Es tut gut, sich einmal ruhig hinzusetzen und darüber nachzudenken: Wovor fürchte ich mich am meisten? Denn das kann mir viel über meine Lebenseinstellung sagen. Jesus will uns helfen, die richtigen Maßstäbe zu finden.
Es tut gut, sich einmal ruhig hinzusetzen und darüber nachzudenken: Wovor fürchte ich mich am meisten? Denn das kann mir viel über meine Lebenseinstellung sagen. Jesus will uns helfen, die richtigen Maßstäbe zu finden.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 25. Juni 2017 (Mt 10,26-33)
Dreimal ruft Jesus seinen Zuhörern zu: Fürchtet euch nicht! Und einmal sagt er: Fürchtet euch! Was sollen wir befürchten? Und wann sollen wir furchtlos sein? Es tut gut, sich einmal ruhig hinzusetzen und darüber nachzudenken: Wovor fürchte ich mich am meisten? Denn das kann mir viel über meine Lebenseinstellung sagen. Jesus will uns helfen, die richtigen Maßstäbe zu finden. Er weiß, dass wir manche Dinge besonders befürchten. Er kennt unsere verborgenen Ängste, über die wir uns kaum zu reden trauen, ja die wir uns selber nicht eingestehen.
Heutige Befürchtungen? Sicher zunehmend die Angst vor Terror. Dieses Thema ist in den Medien allgegenwärtig. Die Migration, das Thema Flüchtlinge bewegt ganz Europa. Die wirtschaftliche Entwicklung ist für viele Grund zur Zukunftssorge. Furcht macht vor allem das Gefühl der Bedrohung und die Unfähigkeit, die Bedrohung abzuwenden. So haben wir oft den Eindruck, wehrlos den Mächten der Politik und der Wirtschaft ausgeliefert zu sein.
Ich glaube, dass noch tiefer die Befürchtungen sitzen, die uns persönlich treffen. Die Angst, nicht angenommen zu sein, es nicht zu schaffen, was der Alltag uns abfordert. Die Angst, die zu verlieren, die uns lieb sind. Und wohl am tiefsten die Furcht, von Gott abgelehnt zu sein, vor ihm nichts zu gelten.
Drei Befürchtungen nennt Jesus: Die erste: Nichts ist verborgen, was nicht bekannt wird. Niemand wünscht sich, dass alles über Ihn bekannt wird. Jeder hütet sein Verborgenstes. Es gibt eine Privatsphäre, die wir zu Recht bewahrt und nicht „von den Dächern“ verkündet wissen wollen. Aber Jesus spricht hier von einer anderen Furcht: die Angst, zu dem zu stehen, was wir glauben und wovon wir überzeugt sind. Er meint, die Feigheit für die Wahrheit einzutreten, wenn sie unangenehm ist und mir vielleicht Nachteile bringt. Jesus will, dass wir den Mut haben, für den Glauben einzustehen, ihn nicht verschämt zu verstecken, wo wir ihn doch ehrlich und offen bekennen sollten. Die Menschenfurcht hindert uns allzu oft, von unserem Glauben „am hellen Tag“ zu reden, und ihn nicht nur „ins Ohr zu flüstern“.
Die zweite Furcht schließt an der ersten an. In vielen Teilen der Welt ist es heute höchst gefährlich, sich zum christlichen Glauben zu bekennen. Das kann einem das Leben kosten. „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten können.“ Die Sorge um den Leib treibt uns heute heftig um. „Das Wichtigste ist die Gesundheit“, wird so oft gesagt. Und immer antworte ich: das zweitwichtigste! Denn was nützt die beste Gesundheit, wenn deine Seele voller Bosheit ist? Es gibt schwerkranke Menschen, die großartige Vorbilder sind. Und es gibt kerngesunde Menschen, die sich wie üble Schufte benehmen. Jesus sagt deshalb sehr krass und direkt: Nur die Hölle sollen wir fürchten. Der leibliche Tod ist nicht das größte Übel. Viel schlimm ist die seelische Verwilderung, ja der Tod der Seele.
Die dritte Furcht ist weit verbreitet und ein großes Leid: Wenn jemand sich für wertlos hält. Viele empfinden sich als nicht liebenswert, fühlen sich nicht gemocht und geschätzt. Ihnen sagt Jesus: Gott kümmert sich sogar um die Spatzen! „Fürchtet euch nicht! Ihr seid mehr wert als viele Spatzen!“
Viele Ängste begleiten uns durchs ganze Leben. Wir dürfen sie ehrlich anschauen und sie uns eingestehen. Jesus sagt uns nicht: Es wird euch nichts passieren! Sondern: Ihr seid vor Gott wertvoll. Also fürchtet euch nicht!
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Aposteln: Fürchtet euch nicht vor den Menschen! Denn nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt wird, und nichts ist verborgen, was nicht bekannt wird. Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet am hellen Tag, und was man euch ins Ohr flüstert, das verkündet von den Dächern. Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet euch vor dem, der Seele und Leib ins Verderben der Hölle stürzen kann. Verkauft man nicht zwei Spatzen für ein paar Pfennig? Und doch fällt keiner von ihnen zur Erde ohne den Willen eures Vaters. Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Fürchtet euch also nicht! Ihr seid mehr wert als viele Spatzen. Wer sich nun vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen.
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