"Demokratie ist ein zerbrechliches Gut und muss täglich neu erarbeitet werden": Darauf wies der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) im Rahmen eines Polit-Forums der "Akademie für Dialog und Evangelisation" hin.
"Demokratie ist ein zerbrechliches Gut und muss täglich neu erarbeitet werden": Darauf wies der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) im Rahmen eines Polit-Forums der "Akademie für Dialog und Evangelisation" hin.
Ludwig würdigt Projekt "Campus der Religionen" in Wiener Seestadt.
"Demokratie ist ein zerbrechliches Gut und muss täglich neu erarbeitet werden": Darauf wies der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) im Rahmen eines Polit-Forums der "Akademie für Dialog und Evangelisation" hin. Jede Polarisierung bedrohe den Frieden in einem Land; es gelte die prägenden Erfahrung während der Ersten Republik und des Nazi-Regimes zu bewahren, die zu einem sehr guten humanistischen Klima in Österreich sowie zu Frieden und weitgehend sozialer Gerechtigkeit geführt hätten, sagte Ludwig.
Der Bürgermeister appellierte an die am Dienstagabend, 7. Mai 2019 im Figlhaus ebenfalls anwesenden jungen Parteivertreter, die Möglichkeit zu nutzen, über Parteigrenzen hinweg zu diskutieren. Die Initiative "Politisch.Neu.Denken" der kirchlichen Akademie biete dazu "eine hervorragende Möglichkeit".
Der Abend im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Politisch.Neu.Denken" war dem aktuellen Thema "Angst nehmen, nicht Angst machen!" gewidmet. Ludwig meinte dazu, alle politischen Verantwortungsträger müssten sich ihrer gemeinsamen Verantwortung für ein gedeihliches Miteinander bewusst sein "und nicht nur vordergründig politisches Kleingeld sehen".
Obwohl die allermeisten politischen Beschlüsse einstimmig fielen, seien emotionalisierende Konflikthemen oft Teil der Strategie politischer Parteien und auch von Medien, um Aufmerksamkeit zu erregen und sich zu profilieren. Gerade alles, was mit Angst verbunden sei, wird nach Ludwigs Erfahrung stärker beachtet als rationale Diskurse.
Der Wiener Bürgermeister bezeichnete Qualitäten wie "Anstand", "Empathie" und "Mitgefühl" als enorm wichtig für politisch engagierte Menschen, "Wer Aversionen gegen gewisse Menschen hat, sollte man besser nicht in die Politik gehen", so Ludwig.
Auch in Wien gebe es Differenzen: "Man darf diese Unterschiede weder befeuern noch kleinreden." Ludwig bekannte sich zur Integration als "alternativloses" Unterfangen, um Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturen zusammenbringen. Er sieht die Chance, gemeinsam von Differenz zu profitieren und berief sich dabei auf Papst Franziskus.
Im Bereich der Religionen gebe es in Wien positive Erfahrungen. Der Bürgermeister berichtete vom europäisch einzigartigen Projekt "Campus der Religionen" in der Seestadt Aspern, in das zehn Religionsgemeinschaften eingebunden sind. Anfängliches Misstrauen und "Fremdeln" der Beteiligten sei mittlerweile verschwunden, "daraus ist eine echte Freundesrunde geworden", freute sich Ludwig. Auch wenn in Teilen der Welt Religionen als Begründung für Kriege instrumentalisiert würden, solle in Wien gezeigt werden, "dass es auch anders möglich ist".
Die Initiative "Politisch.Neu.Denken" besteht aus jungen Vertretern aller politischen Parteien Österreichs und aus politisch engagierten NGO-Mitgliedern. Dabei geht es neben verbalem Brückenbau auch um konkretes Engagement: Im durch ein grausames Kriegsverbrechen im Bosnienkrieg bekannt gewordenen Srebrenica waren zwei Gruppen der Akademie für Dialog und Evangelisation am Solidaritäts-Projekt "Bauern helfen Bauern" beteiligt und bauten für Kriegsopfer mit Hilfe von Professionisten vor Ort Wohnhäuser.
Zwei weltanschaulich durchaus gegensätzliche Mitglieder von "Politisch.Neu.Denken" meldeten sich im Figlhaus zu Wort: "Wir können auf den ersten Blick unüberwindbare Gräben überwinden", sagte FPÖ-Vertreter Stephan Polleres. Er bekannte sich zu Offenheit gegenüber Andersdenkenden - "mit plumper Hetze funktioniert es nicht". Und Mechthild Geyer, ehemaliges "Linke"-Mitglied in Deutschland, merkte an: "Hinter all dem politischen, vielleicht aufgeblasenen Getue stehen Menschen, die sehr schätzenswert sind."
Weitere Mitdiskutierende am Dienstagabend im Figlhaus waren der steirische ÖVP-Nationalratsabgeordnete Ernst Gödl, die grüne Bundesrätin Ewa Dziedzic, Parlaments-Klubdirektorin Barbara Beclin von der "Liste Jetzt!" und der Wiener Landtagsabgeordneter Stefan Gara von NEOS. Doraja Eberle, ehemalige Salzburger ÖVP-Landesrätin und Initiatorin von "Bauern helfen Bauern" empfahl jedem Politiker eine "Srebrenica-Erfahrung" - nämlich "den anderen im Anderssein annehmen und achten". Wenn sie sich allerdings die jetzige Politik ansehe, "dann graust mir vor dem Umgang", zeigte sich Eberle wenig optimistisch.