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05.06.2021 · Kardinal · Gedanken zum Evangelium

Der umstrittene Jesus

Es gibt eine Verwandtschaft, die tiefer ist als alle Blutsbande: die Verbundenheit im Glauben. Sie schafft eine Nähe, die in der eigenen Familie oft nicht zu finden ist.

Gedanken zum Evangelium, von Kardinal Christoph Schönborn, am Sonntag, 6. Juni 2021 (Markus 3,20-35).

Von Anfang an gab es Streit um Jesus. Bis heute ist es so. Und es wird wohl auch in Zukunft so bleiben. Der Gründer der größten Religionsgemeinschaft der Welt hat viel Licht gebracht, aber auch Konflikte, bis hin zu Kriegen. Es ist ihm schon in die Wiege gelegt worden, dass es um ihn Auseinandersetzungen geben wird. Vierzig Tage nach seiner Geburt, als die Eltern ihn in den Tempel in Jerusalem brachten, hat der alte Simeon über dieses Kind prophezeit: „Er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird.“

 

Warum hat Jesus von Anfang an so unterschiedliche Reaktionen ausgelöst? Lag das an ihm? Oder hat er durch seine Art, sein Wort, sein Tun die Menschen herausgefordert? Hat er sie überfordert, sodass ihn viele deshalb abgelehnt haben? Das heutige Evangelium zeigt wie in einem Vergrößerungsglas einige Punkte, an denen sich der Konflikt um Jesus entzünden konnte. Es macht aber auch deutlich, warum damals Menschen sich ihm angeschlossen haben. Die Gründe, ihm zu folgen, ihm zu vertrauen, sind bis heute im Grunde dieselben geblieben.

 

Erstaunlicherweise regt sich der erste Widerspruch gegen Jesus in seiner eigenen Familie. Dem Evangelisten Markus verdanken wir die kleine Notiz, die aufhorchen lässt. Jesus hat seit kurzer Zeit Nazareth, seine Familie und seinen Beruf liegen und stehen lassen. In Kapharnaum am See Genesareth hat er sein neues Quartier, von wo aus er durch die Gegend zieht und immer größere Menschenscharen anzieht. Ein Kreis von begeisterten Anhängern sammelt sich um ihn. Die Familie ist besorgt. Einige machen sich auf den Weg, „um ihn mit Gewalt zurückzuholen; denn sie sagten: Er ist von Sinnen.“

 

Bis heute kann der Glauben an Jesus Familien spalten. Wenn junge Leute gläubig werden, Jesus nachfolgen wollen, kommt es nicht selten zu heftigen Konflikten. Sie gelten als „nicht normal“. Man will sie unbedingt davon abbringen, sie auf den „vernünftigen Weg“ zurückholen. Mich berührt es zu sehen, dass die Verwandten Jesu mit der Zeit zu seinen treuen Anhängern wurden.

 

Ganz anders war es mit der „Religionsbehörde“ in Jerusalem. Sie hörten von diesem Prediger in Galiläa, der Wunder wirken und Dämonen austreiben soll. Sie gehen aufs Ganze und halten ihn für einen Besessenen. Bald wird es schon zum Beschluss kommen, dass Jesus umgebracht gehört. Für seine Argumente sind sie unzugänglich. Sie sehen, dass Jesus so viel Gutes wirkt, Kranke heilt und Menschen aus der Bedrängnis des Bösen befreit. Aber ihre Herzen bleiben hart. Sie sehen in Jesus einen Störenfried, der sich nicht an die Regeln und Gesetze hält, wie sie sie verstehen. Seine Barmherzigkeit geht ihnen zu weit. Sie fürchten, dass seine Liebe zu den Sündern die Moral untergräbt. Diese Herzenshärte nennt Jesus „die Sünde gegen den Heiligen Geist“. Wer sein Herz gegen die Barmherzigkeit Gottes verschließt, macht selber die Tür der Vergebung zu.

 

Nocheinmal zeigt das Evangelium die Familie Jesu. Sie wollen ihn sehen und sprechen. Aber Jesus ist umringt von vielen Menschen. Statt aufzustehen und seine Mutter zu begrüßen, sagt er fast provokant: Wer ist meine Familie? Und antwortet selber: Alle, die den Willen Gottes tun! Es gibt eine Verwandtschaft, die tiefer ist als alle Blutsbande: die Verbundenheit im Glauben. Sie schafft eine Nähe, die in der eigenen Familie oft nicht zu finden ist. Es wundert mich nicht, dass der Streit um Jesus und den Glauben an ihn bis heute andauert.

erstellt von: Kardinal Christoph Schönborn
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Markus 3,20-35

Jesus ging in ein Haus und wieder kamen so viele Menschen zusammen, dass sie nicht einmal mehr essen konnten. Als seine Angehörigen davon hörten, machten sie sich auf den Weg, um ihn mit Gewalt zurückzuholen; denn sie sagten: Er ist von Sinnen. Die Schriftgelehrten, die von Jerusalem herabgekommen waren, sagten: Er ist von Beelzebul besessen; mit Hilfe des Herrschers der Dämonen treibt er die Dämonen aus. Da rief er sie zu sich und belehrte sie in Gleichnissen: Wie kann der Satan den Satan austreiben? Wenn ein Reich in sich gespalten ist, kann es keinen Bestand haben. Wenn eine Familie in sich gespalten ist, kann sie keinen Bestand haben. Und wenn sich der Satan gegen sich selbst erhebt und gespalten ist, kann er keinen Bestand haben, sondern es ist um ihn geschehen. Es kann aber auch keiner in das Haus des Starken eindringen und ihm den Hausrat rauben, wenn er nicht zuerst den Starken fesselt; erst dann kann er sein Haus plündern. Amen, ich sage euch: Alle Vergehen und Lästerungen werden den Menschen vergeben werden, so viel sie auch lästern mögen; wer aber den Heiligen Geist lästert, der findet in Ewigkeit keine Vergebung, sondern seine Sünde wird ewig an ihm haften. Sie hatten nämlich gesagt: Er hat einen unreinen Geist. Da kamen seine Mutter und seine Brüder; sie blieben draußen stehen und ließen ihn herausrufen. Es saßen viele Leute um ihn herum und man sagte zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und suchen dich. Er erwiderte: Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Und er blickte auf die Menschen, die im Kreis um ihn herumsaßen, und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.


Gedanken zum Evangelium von Kardinal Christoph Schönborn

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Einsame Weihnacht

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Die gemeinsamen Feierhefte für das Fest der Weihe und Amtseinführung unseres neuen Erzbischofs können ab Anfang Januar bestellt werden.

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