Christian Schicklgruber, Direktor des Weltmuseums Wien, und der Steyler Missionar P. Franz Helm diskutieren über Mission heute, gestohlene Kunst und die Aufgabe des Museums.
Christian Schicklgruber, Direktor des Weltmuseums Wien, und der Steyler Missionar P. Franz Helm diskutieren über Mission heute, gestohlene Kunst und die Aufgabe des Museums.
Das neue Weltmuseum Wien verdankt einen beachtlichen Teil seiner Sammlung den Steyler Missionaren. Sie gründeten im 20. Jahrhundert die „Wiener Schule der Kulturkreislehre“ und wollten durch Forschungen in Afrika und auf Feuerland beweisen, dass der Monotheismus der ursprüngliche Glaube ist. Der Versuch scheiterte. Aber die Berichte der Missionare werden in der Fachwelt bis heute geschätzt. Christian Schicklgruber, Direktor des Weltmuseums Wien, und der Steyler Missionar P. Franz Helm diskutieren über Mission heute, gestohlene Kunst und die Aufgabe des Museums.
Wer in Wien Kulturanthropologie (früher Ethnologie oder Völkerkunde) studiert hat, kennt die Steyler Missionare. Bis in die 1950er Jahre war das „Institut für Völkerkunde“ fest in der Hand der Patres. (Mehr darüber erfahren Sie in: Die Ära der Kulturkreislehre)
Christian Schicklgruber hat als Student viel über die Theorien und Forschungen der Steyler gelernt. Heute verwaltet er als Direktor des Weltmuseums die umfangreiche Sammlung der Geistlichen.
Was haben er und die Steyler Missionare sich heute noch zu sagen? So einiges, stellen wir beim Gespräch zwischen Christian Schicklgruber und dem Steyler P. Franz Helm fest.
Direktor Schicklgruber, was möchte das neue Weltmuseum Wien vermitteln?
Christian Schicklgruber: Wir hoffen, dass bei unseren Besucherinnen und Besuchern ein Eindruck von der Vielfalt der Welt und der Kulturen entsteht. Mehr als Mosaiksteinchen dieser Vielfalt kann ein Museum nicht bieten.
Noch mehr wünschen wir uns eine Wertschätzung der Vielfalt. Im Gegensatz dazu wollten die frühen Völkerkundemuseen eine kulturelle Differenz oder Hierarchie herstellen.
In diesem Zusammenhang stehen auch die Begriffe „Kulturvolk“ und „Naturvolk“ – man sollt’s nicht glauben, aber der Begriff ist noch immer nicht verschwunden. Damit war ganz klar, dass wir diese Herrschaften ökonomisch ausbeuten, beherrschen und missionieren können. (Zu P. Helm:) Und jetzt können wir zu streiten anfangen. (lacht)
Franz Helm: Der Ansatz der Mission ist eine Reibungsfläche zur Kulturanthropologie: Ein Missionar geht nicht hin, um etwas zu dokumentieren, sondern um etwas zu verändern.
Damals war es, um ihnen das ewige Heil zu bringen. Wer nicht getauft ist, kommt in die Hölle – das war die offizielle Linie der katholischen Kirche bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Daher wurde alles unternommen, damit die Menschen zum Glauben finden.
P. Helm, wie verstehen Sie Mission heute?
Franz Helm: Mission wird heute eher so definiert, einen Beitrag zu leisten, dass Menschen zum Heil hinfinden: dass Beziehungen heil werden, Menschen ihre persönliche Würde entdecken und leben, dass Gerechtigkeit in einer Gesellschaft wächst, dass es zum Frieden kommt.
Solche Prozesse werden versucht in Gang zu setzen – natürlich mit dem Evangelium in der Hand, weil da diese Werte herkommen.
Christian Schicklgruber: Es gibt keine Gesellschaft ohne Religion und keine Religion ohne einen Kodex an Ethikvorstellungen. Wenn Sie mit Ihrem Glauben wo hin kommen und dort Glauben antreffen, ist es letztendlich das Ersetzen des einen durch das andere?
Franz Helm: Ich glaube, in gewissen christlichen Gruppierungen wird das so gesehen. Das ist nicht das Verständnis von uns Steyler Missionaren und auch nicht das, was ich in offiziellen Dokumenten des Vatikan finde.
Wenn ich einen Menschen treffe, der einen anderen Glauben hat, geht es zuerst darum, mit ihm in Dialog zu kommen. Ich werde nicht versuchen, andere zum christlichen Glauben zu bekehren.
