung kennt, ist der heute 35-jährige Schauspieler Lokesh Kumar. Er war erst sieben Jahre alt, als er den Beschluss fasste, seine Familie zu verlassen und sich allein durchzuschlagen. „Die Situation bei uns zuhause war schrecklich“, erinnert er sich. Gemeinsam mit seiner Mutter musste er schon in jüngsten Jahren auf der Straße Geld verdienen, nachdem sein Vater neuerlich geheiratet hatte und die Stiefmutter nichts von dem Buben wissen wollte. Völlig allein machte sich der Kleine schließlich auf den Weg in die Millionenstadt Bangalore.
Ihr riesiger Bahnhof wurde sein neues Zuhause. Jahrelang ernährte er sich von Abfällen, bettelte, sammelte Lumpen und arbeitete als Straßenverkäufer. Schon damals wurde Lokesh von Mitarbeitern des Don Bosco Straßenkinderzentrums kontaktiert, die ihn dazu bewegen wollten, das Straßenleben aufzugeben und zur Schule zu gehen.
Das „BOSCO“-Zentrum und seine Freizeitangebote gefielen ihm gut – aber bleiben wollte er nicht. „Ich hatte mich an das Leben auf der Straße gewöhnt, ich war süchtig danach und wollte meine Freiheit nicht aufgeben“, erinnert er sich.
Doch als Lokesh schwer an Lepra erkrankte, war er endlich bereit, sein Leben zu ändern. Zwei Jahre verbrachte er in einem Lepra-Behandlungszentrum, danach folgten Aufenthalte in mehreren Don Bosco-Einrichtungen. „Ich war ein Niemand, aber die Sozialarbeiter haben sich meinen Namen sofort gemerkt und mich nie aufgegeben!“, erinnert sich Lokesh Kumar.
2002 kehrte er nach erfolgreichem Schulabschluss zu „BOSCO Bangalore“ zurück, wo er zunächst eine fünfjährige juristische Ausbildung absolvierte. Nebenbei aber nutzte er jede freie Minute, um sich privat in künstlerischen Fähigkeiten, seiner eigentlichen Leidenschaft, weiterzubilden.
Heute ist Lokesh Kumar in Indien ein gefragter Schauspieler und Comedy-Star, glücklich verheiratet und Vater einer zweijährigen Tochter. Regelmäßig arbeitet er als Trainer im Straßenkinderzentrum und steht den dort betreuten Kindern als Freund und Vorbild zur Seite.
„Der Lebensweg von Lokesh zeigt auf beeindruckende Weise, dass ein Neuanfang auch für Kinder gelingen kann, die jahrelang auf der Straße gelebt haben“, freut sich Jugend Eine Welt-Geschäftsführer Reinhard Heiserer. „Dabei ist der ganzheitliche Ansatz der Don Bosco-Pädagogik in den von uns geförderten Projekten von zentraler Bedeutung: Lokesh hat bei BOSCO nicht nur Schutz, Nahrung, Kleidung, Unterkunft und Bildung erhalten, sondern vor allem auch liebevolle Zuwendung und Förderung seiner vielfältigen Talente.“
Damit Lebenswunder wie das von Lokesh Kumar für viele weitere „Bahnhofskinder“ gelingen können, bittet Jugend Eine Welt anlässlich des „Tags der Straßenkinder“ am 31. Jänner österreichweit um finanzielle Unterstützung.
Jugend Eine Welt – Don Bosco Aktion Österreich ist eine Hilfsorganisation, die sich seit 1997 weltweit für die Verbesserung der Lebensperspektiven von Kindern und Jugendlichen am Rande der Gesellschaft einsetzt.
Unter dem Leitgedanken „Bildung überwindet Armut“ unterstützt Jugend Eine Welt Hilfsprojekte, Schulen, Straßenkinderprogramme und Bildungsprojekte in Asien, Afrika, Lateinamerika, dem Nahen Osten und Osteuropa.
IBAN: AT66 3600 0000 0002 4000,
SWIFT/BIC-Code: RZTIAT22, Stichwort „Tag der Straßenkinder“,
oder online spenden auf www.jugendeinewelt.at
Weitere Infos und pädagogische Materialien für Schulen und Jugendgruppen auf www.TagDerStrassenkinder.at
weitere Informationen zu
die Zeitung der Erzdiözese Wien
Stephansplatz 4/VI/DG
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at