Don Artime, Generaloberer der Salesianer Don Boscos.
Don Artime, Generaloberer der Salesianer Don Boscos.
Der Generalobere der Salesianer Don Boscos besuchte im März 2019, vier Tage lang Österreich. Es war sein erster Besuch in Wien.
„Ich finde, dass Wien eine bezaubernde Stadt ist.“ Die Botschaft des Generaloberen ist jedoch international. Besonders wichtig ist dem Ordensoberen der Salesianer Don Boscos. ein weltweites Netzwerk der Menschlichkeit. Sei es in einem der Projekte in den mehr als 4.500 Häusern der Salesianer in 134 Ländern oder sei es in Zusammenarbeit mit der Weltkirche. In Österreich besuchte er u.a. Unterwaltersdorf und Wien.
Der Ende Februar 2019 beendete Kinderschutzgipfel im Vatikan war nach Ansicht des Generaloberen ein Erfolg. "Auch wenn beim Treffen selbst noch keine konkreten Maßnahmen beschlossen wurden, sind nun alle Bischofskonferenzen und Ordensgemeinschaften mit den Themen sexueller Missbrauch und Kinderschutz intensiv befasst", erklärte Don Ángel bei einem Pressetermin anlässlich seines Besuchs in Wien. Nachdem der Papst bei der Versammlung eine klare Richtung vorgegeben habe, müssten nun daraus Konsequenzen gezogen werden.
Die Aufarbeitung und Prävention von Missbrauch beträfen den im Bildungsbereich engagierten Salesianerorden direkt, stellte Fernandez klar. Die Papst-Linie, kein Fall dürfe vertuscht oder seine Anzeige verhindert werden, setze man um: Weltweit liefen derzeit rund 60 Prozesse gegen Mitglieder wegen sexuellem Missbrauch, wobei nach den USA, Australien und Südamerika der Fokus derzeit besonders auf Europa gerichtet sei. In Afrika und Asien gäbe es bisher auch in seinem Orden noch kaum bekannte Fälle - "was nicht heißt, dass das Problem dort nicht besteht. Man scheut sich in diesen Kulturen noch immer davor, Missbrauch anzusprechen und anzuzeigen", erklärte Don Angel. Der Kinderschutzgipfel könne hier den nötigen Bewusstseinswandel beschleunigen.
Die von Papst Franziskus in diesem Zusammenhang oft geäußerte Sorge über den "Klerikalismus" in der katholischen Kirche teile er, betonte der Generalobere. Nicht die Priester selbst seien dabei das Problem, "sondern dass man etwas als Priestersein versteht, was in Wahrheit nichts damit zu tun haben darf: Die Vorstellung, es bedeute vor allem, bedient zu werden und Macht über andere zu haben". Der Salesianerorden vertrete laut Fernandez ein davon gegensätzliches Priesterbild, wie auch seine eigene Vorstellung von Kirche eine andere sei: Es müsse darum gehen, "mehr Volk Gottes zu sein mit allen Diensten, die es gibt - mit der Hilfe auch der Priester, die wir brauchen".
Jugendsynode weiterführen
Hinsichtlich der vatikanischen Jugendsynode vom vergangenen Oktober erklärte der Generalobere, er erwarte mit großer Vorfreude das für Ende März angekündigte Papstschreiben zum Thema Jugend. Bereits das bei diesem Treffen erstellte Schlussdokument sei jedoch ein "Juwel" und äußerst hilfreich auch für die Salesianergemeinschaft: Beim siebenwöchigen 28. Generalkapitel des Ordens im Frühjahr 2020 in Turin werde dieser Text die Arbeitsgrundlage darstellen. Schon jetzt sei absehbar, dass es dabei dem Orden um "den vorrangigen Einsatz für die ärmsten Kinder und Jugendlichen, die Verteidigung der Menschenrechte dieser Kinder und die Zusammenarbeit mit den Laien" gehen wird.
Mit hohen Erwartungen sehe er auch der vatikanischen Amazonassynode im kommenden Oktober entgegen, betonte Don Àngel. Außer einer Bekräftigung des Respekts der Kirche vor Natur und Umwelt müsse es dabei vor allem um die "Stärkung der Rechte der Indigenen und deren Einbindung in die Synode nach dem Vorbild der Jugendsynode" gehen, so sein Wunsch. Die Salesianer und die Don-Bosco-Schwestern könnten dabei viel einbringen: Sie seien im Amazonasgebiet bereits seit 130 Jahren tätig, zudem habe auch der Einsatz auf der Seite der eingeborenen Völker lange Tradition.