Das muss von ihnen ausgehen, wenn es für sie ein Wunsch wird. Bischof Kräutler hat gesagt: „Ich habe noch keinen Indianer getauft und werde das auch nicht.“
Christian Schicklgruber: Ich weiß von einem Jesuiten, der sein ganzes Leben in Bhutan verbracht hat und ganz stolz war, weil er niemanden getauft hat. Er hat seinen Schülern buddhistische Texte gekauft, sie haben darin gelesen und er in der Bibel. Darüber sagte er: „It was a very prayering atmosphere.“ (in etwa: „Es herrschte eine intensive Gebetsatmosphäre.“)
Ich dachte, dieser Mann ist ein Einzelfall, deshalb finde ich es sehr spannend, was Sie da sagen: Es geht also nicht um ein Ersetzen, sondern Sie treten mit ihrem Verhalten in den Dialog. Und wenn die Menschen katholisch werden, ist es gut, und wenn nicht, ist es genauso gut?
Franz Helm: Genau. Das Ziel der Mission ist es nicht, mehr Kirchenmitglieder zu bekommen, sondern dass im Sinn von Jesus Christus Reich Gottes wächst.
Reich Gottes bedeutet, dass Menschen aufleben, ein qualitätsvolleres Leben finden. Und dafür müssen wir miteinander im Dialog sein und uns miteinander einsetzen.
Ganz konkret: Ich war in Brasilien, wo die Bevölkerung noch immer großteils katholisch ist. Die große Herausforderung dort war die ungerechte Landverteilung und die Gängelung der Bevölkerung durch die Massenmedien, die in der Hand der mächtigen Oberschicht waren. Mich da einzusetzen, gemeinsam mit den Menschen in der Ortskirche, so habe ich Mission verstanden.
Viele Kulturschätze, die das Weltmuseum ausstellt, wurden geraubt. Sollte man sie den Nachfahren der Besitzer zurückgeben?
Christian Schicklgruber: Ich möchte mich nicht aus der Diskussion stehlen, aber das ist eine politische Entscheidung. Die Benin-Sammlung ist ganz klar eine koloniale Kriegsbeute.
Rein rechtlich gibt es aber keine Rückgabeverpflichtung. Wir suchen Kontakt zu den Ursprungsgesellschaften und schicken Teile unserer Sammlung als langfristige Leihgaben dorthin, wo sie herkommen. Soweit können wir als Museum agieren.
Franz Helm: Das Weltmuseum hat eine ganz wichtige „Mission“: das Differenzieren zu lehren. In unserer Gesellschaft, in der manche Dinge derart plakativ gesehen werden, ist das sehr wichtig. Damit nicht einfach über „die Muslime“ oder „die Katholiken“ oder „die Frauen“ geredet wird, sondern genau hingeschaut wird. Wer ist das und in welchem Umfeld lebt der.
Christian Schicklgruber: Letztendlich geht es um Menschen und die sind alle verschieden. „Die Moslems“ oder „die Afrikaner“ gibt es nicht, genauso wenig wie „die Österreicher“.
Artikel zum Thema: Die Ära der Kulturkreislehre
zu den Personen:
Franz Helm
Geboren 1960 in Ybbsitz, Niederösterreich
1979 tritt er in die Gesellschaft des Göttlichen Wortes (SVD - Steyler Missionare) ein und beginnt an der Theologischen Hochschule St. Gabriel Theologie zu studieren.
Auf Missionseinsatz in Brasilien (1987-1993) engagiert er sich in der Sakramentenpastoral, der Ausbildung von Laienmitarbeitern, in Bibelkursen, der Begleitung von Basisgemeinden und der politischen Bewusstseinsbildung.
1996 schließt er sein Promotionsstudium im Fach Missiologie an der Päpstlichen Theologischen Hochschule in São Paulo ab.
An der Uni Wien lehrt er von 2008 bis 2015 Missionstheologie (Kath. Theol. Fakultät)
Generalsekretär von Missio Austria (Päpstliche Missionswerke in Österreich) ist er von 1994-1996, Generalsekretär der Superiorenkonferenz der Männerorden Österreichs von 2015 bis März 2018.
Christian Schicklgruber
Geboren vor 57 Jahren in Oberösterreich
Studierte Ethnologie, Kultur- und Sozialanthropologie sowie Tibetologie und Buddhismuskunde an der Universität Wien
Lebte mehrere Jahre lang im Himalaya
Arbeitete u. a. als Touristenführer, Dokumentarfilmer, Universitätslektor und 25 Jahre lang im Weltmuseum Wien (früher Völkerkundemuseum)
Seit 2018 ist er Direktor des Weltmuseums Wien, das im Oktober 2017 neu eröffnet wurde.
Schwerpunkte seiner Forschungen sind Süd- und Südostasien und die Himalayaländer
Nächste Projekte sind die Ausstellung „Verhüllt, enthüllt! Das Kopftuch“
(ab 18. Oktober) und eine Sonderausstellung zur zeitgenössischen Kunst in Nepal (2019).
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