Orden als Vorbild synodaler verfassung der Kirche
Orden als Vorbild synodaler verfassung der Kirche
Münchner Kirchenrechtler Haering bei Vortrag in Graz: Unterstützung bzw. Korrektur der Ordensoberen durch beigesellte Räte oder Ordenskapitel in den Ordensregeln genau festgelegt.
Katholische Ordensgemeinschaften können kirchlichen Reformbestrebungen wie dem "synodalen Prozess" in Deutschland durch ihre Verfasstheit wichtige Inspirationen liefern: Das hat der Münchner Kirchenrechtler P. Stephan Haering bei einem Gastvortrag im Grazer Universitätszentrum Theologie zum Thema "Leitung in der Kirche: Das Beispiel der Orden" dargelegt. In den Ordensregeln der einzelnen Gemeinschaften seien Rechte und Pflichten ihrer Oberen sowie Aufgaben wie Beratung, Berichterstattung und Vermögensverwaltung genauestens geregelt, geht aus einem aktuellen Bericht auf der Website der Ordensgemeinschaften hervor.
Exemplarisch präsentierte P. Haering, der selbst der Stiftsleitung der Benediktinerabtei St. Michael in Metten angehört, einige der zahlreichen Leitungsmodelle in den Ordensgemeinschaften. Den Rahmen dafür gibt das Kirchenrecht in den Canones 617 bis 640 vor, welches das Generalkapitel als oberstes Leitungsgremium festsetzt wie auch dessen Aufgabe, "die geistliche Identität des Instituts zu wahren, das Vermögen zu verwalten, sowie die Gesamtheit als auch die Einheit darzustellen", erklärte der ausgewiesene Experte für Ordensrecht. Um ein Parlament handle es sich dabei nicht, vielmehr bestimme jede Ordensgemeinschaft eigenrechtlich, wie das alle vier bis sechs Jahre tagende Generalkapitel bestückt wird.
Teils geschieht diese Bestückung durch Kontingentierung nach Altersklassen, um die Vertretung der jüngeren Mitglieder sicherzustellen, erklärte Haering. Bei großen Orden wie etwa den Jesuiten oder Franziskanern entsenden die Provinzen Delegierte und entscheiden dabei selbst, ob sie diese durch Wahl, Ernennung oder anders bestimmen. Doch auch auf Provinzebene gibt es in der Regel ein Ordenskapitel, aus dessen Reihen der Provinzobere ermittelt wird; bei einer Wahl muss dabei der jeweils höhere Obere die Bestätigung dafür geben. Bei einzelnen Gemeinschaften wie etwa den Jesuiten werden Provinzobere allerdings nicht gewählt, sondern direkt vom Generaloberen ernannt.
Bei den sich auf den Heiligen Benedikt berufenden eigenständigen Klöstern wird die Wahl von Äbten genau geregelt, wobei die Benediktregel zur Frage nach der Amtszeit allerdings schweigt. "Früher war die Amtszeit in eigenständig geregelten Gemeinschaften meist lebenslang. Man argumentierte, dass auch die Vaterschaft nie ende. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil sieht das Eigenrecht allerdings eine begrenzte Amtszeit vor", erläuterte Haering. Damit werde einerseits verhindert, dass ein Oberer "immer von einer Gemeinschaft zur nächsten weitergereicht" wird, anderseits beobachtet Haering hier auch eine "Befruchtung des Leitungsamtes": Es erlaube einem Oberen, selbst einmal Untergebener des Oberen sein zu können - wie auch umgekehrt.
In ihren Entscheidungen müssen alle Oberen laut Kirchenrecht auch einen Rat zur Seite haben, der sie bei der operativen Führung mit Stütze und Korrektiv begleitet. Eine solche Funktion erfüllt auch das Konventkapitel oder ein eventueller Wirtschaftsrat. "Tue alles mit Rat, dann brauchst du nach dem Rat nichts bereuen", las P. Haering einen Satz aus der Benediktregel vor. Wie vom Kirchenrecht gefordert, habe jedes Ordensinstitut für die Vermögensverwaltung einen eigenen Ökonom unter der Leitung des Ordensoberen - was letzteren einerseits entlaste, zugleich aber auch das Vier-Augen-Prinzip als Kontrollfunktion etabliere. Regelmäßige Berichterstattung oder auch das Instrument der Visitation sollen Gefahren für die Gemeinschaft frühzeitig sichtbar machen.
Einige Sonderfragen würden sich zur Leitung der Orden heute stellen, bemerkte der Münchner Kirchenjurist am Ende seines Gastvortrages. So obliege in Männerorden die Leitung oft einem Kleriker, wiewohl es auch Laienmitbrüder in der Gemeinschaft gäbe. Hier stelle sich die Frage, inwieweit die Mitwirkung in der klerikalen Leitung sichergestellt werde, sagte Haering; der Franziskanerorden sei in dieser Frage besonders engagiert. Bei weiblichen Ordensgemeinschaften hingegen haben sich die Leitungsautonomie noch lange nicht durchgesetzt, vielmehr gebe es da und dort noch immer das Konstrukt, dass ein Mann einem Frauenkloster vorstehe. Drittens sei es auch fraglich, ob der Ökonom immer Mitglied der Gemeinschaft sein müsse, wie im Kirchenrecht vorgesehen. Über Sonderregelungen und Dispensen würden zunehmend dafür professionalisierte Laien angestellt, was nach vielen guten Erfahrungen endlich in eine allgemeine Bestimmung übergeführt werden sollte.