Begegnung von Franziskus mit Vertretern von Völkern des Amazonasgebietes .
Begegnung von Franziskus mit Vertretern von Völkern des Amazonasgebietes .
Völker Amazoniens wahrscheinlich "nie derart bedroht, wie sie es heute sind".
Bei seiner Begegnung mit Vertretern von Völkern des Amazonasgebietes hat Papst Franziskus die zunehmende Ausbeutung der Region angeprangert. Die Völker Amazoniens seien wahrscheinlich "nie derart bedroht, wie sie es heute sind", sagte er am Freitag, 19. Jänner 2018 vor rund 4000 Vertretern von über 20 Völkern und Volksgruppen im Stadion des "Coliseo Madre di Dios" in Puerto Maldonado. Die südperuanische Stadt im Regenwald war die erste große Station seiner Peru-Reise, die mit der Landung in der Hauptstadt Lima am Donnerstagabend begann.
In seiner 25-minütigen Rede, die mit einer La-Ola-Welle begrüßt und mehrfach von Applaus unterbrochen wurde, warb Franziskus für einen menschenwürdigen Weg zwischen rücksichtsloser Ausbeutung von Bodenschätzen und einem überzogenen Umweltschutz, der die Lebensräume der Amazonasvölker zu einer Art Naturmuseum mache, in dem die Menschen nicht mehr leben dürften.
Dafür aber dürften die Völker der Region nicht mehr als Minderheit oder Störenfriede marginalisiert werden. Vielmehr sollten Politik und Wirtschaft die Menschen als ebenbürtige Dialogpartner ernst nehmen, sagte der Papst auch in Anwesenheit von Perus Präsident Pedro Kuczynski.
Dies brauche institutionelle Rahmenbedingungen. Dazu gehörten etwa Schulen und andere Bildungseinrichtungen, in denen die Jugend der Amazonasvölker einerseits lernen, modernen Herausforderungen gerecht zu werden, andererseits aber ihre angestammte Sprache und Kultur vermittelt bekommen. Die katholische Kirche in der Region habe dazu bereits gute Modelle entwickelt.
"Es ist gut, dass ihr selbst diejenigen seid, die sich selbst beschreiben und uns ihre Identität zeigen", so der Papst. Gleichzeitig bat er die Menschen des Amazonasgebiets ihrem katholischen Glauben treuzubleiben. Denn jede Kultur, die das Evangelium empfange, bereichere die Kirche "mit einer neuen Facette des Antlitzes Christi". Die Kirche stehe an ihrer Seite, um das Leben, die Erde und die unterschiedlichen Kulturen zu verteidigen. Dafür habe er die Amazonas-Synode für 2019 nach Rom einberufen.
Zu Beginn des Treffens hatten mehrere indigene Redner die problematische Lage ihrer Völker und Dörfer geschildert. Zudem überreichten sie dem Papst Übersetzungen seiner Enzyklika "Laudato si" von 2015 in ihren Sprachen.
Bei seinem Besuch in der Amazonasregion hat Papst Franziskus Gewalt gegen Frauen und eine verbreitete Macho-Kultur verurteilt. "Es ist uns nicht erlaubt, wegzuschauen und zuzulassen, dass auf der Würde so vieler Frauen, besonders der jüngeren, 'herumgetrampelt' wird", sagte Franziskus am Freitagmittag (Ortszeit) vor Bewohnern der peruanischen Stadt Puerto Maldonado.
Zugleich verdammte der Papst die "Sklaverei", die in der Region um sich greife. Viele Menschen auf der Suche nach Obdach, Land und Arbeit seien in die Region Madre di Dios ausgewandert. Viele hätten auf das "verheißungsvolle Funkeln des Goldschürfens gesetzt"; doch das sei zu einem Götzen geworden, der Menschenopfer fordere.
Eine Frau und ein Mann hatten dem Papst zuvor gedankt, dass der Papst sie in diesem angeblichen "Niemandsland" besuche. "Ihr seid kein Niemandsland!", sagte Franziskus unter dem Jubel der Menge. "Das Land hat einen Namen, es hat Gesichter: Es hat euch."
Erneut prangerte der Papst eine verbreitete "Wegwerfkultur" an. Nicht nur Bäche, Flüsse und Wälder würden ausgenutzt bis zum Letzten und dann als unbrauchbar zurückgelassen, sondern auch Menschen. Die falschen Götter von "Gier, Geld und Macht verderben alles", warnte Franziskus.
Die jungen Menschen indigener Amazonasvölker forderte der Papst anschließend in einem Kinderheim von Puerto Maldonaldo auf, sich zu qualifizieren und die Gesellschaft entscheidend mitzugestalten. "Findet euch nicht damit ab, das Schlusslicht der Gesellschaft zu sein. Wir brauchen euch als Motor!", sagte er am Freitagmittag (Ortszeit) vor einigen hundert Kindern, Jugendlichen und deren Betreuern der Einrichtung.
Die jungen Menschen sollten einerseits auf die Weisheit ihrer Großeltern hören, ihre Tradition wahren und andererseits gleichzeitig studieren, sich weiterbilden. Damit wiederholte Franziskus einen Appell aus seiner Rede vor den Amazonasvölkern am Vormittag. "Wir brauchen euch als authentische junge Menschen, die stolz darauf sind, zu den Amazonasvölkern zu gehören", sagte der Papst gegen das oft verbreitete Minderwertigkeitsgefühl indigener Jugendlicher.
Die westlichen Gesellschaften benötigten "oftmals eine Kurskorrektur - und ihr, die jungen Menschen der angestammten Völker, könnt dabei sehr viel helfen", bat Franziskus. So könnten sie einen Lebensstil lehren, "der auf der Pflege und nicht der Zerstörung all dessen gründet, was sich unserer Habgier widersetzt".
Nach dem Mittagessen in einem Sozialzentrum fliegt Franziskus in die Haupstadt Lima zurück. Dort trifft am Nachmittag (Ortszeit) im Präsidentenpalast mit Vertretern von Politik, Diplomatie und Zivilgesellschaft zusammen. Der Besuch in Peru dauert noch bis Sonntag.
Die Ankunft des Papstes in Peru bestimmte am Freitagmorgen die Berichterstattung in den großen lateinamerikanischen Zeitungen. In Argentinien, dem Heimatland des Papstes, zogen die Zeitungen derweil ein negatives Fazit des Chile-Besuchs: "Der Papst beendet in Chile die schlechteste Reise seines fünfjährigen Pontifikats", kommentiert "Clarin" auf der Titelseite.
Ein Luftbild des Areals des Gottesdienstes am Schlusstag trägt die Bildunterschrift "Entvölkert." Der vorgesehene Platz war viel zu groß für die verhältnismäßig kleine Besuchermenge. Auch "La Nacion" greift das Thema auf Seite eins auf: "Ein trüber Abschied für den Papst", kommentiert die Zeitung und zeigt ebenfalls ein Bild mit nur wenigen Gottesdienstbesuchern.
Der Besuch in Peru dauert noch bis Sonntag; dann reist Franziskus nach Rom zurück. Am heutigen Nachmittag (Ortszeit) steht noch die offizielle Begrüßung des Papstes in Lima durch Staatspräsident Kuczynski auf dem Programm. Zuvor hält Franziskus eine Rede vor Vertretern aus Politik und Gesellschaft.