Siebzehn junge Gläubige haben sich am Abend des 2. November rechtzeitig vor dem Angriff des Attentäters in Sicherheit gebracht.
Siebzehn junge Gläubige haben sich am Abend des 2. November rechtzeitig vor dem Angriff des Attentäters in Sicherheit gebracht.
Beantwortet vom Pressesprecher der Erzdiözese Wien, Michael Prüller.
Warum war die Wiener Ruprechtskirche letzte Woche auf einmal in den Medien – mehr als drei Wochen nach dem Attentat von Wien?
Michael Prüller: Wie ich aus dem Innenministerium erfahren konnte, hat die Polizei im Rahmen ihrer Ermittlungen Anzeichen dafür gefunden, dass der Attentäter am 2. November doch nicht nur die Gäste der Lokale des Bermuda-Dreiecks, sondern tatsächlich auch religiöse Stätten im Visier gehabt haben könnte. Eine davon könnte die Ruprechtskirche gewesen sein, in deren Umgebung der Attentäter ja dann auch von der Polizei erschossen wurde. Diese Ermittlungsergebnisse haben nun dazu geführt, dass die Polizei nun – solange es im Gefolge des Attentats die Gefahr von Nachahmungstätern gibt - religiöse Versammlungsorte stärker überwachen möchte und dazu auf lokaler Ebene auch um die Kooperation der Pfarren bittet. Außerdem dürften Details inoffiziell an die Kurierredaktion gegangen sein, der als erste Mitte vergangener Woche über den Gebetsabend schrieb, der am Abend des Attentats in der Ruprechtskirche stattgefunden hat.
Was ist an dem Abend des Attentats tatsächlich in der Ruprechtskirche geschehen?
Eine Gruppe junger Erwachsener, die sich vor allem über Social Media für die Glaubensweitergabe engagiert, hat einen Gebetsabend organisiert, bei dem vor allem gesungen wurde, und der auch per Livestream auf Facebook übertragen wurde. Als die ersten Schüsse aus der Seitenstettengasse – von der Ruprechtskirche nur wenige Dutzend Meter entfernt – zu hören waren, haben die Teilnehmer – zu dieser Zeit waren 17 Menschen in der Kirche - sich genau so verhalten, wie es die Ratschläge für einen solchen Fall vorsehen: Sie haben die Kirchentüren geschlossen, sich in der Kirche eingesperrt und die Lichter gelöscht. Außerdem haben sie natürlich den Livestream gestoppt.
Stimmen Gerüchte, dass der Attentäter an der Kirchentüre gerüttelt habe?
Was sich außerhalb der Kirche abspielte, haben sie drin nur über Smartphones mitbekommen. Dass der Attentäter an der Kirchentüre gerüttelt hätte, können die Teilnehmer nicht bestätigen. Es wäre auch sehr unwahrscheinlich: Zu Beginn seiner sechsminütigen Mordstrecke waren die Kirchentüren noch offen, und am Ende ist er nicht mehr bis zur Ruprechtskirche gekommen. Die jungen Menschen in der Kirche haben ausgeharrt, bis die Polizei gegen 2 Uhr 30 Entwarnung gegeben hat und sie nachhause konnten.
Warum kommen diese Informationen erst jetzt in die Medien?
Die Tatsache, dass Leute in der Ruprechtskirche waren, ist den Medien nicht neu. Der Kurier schreibt ja selber, dass die Fakten rund um die Ruprechtskirche schon lange bekannt sind. Die jungen Erwachsenen wurden schon gleich nach dem Attentat von Medien um Interviews angefragt. Es hatte sich eine frei erfundene Geschichte von einem Mesner der Ruprechtskirche herumgesprochen, der heldenhaft mehrere Menschen gerettet haben sollte. Einen solchen Mesner gibt es nicht – und das mediale Interesse an den Teilnehmern des Gebetsabends ist wieder erloschen.
Gibt es daraus neue Erkenntnisse für die Sicherheit von Kirchen?
Die Polizei sieht jedenfalls einen Anlass, zumindest vorübergehend die Wachsamkeit zu erhöhen, wobei uns andere Indizien außer dem möglichen Bezug des Attentats zur Ruprechtskirche nicht bekannt gemacht wurden. Für uns bedeutet das, in der gewohnt guten Kooperation mit den Behörden auf zentraler wie auf lokaler Ebene vernünftig vorzugehen. Man muss dazusagen: Selbst in Frankreich sind Kirchen immer noch sehr sichere Orte: In den vergangenen fünf Jahren hat es in Frankreich 29 Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund gegeben. Nur drei davon haben sich in der Nähe von Kirchen ereignet, dabei wurden vier Menschen von Terroristen getötet. In derselben Zeit haben in Frankreich 17.000 Menschen im Straßenverkehr den Tod gefunden. Aber wir sollen auch nicht die Augen verschließen: Kirchen sollen weiterhin sichere Orte sein - religiöse Orte überhaupt, denn aus dem Ausland sehen wir, dass Synagogen und Moscheen ebenso Ziel von Terroristen seien können. Wir können uns da gottseidank auf den bestmöglichen Schutz und die Expertise der Exekutive verlassen und müssen uns nicht fürchten. Eine erhöhte Aufmerksamkeit auch der Zivilgesellschaft in den nächsten Wochen ist aber wohl gut und angebracht.