Stille in Wien: Der Bereich ist vom übrigen Kardinal König Haus abgeschirmt. In diesen Räumen wird geschwiegen. Helle Weiß- und Brauntöne und viel Licht vermitteln ein Gefühl der Wärme, der Ruhe.
Stille in Wien: Der Bereich ist vom übrigen Kardinal König Haus abgeschirmt. In diesen Räumen wird geschwiegen. Helle Weiß- und Brauntöne und viel Licht vermitteln ein Gefühl der Wärme, der Ruhe.
Seit 10 Jahren bieten die Jesuiten mit „Stille in Wien“ eine niederschwellige Oase im Lärm der Millionenstadt an. Sie ist ein Ort des Rückzugs, der Neuausrichtung, des Hörens auf die innere Stimme, auf Gott. Anfang Oktober habe ich 48 Stunden „Stille in Wien“ im Kardinal König Haus erlebt.
Eigentlich wollte ich mich nur für ein paar Tage ins Wiener Kardinal König Haus in die „Stille in Wien“ zurückziehen. Daraus wurden 48 Stunden des Nachdenkens, des Meditierens und der inneren Sammlung.
Um 15 Uhr treffe ich im Kardinal König Haus ein. Ich bekomme den Schlüssel für das schöne Zimmer, parkseitig gelegen. Um 17.30 Uhr erhalte ich von Pater Josef Maureder SJ die notwendigen Informationen für die kommenden 48 Stunden.
Besonders für die drei „fixen“ täglichen Zeiten – Messfeier um 7.15 Uhr in der Kapelle, das Gespräch mit Pater Maureder und das Mittagessen um 12 Uhr.
Alle anderen „Termine“ wie Frühstück oder Abendessen darf ich individuell wählen. Mein „Dienst“ besteht dann darin, am dritten Tag das Essen aus der Bildungshaus-Küche zu holen und hernach wieder das Geschirr zurückzubringen. Beim schweigsamen Abendessen treffe ich auf ein Ehepaar und eine Ordensfrau. Auch sie machen „Stille in Wien“. Die Stille im Meditationsraum ist angenehm, ich blicke auf die kleine Ikone und schlafe fast ein im Sitzen.
Auf dem Zimmer packt mich dann Unruhe, denn die Stille ist für Ungeübte gar nicht so leicht auszuhalten. Ich bete die Vesper, das Abendgebet der Kirche, und lese ein paar Gedichte von Hilde Domin. Und ein paar Seiten in einem Buch über den heiligen Hieronymus, zur Ablenkung.
Als notorischer Frühaufsteher werde ich vom Handy-Wecker um 5 Uhr geweckt. Der Weg führt mich in die Küche, wo ich einen starken Kaffee koche und vor die Tür des Kardinal König Hauses gehe, um meine Morgen-Zigarette zu rauchen.
Dann bete ich auf dem Zimmer – wie täglich gewohnt – die Laudes, das Morgengebet der Kirche, und lese im Alten und Neuen Testament in der Bibel. Beim Gang in die Kapelle zur Morgen-Messe blicke ich aus dem Fenster auf den Künigl-Berg mit dem ORF-Zentrum. Irgendwie sind das zwei Welten – visuelle und akustische Dauerberieselung dort und die Stille hier bei den Jesuiten.
Beim Gespräch mit Pater Maureder betont er, dass ich „Entwicklung und Veränderung zulassen“ und „offen bleiben“ soll „für Neues, für Gottes Wirken in der Welt“. Er empfiehlt mir das Buch „Füttere den weißen Wolf“ von Ronald Schweppe und Aljoscha Long – Weisheitsgeschichten, die glücklich machen. Der schwarze Wolf steht für all das Negative, der weiße Wolf für das Positive. Es geht darum, öfters den weißen Wolf zu „füttern“.
Im herbstlich verfärbten Park bete ich den Rosenkranz. Schweigend nehme ich dann das Mittag- und Abendessen ein. Ich sitze im Meditationsraum, betrachte dann die Ikone „Christus, unser Erlöser“ am Gang, und spüre eine leise, wachsende Unruhe.
Die ungewohnte Stille, sie beginnt jetzt fast zu schreien. Still werden und still sein ist gar nicht so leicht. Ich lese im Hieronymus-Buch, bete die Vesper.
Wieder um 5 Uhr aufgestanden: Kaffee, Morgen-Zigarette, Laudes und Bibel-Betrachten, ein echtes Ritual. Bei der Morgenmesse trifft mich ein Wort aus dem Buch Nehemia (Kapitel 8, Vers 10): „Macht euch keine Sorgen, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.“
Beim Gespräch erinnert mich Pater Maureder an drei „E“: „Entschleunigen“, also das (Lebens-)Tempo rausnehmen, „Entrümpeln“, also Ordnung schaffen und „Entlasten“, also Verantwortung abgeben. Ich bete meinen Rosenkranz in der Kapelle und gehe wieder in den Meditationsraum. Hier ist es noch stiller als im übrigen „Stille in Wien“-Bereich. Heute habe ich „Dienst“, ich hole das Mittagessen aus der Küche und bringe das leere Geschirr wieder zurück.
