Die drei Schönborn-Brüder: Christoph, der Erzbischof von Wien, Philipp, der Fotograf und Michael, der Schauspieler. Im Hintergrund Philipps Werk „Hände“, zu sehen im Bassano-Saal des KHM.
Die drei Schönborn-Brüder: Christoph, der Erzbischof von Wien, Philipp, der Fotograf und Michael, der Schauspieler. Im Hintergrund Philipps Werk „Hände“, zu sehen im Bassano-Saal des KHM.
Philipp Schönborn ist der Bruder unseres Kardinals. Er ist Künstler, und machte eine lange Reise zum Glauben. Über eine indische Meisterin fand er wieder in den Hafen der Kirche. Seine „Sammlung“ ist derzeit im Wiener Kunsthistorischen Museum zu sehen.
Der Christoph und ich waren total verschieden“, sagt Philipp Schönborn. „Er hatte immer Einser im Zeugnis und war pflichtbewusst, ich das genaue Gegenteil.“ Der eine wird Priester, der andere lernt in der Bundesgewerbeschule. Philipp ist ein Revoluzzer. Zum Glauben fand er über eine indische Meisterin. „Anpassen ist nicht“, unterstreicht Philipp, der es auch nicht lange in einer beruflichen Anstellung aushielt. Vielmehr geht es ihm um seine künstlerische Freiheit als Fotograf.
Wenige zeitgenössische Künstler haben die Chance, im Wiener Kunsthistorischen Museum ihre Werke auszustellen. Er bekam sie. Im Bassano-Saal ist die „Sammlung“ zu sehen. Sechzehn großformatige Tableaus.
Kardinal Christoph Schönborn ist fasziniert vom künstlerischen Ausdruck seines Bruders Philipp: „Er ist ein ganz konsequenter Arbeiter, er geht seinen Themen über Jahre nach, hat eine unglaubliche Erfahrung angesammelt, ein enormes Wissen. Ich bewundere seinen Blick, die Fähigkeit, Themen zu erfassen, festzuhalten. Und er ist ein Meister der Komposition geworden. Dinge zusammen zu bringen und damit ins Gespräch zu bringen, die man normalerweise gar nicht so genau ansieht. Dem SONNTAG gibt Philipp Schönborn Einblick in sein Denken, Wirken und Leben.
Sie sind bald ins Internat gekommen. Waren Sie ein Lausbub?
Philipp Schönborn: Ich war nicht speziell schlimm. Ich war ein zarter Bub, aber ich konnte es nicht vertragen, wenn man mir etwas anschafft. Die Eltern haben mich aus Verzweiflung mit zehn Jahren ins Internat gegeben, weil sie mit mir einfach nicht mehr zu Recht gekommen sind. In den Ferien habe ich dann in der Autowerkstatt in Schruns Taschengeld verdient. Ich war Autowäscher und Schmiermaxe. Da lernt man das Fluchen und Schimpfen. Aber im Wesen bin ich ein „Zartie“, ein Empfindlicher. Aber ich kann beides. Wenn mich etwas stört, kann ich wunderbare Wutanfälle kriegen und beim Fenster rausbrüllen.
Wann haben Sie Ihre berufliche Freiheit entdeckt?
Ich habe Maschinenbau auf der Bundesgewerbeschule studiert, war dann fünf Jahre lang in der Autoindustrie im technischen Außendienst. Aber mir hat das Angestellt sein gereicht. Dass habe ich im Alter von 20 Jahren bemerkt.
Wie sind Sie zur Fotografie gekommen?
Als ich bei Mercedes zu arbeiten aufgehört habe, ohne zu kündigen, bin ich nach München übersiedelt. Ich hatte dort eine Freundin, die auch meine Frau wurde, allerdings haben wir uns vor 26 Jahren getrennt. In München habe ich ein Jahr überlegt, was ich tun könnte. Dann über Nacht kam ich auf die Idee, Fotograf zu werden. Das war wie so eine Art Eingebung.
Hat das funktioniert?
Ich habe Fotografie als Assistent bei einem Fotografen gelernt und im Selbststudium. Es ist zunächst einmal ein sehr technischer Beruf. Das liegt mir, das kann ich. Ich habe dann Auftragsarbeit gemacht. Nach zwei Jahren kam die Selbständigkeit. Dann habe ich fünf Jahre hauptsächlich Architektur fotografiert, aber es hat mich nicht passioniert. Dann habe ich Gärten fotografiert. Das war schon besser, weil man draußen war. Das liegt mir sehr. Später habe ich dann Aufträge von Galeristen bekommen und bemerkt: Das ist das richtige Umfeld für mich.