Als "derzeit größte Herausforderung der Menschheit" bezeichnete der Ordensobere die Migration. Wichtig sei jedoch, sich über die mit dem Thema verbundenen Veränderungen nicht zu ängstigen. "Verschiedenheit ist keine Gefahr, und sie als solche darzustellen, ist nicht christlich - bei allem Verständnis für die Bestrebungen Europas, zu einer 'geordneten Migration' zu finden." Ein schnelleres Voranschreiten bei der Aufgabe der Integration sei unabdingbar, könne man doch heute schon absehen, "dass viele der Länder, die Migranten heute besonders kritisch gegenüberstehen, aufgrund des Zusammenbrechens ihrer Sozialsysteme bald sagen werden: Kommt doch zu uns, denn wir haben keine Kinder mehr."
Europas Regierungen müssten dieser Realität ins Auge blicken und zugleich eine Politik verfolgen, "die in den Herkunftsländern die Entwicklung begünstigt statt sie zu verhindern", so P. Fernandez weiter. Am afrikanischen Kontinent müsse dafür die technische Entwicklung intensiv vorangetrieben und ein neuer Umgang mit Rohstoffen gefunden werden, denn "das derzeitige System kann das Armutsproblem nicht überwinden". Jüngere Entwicklungen wie das erneute Aufziehen von innereuropäischen Grenzen verfolgt der Generalobere hingegen mit Sorge, würde damit doch auch schrittweise die "Freiheit der Gedanken" eingeschränkt.
Die Kirche müsse bei dem Thema Mut beweisen, betonte Fernandez. Der Salesianerorden habe die Sorge um Unbegleitete minderjährige Fremde als eine wichtige Aufgabe erkannt und betreibe in etlichen Ländern Europas - neben Spanien, Italien, Malta und Deutschland auch in Österreich mit dem Verein "Don Bosco Flüchtlingswerk" - Wohnheime für diese Gruppe. Intensiv bemühe man sich hier um die Klärung des rechtlichen Status und Dokumente der Betroffenen, um Sprachkurse und die Berufsausbildung sowie um pädagogische Betreuung, denn: "Erst mit diesen Voraussetzungen kann die Menschenwürde des Einzelnen gewährleistet werden."
Ebenso setzten sich Salesianer auch in den Herkunftsregionen von Migranten aktiv für die jeweils am meisten benachteiligten Kinder und Jugendlichen ein, zeigte der Generalobere am Beispiel von Projekten im westafrikanischen Sierra Leone. Ehemalige Kinderprostituierte und Straßenkinder sowie die 1.600 Insassen eines Jugendgefängnisses der Hauptstadt Freetown stünden hier im Zentrum der Aufmerksamkeit, zudem sei der Orden auch in die Überwindung der Ebola-Epidemie mit Errichtung von Waisenhäusern und Kinderschutz-Hotlines an vorderster Front involviert gewesen. "Kennzeichen der Missionare und ihr Unterschied zu den Hilfswerken ist, dass sie in Krisen oder Kriegen vor Ort bleiben. Wir von der Ordensleitung verpflichten sie nicht dazu, doch sie sagen selbst: Wir können die Kinder ja nicht im Stich lassen." Durch die Aufmerksamkeit für die vielen Einzelfälle sei es möglich, zu einer Veränderung der Welt beizutragen, so Don Angel.
Insgesamt sieht der Salesianer-Obere die Aufgabe der Unterstützung von benachteiligten Jugendlichen, die einst entscheidender Gründungsimpuls seines Ordens war, als "aktueller denn je": Heutige Jugendliche auch in Westeuropa seien im Unterschied zum 19. Jahrhundert zwar besser gekleidet und hätten alle Handys, doch bei vielen mache sich ein Gefühl innerer Leere breit. "Sie erleben keine Geborgenheit in einer Familie, wissen oft nicht mit wem außer mit Gleichaltrigen sie etwas besprechen können und haben keine Träume oder Ideale. Dass sie keinen Grund finden zu hoffen, ist ein sehr ernstes Thema." Begleitung und Ansprechpersonen seien wichtig, um nicht andernfalls in Radikalismus getrieben zu werden.