Wilhelm Krautwaschl hat keine Berührungsängste mit den Neuen Medien und kommuniziert damit mit den Menschen in der Diözese.
Wilhelm Krautwaschl hat keine Berührungsängste mit den Neuen Medien und kommuniziert damit mit den Menschen in der Diözese.
Der neue steirische Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl, der am Sonntag, 14. Juni im Grazer Dom geweiht wird über die Fokolarbewegung, das Engagement für Flüchtlinge, die Begeisterung für Neue Medien und darüber, dass ein junges Ehepaar bei ihm einziehen wird. Ein Interview im "Sonntag"
DER SONNTAG: Herr Bischof, Sie gelten als humorvoll. Wie gelingt es Ihnen, gut aufgelegt zu sein?
Wilhelm Krautwaschl: Das ist mir in die Natur hineingegeben. Wenn ich Ostern hernehme, dann kann ich sagen: Ich lebe jenseits des Karfreitags.
Das sind die Erfahrungen von zu Hause. Mein Vater war Bestatter, meine Schwester hatte über zehn Jahre Leukämie. Das sind Erfahrungen, die einfach nicht wegzublenden sind.
Daher ist bei vielem, was scheinbar locker bei mir herüberkommt, irgendwo eine Erfahrung auch des Gegenteils, wo ich sagen kann: In diesen oder jenen Situationen hat mich Gott auch durch dieses Kreuz hindurch geführt.
Ihr bischöflicher Wahlspruch lautet: „Deus Caritas est“ (Gott ist die Liebe). Was steckt dahinter?
Wilhelm Krautwaschl: Ich lebe aus der Fokolarbewegung und deren Geist. Dort ist einer der Grundsätze im Bereich der Spiritualität „Gott ist die Liebe“. Ich habe mir gedacht, ich frage einfach Leute, was für mich als Wahlspruch passen würde. Eine dieser Personen wurde Präsidentin der Fokolarbewegung. Das passt. Leute sagen mir: Bei mir wird das ein Stück weit sichtbar, spürbar, angreifbar, was das heißen könnte.
Wie sind Sie in die Fokolarbewegung hineingewachsen?
Wilhelm Krautwaschl: Als ich 14 Jahre alt war, kam ein Priester aus Italien, der hier einen Unfall hatte, nach Gleisdorf. Zu ihm hatte ich von Anfang an eine gute Beziehung. Er lud mich in eine Runde mit älteren Herren und Damen ein. Dort haben wir zweimal im Monat Worte aus der Bibel gelesen. Und beim darauffolgenden Treffen haben wir uns darüber ausgetauscht, wie es uns damit gegangen ist.
Jahre später im Priesterseminar, trat ein Seminarist ein, der diese Praxis wiederbelebt hat. Über diese Schiene habe ich entdeckt, was dahinter steckt, die Fokolarbewegung.
Ende der 1980er Jahre gab es in Rom ein internationales Seminaristentreffen, an dem aus Österreich rund 40 Seminaristen teilnahmen. Dieses veranstaltete die Fokolarbewegung, seitdem kenne ich das intensiver. Das möchte ich nicht missen. Denn was in der Bewegung an offenem Dialog gelebt wird, das kann sich sehen lassen.
Sie zeigen keine Berührungsängste gegenüber Neuen Medien. Woher kommt das?
Wilhelm Krautwaschl: Wenn man mit jungen Menschen zu tun hat, dann muss man das machen. Nicht um bei ihnen besser dazustehen, sondern um sich in Manches ihrer Lebenswelt hineinzubegeben.
Damit sie sehen: Der interessiert sich tatsächlich, und das ist nicht vorgegaukelt. Das heißt nicht, dass jeder Priester auf Facebook sein muss.
Sondern wahrnehmen heißt ernst nehmen, wie lebst du?, bitte hilf mir dabei, dass ich dich kennen lerne. Und vieles läuft über die Neuen Medien – und dann habe ich es mir angewöhnt.