Gegen 15 Uhr gebe ich den Schlüssel ab und finde mich im (Verkehrs-)Lärm der Straßen vor dem Bildungshaus wieder. Die Stille, jetzt vermisse ich sie schon.
10 Jahre „Stille in Wien“
am 9. 11. im Kardinal König Haus (1130 Wien):
18.30 Uhr: Eucharistiefeier;
19.45 Uhr: Jubiläumsfeier.
Anmeldung
bis 4. November:
anmeldung@kardinal-koenig-haus.at
oder 01/804 75 93-649.
Meditationsraum: Allein mit Gott und mit sich selbst, in einer Atmosphäre des Schweigens, des Hörens, der aufsteigenden Gedanken.
Interview mit P. Josef Maureder SJ
Das Geheimnis von „Stille in Wien“
Das Kardinal König Haus wurde 1884 als ein Exerzitienhaus der Jesuiten gegründet. Exerzitien sind geistliche Übungen. Sie wollen helfen, während einer Zeit des Rückzugs und des Gebets das eigene Leben zu ordnen und neu auf Gott auszurichten.
Im Lauf der Jahrzehnte ist das Programm des Kardinal König Hauses breiter geworden. Spiritualität und Exerzitien machen aber weiterhin die Seele des Hauses aus. Mit „Stille in Wien“ hat das spirituelle Angebot in den letzten Jahren eine neue Mitte bekommen.
Warum wurde „Stille in Wien“ vor zehn Jahren gewagt?
Maureder: „Stille in Wien“ ist gleichsam der Kern, die Mitte des größeren Bereichs Spiritualität und Exerzitien im Kardinal König Haus.
„Stille in Wien“ ist ein besonderer Ort im Exerzitienhaus: Schöne Räume für Rückzug und Gebet, ein persönliches Zimmer, ein Meditationsraum, Gruppenraum, Essraum und Begleitungszimmer, alles gut abgeschirmt vom anderen Teil des Hauses.
„Stille in Wien“ steht für ein bestimmtes Programm im Geist des hl. Ignatius: Klassische Exerzitienkurse, Kurz-Exerzitien für Erwachsene und junge Erwachsene, Einführungen in verschiedene Gebetsformen, Tage der Stille.
„Stille in Wien“ bietet den Rahmen für Rückzug, Exerzitien und Tage der Stille mit Begleitung zwischen den Kursen, gleichsam a la carte, solange jemand hier sein kann und möchte.
Mit dem Projekt „Stille in Wien“ wurde bereits Bestehendem vor zehn Jahren eine sichtbarere Form (Ort und Programm) gegeben. Wirklich neu ist die Initiative, verstärkt und gut strukturiert Menschen zwischen den Kursen für Rückzug, Gebet und Begleitung aufnehmen zu können.
Was ist das „Geheimnis“ dieses spirituellen Angebots?
Das Angebot will den Wunsch nach Stille und Begegnung mit Gott aufgreifen. Es möchte dem Bedürfnis vieler Menschen, sich selbst, anderen und Gott näher zu kommen, Raum geben.
Unsere Räume sind in Form und Ausstattung schlicht und klar, das Essen ist gut und einfach, der Rahmen unserer Angebote will helfen, zu schweigen, still zu werden, sich zu sammeln. Normalerweise begleitet jemand vom Team die Menschen auf ihrem Weg.
Ich würde das „Geheimnis“ aktuell in drei Gegebenheiten sehen.
Die Ausrichtung ist ausdrücklich christlich, bei allem, was wir anbieten. „Christus, unser Erlöser“ ist deshalb die große Ikone am Ende des langen Ganges in Stille in Wien, auf die jedes Auge mehrmals am Tage fällt. Im Rahmen, in der Begleitung, in der inhaltlichen Ausrichtung und Gestaltung unserer Angebote achten wir auf hohe Qualität.
Wer kommt, mit welcher Motivation?
Es kommt jedes Lebensalter vor, die verschiedensten Berufe, Menschen, die alleine leben, verheiratet sind oder in einer Gemeinschaft unterwegs sind.
Eine starke Gruppe sind jene Personen, die in irgendeiner Weise auf einem geistlichen Weg in der pastoralen Arbeit in der Kirche oder in einer geistlichen Gemeinschaft sind.
Aber es finden auch Menschen hierher, die den Sinn ihres Lebens suchen oder Christen sein wollen, sich mit Kirche aktuell aber sehr schwer tun. Zu den Kursen und eben auch zwischendurch kommen junge Leute, die ihren Weg suchen. Es kommen Frauen und Männer, die voll im Beruf stehen und einfach mal eine Auszeit mit Begleitung suchen, um sich Lebensfragen oder der Gottesfrage zu stellen. Und da kommen auch Ältere, die tieferen Frieden mit Gelebtem finden möchten oder ihre Beziehung zu Gott neu beleben wollen.
Immer sind es Menschen, die in dieser oft lauten und schnellen Welt eine größere Tiefe suchen und innehalten wollen, damit sie nicht in die falsche Richtung laufen.
Auf diesem Weg in der Stille gibt die Begegnung mit Christus und seinem Geheimnis Orientierung und Kraft – das ist unser gelebtes Profil in „Stille in Wien“. Das wird auch von vielen Menschen gesucht und geschätzt.