Wie machen Sie ein Ausstellungsbild?
Wenn ich eine Skulptur oder ein Bild fotografiere, dann möchte ich das Umfeld zeigen und das Bild muss in der Mitte sitzen.
Was macht den Unterschied beim Fotografieren im Museum und in der Natur aus?
Mich interessiert das Geistige in der Kunst und in der Natur. Das Geistige kann im Sinne von philosophischen oder gedanklichen Konzepten sein, aber eben auch das religiös-spirituelle.
Warum präsentieren Ihre Fotos in Leuchtkästen und Aluminiumrahmen?
Die Aluminiumrahmen mache ich mir selber, ich bin ja gelernter Schlosser. Die Leuchtkästen gibt es fertig, die werden dann verschraubt und verkabelt.
Sie haben eine lange Wegstrecke zum Glauben hinter sich. Warum ist das so?
Im Gegensatz zu meinem Bruder Christoph war ich immer ungläubig. Seit meinem 15. Lebensjahr bin ich nicht mehr in eine Kirche gegangen. Ich war nie dagegen, aber entfernt von Religion. Ich war 30 Jahre in keiner Kirche. Dann gab es ein religiöses Erweckungserlebnis über die indische Meisterin Mutter Meera. Durch sie habe ich über das Meditieren wieder zu Gott gefunden. Dann bin ich auch wieder in die Kirche gegangen. Mittlerweile gehe ich jeden Tag in die Heilige Messe und bin ein braver Katholik. Allerdings mit meinem üblichen Vorbehalt, dass ich ein Freigeist bin.
Welcher Heilige fasziniert Sie?
Da ist der Heilige Josef für mich eine zentrale Figur. Ich bin ja sehr handwerklich geprägt und immer in Geldnöten, da ist der Josef gut. Ich bete aber auch zu Jesus. Aber der Josef bekommt von mir täglich eine Kerze oder mehrere, je nach Bedarf. Einen abstrakten Josef habe ich auch immer bei mir im Geldtascherl. Und ich habe auch viele Mariendarstellungen fotografiert.
Hat auch Christus bei Ihnen künstlerischen Ausdruck erhalten?
In der Serie „Punkt Omega“. Ich habe Christusköpfe aus allen Jahrhunderten fotografiert und ihnen einen Punkt auf die Stirn gesetzt. Das liegt bei Teilhard de Chardin begründet. Für ihn ist der „Punkt Omega“, der End- und Zielpunkt in der theologischen und philosophischen Betrachtung der Evolution.
Wie zeigt sich Ihr Glaube in der Kunst?
Der überwiegende Teil meiner Arbeit ist religiös. Wenn ich in der Natur unterwegs bin, kann es sein, dass dann in der künstlerischen Ausdrucksweise eine Kreuzform entsteht. Eine Arbeit habe ich in den verschneiten oberbayerischen Bergen gemacht, die heißt Gipfelkreuz. Das ist ein Leuchtkasten mit Fotos aus einer Steilwand mit Lawinen und Schnee.
Welche Prozesse beschreiben Ihre Arbeit?
Das Fotografieren ist der „heilige Moment“. Das muss der Moment der Inspiration sein. Mit der Aufnahme komme ich dann nach Hause. Die Aufnahmen haben immer etwas filmisches, weil das zeitliche Moment reinkommt. Wenn ich zwei Stunden durch ein Museum gehe und fotografiere, sieht man, wo ich angefangen und wo ich aufgehört habe.
Was möchten Sie mit den Fotografien im KHM beim Betrachter erreichen?
Der Eine soll sagen super, der Andere soll sich vertiefen. Natürlich darf das auch provozieren. Es provoziert vielleicht, weil es die Sehgewohnheit oder die Kunstgewohnheit von normalen Kunstbetrachtern doch etwas irritiert, weil es ungesehen ist.
Philipp Schönborn wurde 1943 in Prag geboren, wuchs in Österreich auf und lebt seit 1968 in München.
Seit mehr als vierzig Jahren arbeitet er als Fotograf, zuerst für Architektur und Gartenarchitektur. Später spezialisierte er sich auf Museen und Kunst-Kataloge.
Die Austellung „Philipp Schönborn. Sammlung“ im Bassano-Saal des Kunsthistorischen Museums Wien ist bis 3. September 2017 zu sehen.
Kunsthistorisches Museum Wien:
die Zeitung der Erzdiözese Wien
Stephansplatz 4/VI/DG
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at