Missbrauch der Religion im Umfeld des Ersten Weltkriegs: Denn Krieg im Namen Gottes gibt es nicht.
Missbrauch der Religion im Umfeld des Ersten Weltkriegs: Denn Krieg im Namen Gottes gibt es nicht.
Warum der Schriftsteller Karl Kraus den Ersten Weltkrieg als eine Apokalpyse deutete: Jakob Deibl OSB (am 17.Oktober bei den „Theologischen Kursen“) im Gespräch.
„Seit dem 19. Jahrhundert ist die Literatur, wie sie in dem von Wien beeinflussten Raum entstand, von Doppelbödigkeit, Ambivalenz und ironischer Gebrochenheit durchdrungen. Das Entscheidende wird niemals direkt ausgesprochen, sondern findet sich zwischen den Zeilen“, sagt P. Jakob Deibl OSB (Universität Wien, Institut für Fundamentaltheologie).
Dafür sieht er zwei Gründe. „Zum einen handelt es sich um eine Antwort auf die Untertanenmentalität, welche aus der Zeit der Monarchie weit über 1918 hinaus in unsere Gesellschaft hineinreicht. Im Gestus der Ironisierung vermochte die Literatur eigene Weisen kreativen Umgangs damit auszubilden“, betonte Deibl: „Zum anderen entsteht in Wien um 1914 ein abgründiger Nihilismus, welcher den Glauben an sämtliche Werte, selbst an die unmittelbare Geltung der Sprache und ihre Fähigkeit, etwas auszusagen, verloren hat. Nichts lässt sich mehr direkt ausdrücken, Bedeutung entsteht in den Zwischenräumen.“
Es war weniger ein „Tanz auf dem Vulkan“ als die Sehnsucht nach dem großen Krieg, ist er überzeugt. „Äußerungen vieler Wissenschaftler, Schriftsteller, Philosophen und Theologen aus der Zeit des Sommers 1914 zeigen eine unfassbare Begeisterung für den kommenden Krieg“, sagt Deibl: „Dem dekadenten alten Europa traute man nichts mehr zu; aus dem Krieg, dessen Dauer man auf einige Monate schätzte, werde ein neues Europa hervorgehen.“ Doch bald schon setzte „die Ernüchterung ein, nicht wenige der anfänglichen Befürworter wurden zu Kriegsgegnern".
Das Bild des „Tanzes auf dem Vulkan“ scheint ihm „eher geeignet, um unsere Zeit zu charakterisieren“: „Wir alle wissen um das weltweite Ausmaß ökologischer Zerstörung, handeln aber, als ob uns das nichts mehr anginge, als seien wir ohnehin die letzten Menschen.“
Karl Kraus greife, wie viele andere auch, „um 1914 auf apokalyptische Bilder zurück, um eine Sprache zu finden für das, was sich ereignet“. Deibl: „Eine klassische theologische Kategorie, die Apokalypse, gewinnt Relevanz, um Zeit und Gesellschaft zu deuten“. „Apokalypse“ müsse dabei aber – ganz im Sinne der Bibel – „als eine vielschichtige Kategorie“ verstanden werden. Sie drücke „das Ende sämtlicher alter Ordnungen aus, blickt aber nicht starr auf die Katastrophe, sondern versucht, diese in Worte zu fassen“. Deibl: „Dabei stellt sie die Frage, ob es zu einer Erneuerung kommen kann und es eine Zeit nach der Katastrophe gibt. All diese Aspekte finden sich auch in den Schriften von Kraus. Er darf nicht darauf reduziert werden, bloß Chronist des Untergangs der Menschheit zu sein."
Welches Werk von Kraus müsse man dazu unbedingt lesen? Deibl verweist auf zwei Werke: „Die letzten Tage der Menschheit“ und den Gedichtband „Worte in Versen".
Die „Theologischen Kurse“ richten ihren Blick im Wintersemester auf „Apokalypse“ und „letzte Fragen“: In Vorträgen, Workshops und Diskussionen werden Fragen rund um den Tod und den Weltuntergang aufgegriffen.
Zugleich wird der Jahre 1914 und 1939 gedacht, als Kriege unvorstellbaren Ausmaßes begannen.
17. 10., 15.30 bis 21h: „Untergänge des Abendlandes.
I. Wien vor 1914“ mit Dr. Peter Pawlowsky, Dr. Jakob Deibl OSB, Dr. Otto Friedrich
18. 10., 9 bis 13h: „Untergänge des Abendlandes. II. Europa nach 1914.“
mit Univ.-Prof. DDr. Rupert Klieber („Eine Allianz zerbricht? Kirche & Staat in Österreich 1914-1938“),
Univ.-Prof. Dr. Michaela Sohn-Kronthaler („Der Krieg lehrt beten“ – Religiöse Kriegsdeutungen von 1914-1945“),
Univ.-Prof. DDr. Johann Schelkshorn („Der langsame Abschied vom Imperialismus und die Zukunft der Demokratie. Zur Geschichte Europas im 20. Jahrhundert: 1914-1945-1989“).
22. 10., 18-30-21h: Univ.-Prof. Dr. Johannes Fried: „Karl der Große und sein Erbe. Klischees einer 1200-jährigen Wirkungsgeschichte.“
23. 10., 9 bis 11.30h: Univ.-Prof. Dr. Johannes Fried: „Aufstieg aus dem Untergang. Der Geist der Apokalypse und die Geburt der Wissenschaft.“
29.10., 15.30 bis 18h: Mag. Oliver Achilles: „Wer hat das letzte Wort? Worum es (in) der biblischen Apokalyptik geht.“
29. 10., 18.30 bis 21h: Mag. Günter Egger/Generalvikar Dr. Nikolaus Krasa: „Das Buch mit den sieben Siegeln. Eine musikalisch-biblische Reise ins himmlische Jerusalem.“
Info über alle Angebote der „Theologischen Kurse“:
Tel.: 01/51552-3703
oder www. theologischekurse.at
Karl Kraus Die letzten Tage der Menschheit Tragödie in fünf Akten mit Vorspiel und Epilog
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Worte in Versen. ( Werke, Bd.7.) Gebundene Ausgabe: 541 Seiten Verlag: Kösel-Verlag (Dezember 1984) ISBN-10: 3466101077 ISBN-13:978-3466101078
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