Wiener Seminaristen erkundeten zum 1700-jährigen Jubiläum des Konzils von Nicäa die Anfänge des Christentums in Kleinasien. Eine bewegende Reise zu historischen Stätten und Begegnungen prägte die jungen Theologen.
Überschattet vom plötzlichen Tod von Papst Franziskus, von dem sie noch am Flughafen erfuhren, begaben sich am Ostermontag die Priesteramtskandidaten von Wien, St. Pölten und Eisenstadt gemeinsam mit Regens Richard Tatzreither, P. Lorenz Voith, Vizeregens Markus Muth und dem Mailänder Theologen Stefano Chiarolla, der zurzeit im Priesterseminar in der Strudlhofgasse wohnt, auf die Spuren der frühen Kirche, die im östlichen Mittelmeer, der damaligen Provinz Kleinasien, entstanden ist. Ziel war Nizäa, das alte Nikaia südlich von Istanbul, wo vor genau 1700 Jahren das entscheidende erste ökumenische Konzil stattgefunden hat.
Ein erster Höhepunkt der Reise war die Begegnung mit dem Nachfolger des Heiligen Andreas, Patriarch Bartholomaios I. Er ist als Oberhaupt des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel das Ehrenoberhaupt der orthodoxen Kirchen und in der altkirchlichen "Pentarchie" (den fünf alten Patriarchaten Rom, Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem) nach dem Bischof von Rom der zweithöchste Würdenträger. Nach dem Tod von Papst Franziskus kommt ihm in diesen Tagen der Vakanz des römischen Bischofsstuhls daher aus ökumenischer Sicht eine besondere Bedeutung zu. Regens Richard Tatzreither überreichte ihm Reliquien der Heiligen Leopold und Klemens Maria Hofbauer, die Patriarch Bartholomaios mit Freude entgegennahm und nach byzantinischem Brauch mit einem Kuss verehrte. In seiner Ansprache betonte Bartholomaios die Wichtigkeit Konstantinopels für die Ökumene und rief die Seminaristen auf, aus ihrem Glauben heraus Zeugnis zu geben. Er unterstrich die Verantwortung künftiger Priester als "Mitarbeiter Gottes" und plädierte für eine "dialogische Pastoral", die auf göttlicher Gnade und menschlicher Freiheit basiert. Bildung und theologisches Wissen seien dafür unerlässlich.
Besonders hob der Patriarch das 1700-jährige Jubiläum des Konzils von Nicäa und die gemeinsame Osterfeier hervor. Er zitierte seine Osterbotschaft, in der er betonte, dass der "Geist um Nicäa" untrennbar zum Leben der Kirche gehöre und deren Einheit vom rechten Verständnis und der Entfaltung ihrer synodalen Identität abhänge. Abschließend ermutigte er die jungen Priester, den ökumenischen Dialog fortzusetzen, denn "einen wirklichen Dialog können nur Menschen führen, die je ihren Standpunkt haben, die aber bereit sind, aufeinander zu hören und voneinander zu lernen." Zum Aufenthalt in Istanbul gehörte auch ein Besuch des traditionsreichen St. Georgs-Kollegs, einer von Lazaristen betreuten deutschsprachigen Schule in Istanbul, die auch von Einheimischen sehr geschätzt wird.
Die Reise führte die Gruppe weiter nach Nicäa, dem heutigen Iznik südlich von Istanbul. In dieser Stadt wurde im Jahr 325 n. Chr. auf dem ersten ökumenischen Konzil das Nizänische Glaubensbekenntnis formuliert. Dieses Bekenntnis, das die Wesensgleichheit Jesu Christi, des einziggeborenen Sohnes mit dem Vater bekräftigt, ist bis heute ein Kernbestand des christlichen Glaubens. Joseph Ratzinger (Papst Benedikt XVI.) bezeichnete diesen Schritt als revolutionäre Weiterentwicklung des philosophischen und biblischen Monotheismus hin zu einem dynamischen Verständnis von Gott als Beziehung und Liebe. Denn wenn Gott Liebe ist, wie der Verfasser der Johannesbriefe nicht müde wird zu betonen, schließt das Dialog und Dynamik mit ein.
Kurz nach dem Besuch von Nicäa, das in diesem Jahr eine besondere Bedeutung für die Seminaristen hatte, wurden sie Zeugen der Erschütterungen des Erdbebens, das am 23. April vor allem Istanbul traf.
Weitere Stationen der Reise waren das altkirchliche Smyrna (heute Izmir), wo die Seminaristen in der Kirche des Heiligen Polykarp, einem bedeutenden apostolischen Vater, Gottesdienst feierten. Anschließend besuchten sie Ephesus, die Adressatin des Paulusbriefes, wo der Überlieferung nach auch Johannes und Maria, die Mutter Jesu, gelebt haben sollen. Den Abschluss bildete das antike Milet südlich von Izmir. Hier verabschiedete sich der Apostel Paulus auf seiner letzten großen Missionsreise von den Leitern der Gemeinde in Ephesus, bevor er nach Jerusalem zurückkehrte, von wo aus sein Weg bekanntlich nach Rom führte.
Bevor die Priesteramtskandidaten wohlbehalten und mit vielen neuen Eindrücken nach Wien zurückkehrten, nutzte der ein oder andere noch die Gelegenheit für einen Sprung ins frühlingshafte Mittelmeer.