In seinem jüngsten Buch "Gott denken" verteidigt der Berliner Philosoph Holm Tetens den Gottesgedanken philosophisch - Vortrag auf Einladung der Katholisch-Theologischen Fakultät
Es ist ein kleines, unspektakuläres Reclam-Heftchen, keine hundert Seiten stark, und doch birgt es Spektakuläres: Den Gedanken, Gott philosophisch wieder ruchbar zu machen.
Unter dem Titel "Gott denken" hat der emeritierte Berliner Philosoph Holm Tetens diesen "Versuch über rationale Theologie" vorgelegt und damit offenbar einen Nerv getroffen. Denn seither wird sein erfrischender Zugang zum Gottesgedanken theologisch wie philosophisch intensiv diskutiert, er ist gefragter Referent und Interviewpartner.
Am kommenden Donnerstag, 1. Juni, wird Tetens seine Gedanken nun auch an der Universität Wien entfalten. Dort referiert er auf Einladung des Instituts für Christliche Philosophie zum Thema: "Gott als Antwort auf Fragen, die wir nicht loswerden" (Beginn: 16.45 Uhr, Hörsaal 47).
Die zentrale These des Philosophen lautet, dass sich der philosophische, klassische Vorwurf, der Gottesgedanke sei eine bloße Ausgeburt von Wünschen, bei genauerer Betrachtung als haltlos erweist.
Die Tatsache, dass "der Gottesgedanke auf die Welt und das menschliche Leben ein hoffnungsfrohes Licht wirft" mache ihn nicht etwa verdächtig, führte Tetens dazu bei einem Vortrag beim letztjährigen "Philosophicum Lech" aus, vielmehr sei dies "eine wirkliche Stärke des Gottesgedankens". Tatsächlich nämlich sage die Kritik, dass eine Idee wie die Gottesidee nur den menschlichen Wünschen entspringe, noch nichts Substanzielles darüber aus, ob der Gottesgedanke denn nun wahr oder falsch ist.
Als Türöffner für den Gottesgedanken in der modernen Philosophie wählt Tetens eine Kritik des aktuell wohl gängigsten philosophischen Weltzugangs: den Naturalismus, dessen Kernsatz lautet, dass es nur das gibt, was sich durch Erfahrung, insbesondere durch wissenschaftliche Erfahrung, erfassen, beschreiben und erklären lässt. In diesem Horizont mutet der Gottesgedanke in der Tat wie ein "überflüssiger Fremdkörper" an. Doch die Sache mit dem Naturalismus habe einen Haken, so Tetens weiter. Schließlich behauptet der Naturalist ja bloß, dass es nur die Erfahrungswelt gibt - beweisen kann er es nicht. Der Kernsatz des Naturalismus gehe somit eigentlich "über das hinaus, was Erfahrung und wissenschaftliche Erfahrung uns lehren kann".
Tetens dazu beim "Philosophicum Lech" wörtlich: "Machen wir es kurz und schmerzlos: Der Kernsatz des Naturalismus ist ein metaphysischer Satz, und damit ist der Naturalismus keine nicht-metaphysische Weltauffassung.
Dass wir im vermeintlich nachmetaphysischen Zeitalter leben, diese Selbststilisierung und Selbstkommentierung ist die etwas schamhaft sich gebärdende und verbergende Metaphysik in unserer kulturellen geistigen Situation." Aus dieser Feststellung folge laut Tetens nicht weniger als die philosophische Renaissance der Gottesfrage: "Jemand, der am philosophischen Gottesgedanken festhalten will, kann das tun, ohne sich in Widerspruch setzen zu müssen zu irgendeinem Ergebnis der Wissenschaften".
Holm Tetens
Ein Versuch über rationale Theologie (Was bedeutet das alles?)
2015, Reclam, Philipp
Auflage: Originalausg.
Taschenbuch
96 Seiten
ISBN: 978-3-15-019295-5
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Interviews mit dem Berliner Philosophen Holm Tetens (FU Berlin) im Rahmen der religionsphilosophischen Meisterklasse der Hochschule für Philosophie in Zusammenarbeit mit der Katholischen Akademie in Bayern. Das Thema war Holm Tetens 2015 erschienenes Buch "Gott denken. Ein Versuch über rationale Theologie".