Marco Blumenreich ist blind und geht trotzdem gern ins Kino. „Bilder entstehen im Kopf“, sagt er.
Marco Blumenreich ist blind und geht trotzdem gern ins Kino. „Bilder entstehen im Kopf“, sagt er.
Marco Blumenreich bewegt sich mit verblüffender Sicherheit durch die Straßen Wiens. Kaum ein Zögern, nur hier und da eine Kurskorrektur. Dabei ist er von Geburt an blind. Der SONNTAG spricht mit ihm über seinen Alltag, Schwächen der Gesellschaft, seinen Glauben – und geht mit ihm ins Kino, in einen Film über einen Blinden.
Marathon laufen, Radfahren und auf zwei Skiern einen Berg hinunter rutschen: All das hat Marco Blumenreich gemacht. Dass er blind ist, konnte ihn nicht abhalten.
Auch ins Kino geht er gern, obwohl man ihm das ausreden wollte. „Geh’ lieber etwas essen, da hast du mehr davon“, meinten seine Freunde. Er wagte es trotzdem. „Ghandi“ war der erste Film, den er „gesehen“ hat: „Das Atmosphärische war unglaublich“, erinnert er sich, „mit Übung hat sich das dann immer mehr zu Bildern verdichtet.“
Marco Blumenreich vergleicht es mit Büchern von Karl May. Der war nie in Amerika und schilderte dennoch detailreich den Wilden Westen. Wer seine Bücher liest, sehe die Bilder, die der Autor in den Geschichten gezeichnet hat. „Ein Bild entsteht im Kopf, sehen tut man im Grunde ja nur Licht.“
Marco Blumenreich hat einen Sehrest von 0,0015 Prozent. „Unter guten Bedingungen kann ich sehen, ob die Sonne scheint. Aber ob in einem Raum Licht ist, kann ich nicht erkennen.“
Trotzdem schaltet er immer das Licht ein, um sich nicht von den Sehenden zu entfremden, wie er sagt: „Es ist mein Wunsch, den anderen zu begegnen und den sehenden Menschen entgegenzukommen, indem ich ihr Verhalten annehme.“
Zu sehen hat sich Marco Blumenreich nie gewünscht. Ein großer Wunsch hingegen war und ist es, von seinen Mitmenschen nicht getrennt zu sein. „Oft haben Leute, die sehen, mir gegenüber das Wort ,du‘ gebraucht und für sich selbst ,wir‘ beansprucht. Sie haben gesagt: ,Du lebst in einer anderen Welt, wir müssen deine Welt verstehen.‘ Ich hab’ mir gedacht: Wir essen aus den selben Tellern und trinken aus den selben Gläsern.“
Es habe Spuren – Verletzungen – hinterlassen, immer zu hören, „du bist anders“. Warum trennt der Mensch permanent – in reich und arm, schön und hässlich, intelligent und nicht intelligent, in Behinderte und Nichtbehinderte, in Flüchtlinge und Einheimische –, wenn wir doch eigentlich zusammengehören?, fragte sich Marco Blumenreich.
Auf der Suche nach Antworten studierte der ausgebildete Masseur Psychologie und absolvierte in Deutschland eine Psychotherapieausbildung.
„Ich glaube, unsere Gesellschaft hat eine große Schwäche mit Schwäche“, meint er heute, „das ist ein Grundproblem, man sieht es überall dort, wo es Randgruppen – aktiv an den Rand gedrängte Gruppen – gibt.“
„Manchmal bekommt man den Eindruck, wenn jemand eine Behinderung hat, dann macht man es ihm noch schwerer“, so Marco Blumenreich. Es sei wichtig, miteinander feinfühlig zu sein. Das komme im Film „Mein Blind Date mit dem Leben“ zu dem der SONNTAG ihn geladen hat, deutlich heraus.
„Ich finde, das ist ein sehr guter Film, der einige Problematiken aufzeigt.“ Wer sich den Film anschaut, möge bedenken, dass jeder blinde Mensch einzigartig in seinen Begabungen sei und jeder anders „funktioniere“.
Eine Begabung und seine Berufung sieht Marco Blumenreich darin, Menschen zu begleiten. „Das mache ich deswegen so gerne, weil ich weiß, wie man Schwierigkeiten bewältigen kann, denn ich durfte schon einiges bewältigen. Es ist wahnsinnig schön, das anderen Menschen weiterzugeben.“
Die Mitmenschen sind letztlich der Weg zu Gott, meint Marco Blumenreich. Wie Beziehungen zwischen Menschen, verlaufe auch die Beziehung zu Gott nicht linear. „Das Schöne ist, im Glauben diese Beziehung zu vertiefen. Das hilft durchaus im Leben.“
Mit feinem Humor und großer Achtsamkeit erzählt „Mein Blind Date mit dem Leben“ die Geschichte des Deutschen Saliya Kahawatte, der als Jugendlicher plötzlich fast sein gesamtes Sehvermögen verliert. Er absolviert das Abitur und mit enormem Fleiß die harte Ausbildung zum Hotelfachmann. Seine Behinderung verheimlicht er zunächst.
Filmstart: 27. Jänner
Trailer
Mit feinem Humor und großer Achtsamkeit erzählt „Mein Blind Date mit dem Leben“ die Geschichte des Deutschen Saliya Kahawatte, der als Jugendlicher plötzlich fast sein gesamtes Sehvermögen verliert. Er absolviert das Abitur und mit enormem Fleiß die harte Ausbildung zum Hotelfachmann. Seine Behinderung verheimlicht er zunächst.
Filmstart: 27. Jänner
Mehr über Marco Blumenreich hören Sie in den Passionswegen auf radio klassik
Stephansdom.
8. April, 19 bis 20 Uhr,
Wiederholung am 12. April, 19 bis 20 Uhr.