Ein Thema, das die Bevölkerung gegenwärtig sehr beschäftigt: die globalen Flüchtlingsströme, die Tragödien im Mittelmeer, der Exodus der Christen aus dem Nahen Osten. Wie sollte ein Christ damit umgehen?
Wilhelm Krautwaschl: Von der Nächstenliebe ist niemand auszuschließen. Wenn ich das Evangelium richtig verstehe, dann muss ich das so nehmen.
Dass heißt nicht „Seid umschlungen Millionen“, das geht gar nicht. Aber dort, wo ich bin, das Nötige zu tun und niemanden auszuschließen. Das müssen ja gar nicht Leute sein, die von irgendwoher kommen. Sondern das passiert auch in der nächsten Umgebung, die unmittelbar nächsten, denen es zu helfen gilt.
Ich glaube, wir tun sehr viel, aber es wird immer zu wenig sein. Solange es Menschen gibt, gibt es auch die negativen Seiten.
Daher wird es ein Dauerauftrag bleiben, die Nächstenliebe so zu leben, wie es Jesus gesagt hat.
Was macht einen guten Christen aus?
Wilhelm Krautwaschl: Mir fällt sofort die Schlussprüfung ein, die ein jeder am Lebensende bzw. am Ende der Welt abzulegen hat: Matthäus 25, die Gerichtsrede. Da steht alles drinnen. Das ist schon ein gewisser Beichtspiegel, auch für mich. Habe ich wirklich Gefangene, Kranke besucht, Nackte bekleidet, oder gibt es Personen, die ich außen vor gelassen habe?
Damit mir das bewusst bleibt, brauche ich den Sonntag, die Botschaft des Evangeliums, die Nahrung mit Jesus in der Eucharistie, denn sonst würde ich vielleicht abdriften. Weil ich mir vielleicht sonst selbst der Nächste bin. Und so sagt mir der Herr jeden Tag, wo es lang geht.
Sie haben angekündigt, im Grazer Bischofshof eine Wohngemeinschaft einzurichten. Wie weit ist das Vorhaben gediehen?
Wilhelm Krautwaschl: Derzeit sieht es so aus, dass ein am 1. August heiratendes Ehepaar bei mir einziehen wird. Eine Möglichkeit ist, ihnen die leer stehende Wohnung des Weihbischofs zu geben. Ich finde es spannend, dass sich junge Leute auf so ein Experiment einlassen.
Wenn Sie dann doch einen Weihbischof benötigen, wo wohnt der dann?
Wilhelm Krautwaschl: Da werden wir sicher für ihn eine Stätte zum Liegen finden, obwohl Jesus gesagt hat: „Die Füchse haben keine Höhlen.“
Können Sie sich auch vorstellen, das Bischofshaus für Flüchtlinge zu öffnen?
Wilhelm Krautwaschl: Auch das wird selbstverständlich überlegt.
Pfarrer, Dechant, Regens Wilhelm Krautwaschl wurde am 5. März 1963 in Gleisdorf geboren.
Nach der Matura im Gymnasium Gleisdorf begann er das Theologiestudium in Graz und trat ins Priesterseminar der Diözese ein.
Nach seiner Priesterweihe 1990 in Graz war er zunächst Kaplan in Hartberg, anschließend im Pfarrverband Knittelfeld, später in Bruck.
2006 holte ihn Bischof Egon Kapellari als Regens in das Bischöfliche Seminar, wofür Krautwaschl verantwortlich zeichnete. Seit 2006 ist Wilhelm Krautwaschl auch Beauftragter zur Förderung geistlicher Berufe und begleitet junge Priester.
Das neue Oberhaupt der Katholischen Kirche Steiermark wird ca. 850.000 Katholikinnen und Katholiken zum 800-jährigen Diözesanjubiläum im Jahr 2018 führen. 1218 wurde die Diözese von Erzbischof Eberhard II. von Salzburg aus gegründet.
Die Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag"