„Kirchenmusik berührt auf emotionaler Ebene. Sie hat in gleichem Maße etwas nicht Fassbares und zugleich Erhebendes an sich.“ (Ernst Blach)
„Kirchenmusik berührt auf emotionaler Ebene. Sie hat in gleichem Maße etwas nicht Fassbares und zugleich Erhebendes an sich.“ (Ernst Blach)
Die Kirchenmusik bringt spezielle Saiten in den Menschen zum Klingen. Ob für Interpreten oder Publikum: Ein besonderes Erlebnis. Martina Raab hat sich umgehört und begeisterte Resonanzen eingefangen.
So oft schon ist die Konzertorganistin Irmengard Knitl die vielen Stufen hinaufgestiegen, die zur Orgel der Pfarrkirche Altlerchenfeld führen. Gerne würde sie einmal noch auf dieser Orgel spielen. Derzeit ist es ihr schon zu beschwerlich.
Am 25. September gibt sie auf der Truhenorgel im Altarraum ihr 108. Benefizkonzert zugunsten der kostbaren Hörbiger-Orgel. Für ihr Lebenswerk wurde Irmengard Knitl zur „Josefstädterin des Jahres 2017“ gewählt.
Diese Frage entlockt ihr ein Schmunzeln. Inspiriert und von Gott gestärkt empfunden habe sie sich schon immer dort oben. Kaum ein anderes Instrument sei so untrennbar mit der Kirche verbunden wie die „Königin der Instrumente“.
Irmengard Knitl, aus einer tiefgläubigen Familie stammend, entschied sich bewusst für die Orgel als ihr Instrument. Das gewaltige Klangvolumen und die unterschiedlichen Klangnuancen der Orgel faszinierten sie schon als ganz junges Mädchen, als sie im Kirchenchor der Pfarre sang.
Besonders liebe sie das Choralvorspiel „Wer nur den lieben Gott lässt walten“: Bachs Musik strahle für sie eine Gottergebenheit und Zuversicht aus, die ihresgleichen suche und die Menschen mit etwas Höherem verbinde. „Ich bin Gott dankbar, wenn ich meiner Berufung und Leidenschaft weiterhin nachgehen kann. Die Orgel ist mein Leben“, bekennt sie.
Der in der Steiermark aufgewachsene Sänger Nikolai Andrej Schukoff war als Kind Ministrant und hat später als Solist bei Messen mitgewirkt. Bei Verdis „Requiem“ oder Bruckners „Te Deum“ fühle er sich inspiriert im religiösen Sinne, wie er gesteht. Besonders berührt habe ihn „die Musik der 8. Sinfonie von Mahler – zwar kein geistliches Werk, aber das Werk eines stark gläubigen und inspirierten Komponisten“.
Es gäbe viel “Kirchenmusik”, die „nicht unbedingt in inspiriertem Zustand komponiert wurde und bei mir nichts hervorruft“, sagt Schukoff, der bei den diesjährigen Salzburger Festspielen in Henzes Oper „The Bassarids“ in der Felsenreitschule auftrat. Nikolai Schukoff schließt sich der Meinung an, wenn man Bachs Musik hört, den Eindruck habe, „er wäre bei der Schöpfung dabei gewesen“.
Kammersängerin Christa Ludwig liebt bei Johann Sebastian Bach das „fast mathematische Konstrukt“. Immer, wenn sie eine Messe einstudierte, kam es ihr, wie sie erzählt, nicht auf den liturgischen Text an, sondern stets nur auf die Musik. Beethovens „Missa Solemnis“ sei, sagt Christa Ludwig, „musikalisch schwer zu verstehen; aber wenn es zum ‚Dona nobis pacem´ kommt, treten mir immer die Tränen in die Augen“. Diese Musik rühre an die Emotionen. Rational erklärbar sei dies nicht: „Weil das wohl jeder Mensch für sich selbst herausfinden muss.“
Wie sich Kirchenmusik auf jene auswirkt, die während der musikalischen Darbietung ein liturgisches Amt innehaben, zeigen zwei Männer, die befragt wurden: Frater Ingenius Unterhofer und Diakon Johann Schwarzmüller in aus Kaiserebersdorf.
Frater Ingenius Unterhofer „zerreißt es fast das Herz, wenn ausgezeichnete Kirchenmusik die Liturgie begleitet“. Er, der die Liturgie in der Deutschordenskirche hinter dem Stephansdom betreut, ist überzeugt: „Wenn die Kirchenmusik und der Kirchenraum gleichermaßen schön sind, und noch dazu gute Akustik herrscht, potenziert sich das zu einem unvergleichlichen Erlebnis.“
„Kirchenmusik ist etwas Herrliches für mich“, sagt Johann Schwarzmüller, der in die Pfarre Kaiserebersdorf hineingeboren wurde und dort als Diakon wirkt. Das gemeinsame Singen in einem Gottesdienst ist ihm sehr wichtig: „In diesem Gesang Gott zu loben, zu preisen und ihm zu danken, und das Miteinander singen – das sind Augenblicke, in denen Gemeinschaft so richtig spürbar wird.“
Für die Zuhörenden steht die Bruckner-Expertin von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Elisabeth Maier. Kirchenmusik empfindet sie als „Unterstützung und Vertiefung des Mitfeierns der Liturgie“.
Anton Bruckners f-moll-Messe oder Mozarts Requiem berühren Elisabeth Maier in der Liturgie viel stärker als im Konzertsaal: „Als gläubiger Mensch erlebe ich konzertant aufgeführte Kirchenmusik nur als eine halbe Sache.“
Der Gesangspädagoge Ernst Blach hat bereits als Jugendlicher Gottesdienste in seiner Schulpfarre Maria Lourdes in Meidling musikalisch mitgestaltet. Sein besonderes Interesse galt früh der Kirchenmusik und war ausschlaggebend dafür, dass er sich später für das Studium „Lied und Oratorium“ entschied. Blach hat an der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz den Master-Lehrgang „Musikvermittlung – Musik im Kontext“ absolviert.
Erst in der Kirche könne sich der Zauber der Musik so richtig entfalten. Dieses Setting mache etwas mit dem Interpreten und mit dem Publikum, betont der studierte Musikvermittler. Zudem sei Kirchenmusik aus einem anderen inneren Antrieb heraus verfasst als eine Opernarie; nicht zur Unterhaltung gedacht, sondern zur Erbauung.
Für Ernst Blach hat Kirchenmusik etwas an sich, das sich aufgrund der Spiritualität jeder Vergleichbarkeit und der Ratio entzieht: „Kirchenmusik berührt auf emotionaler Ebene. Sie hat in gleichem Maße etwas nicht Fassbares und zugleich Erhebendes an sich.“
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