Diözesanreformen gibt es auch in Salzburg, Linz und Eisenstadt.
Egal ob sie nun "Pfarrverbände" oder "Seelsorgeräume" heißen - Maßstab für die derzeit in Österreichs Diözesen geplanten oder bereits durchgeführten Reformprozesse ist oft, "was ein Priester schafft". Zu diesem Urteil kommt der Mitarbeiter des Salzburger Seelsorgeamtes und Fachmann für kirchliche Organisationsentwicklung, Sebastian Schneider, beim Blick auf die laufenden Bemühungen der Diözesen, sich strukturell "zukunftsfit" zu machen. Ähnlich urteilt der Generalsekretär des Österreichischen Pastoralinstituts (ÖPI), Walter Krieger, der im deutschsprachigen Raum weder "Patentrezepte" noch "Vorzeigediözesen" für kirchliche Strukturreformen sieht.
Laut Schneider sei auffallend, dass strukturelle Neuerungen kaum wo flächendeckend in der katholischen Kirche Österreichs Platz greifen: Die z.B. in der Erzdiözese Wien für manche Stadtbezirke beschlossenen Reformen seien in anderen Bezirken weitgehend unbekannt. Generell seien regionale Unterschiede und sogar das Berücksichtigen pfarrlicher Besonderheiten üblich, so Schneider.
Für seine eigene Ortskirche - die Erzdiözese Salzburg - sieht der Kirchenfachmann mit den bereits vor einigen Jahren eingeführten Pfarrverbänden das Bemühen, durch den Priestermangel verursachte "Löcher zu stopfen". Dieser Zusammenschluss mehrerer benachbarter Pfarren, die alle selbstständig bleiben, wird von der Erzdiözese selbst als "keine Ideallösung" gesehen, wie es auf ihrer Website www.kirchen.net heißt, sondern als "ehrlicher Versuch, in angemessener Weise auf die gesellschaftlichen und kirchlichen Veränderungen, die personelle Situation und die begrenzten finanziellen Mittel zu reagieren".
Um mit begrenzten Personalressourcen zurechtzukommen, werden einerseits Seelsorge-Teams gebildet wie in der Diözese Feldkirch, in denen mehrere Priester eines "Seelsorgeraums" kooperieren, andererseits verstärkt kompetente Laien in die Verantwortung miteinbezogen. Sebastian Schneider verweist dabei auf das Salzburger Pfarrassistentenmodell in Gemeinden ohne Pfarrer vor Ort oder das in der Diözese Linz übliche Modell "Leitung von Pfarrgemeinden durch Beteiligung von Ehrenamtlichen in Zusammenarbeit mit einem Priester".
In Wien und zuletzt auch in Eisenstadt setzt man verstärkt auf "kleine christliche Gemeinschaften": Hierbei wird gemäß der Kirchenvision des Konzils vom wandernden Gottesvolk jede und jeder Getaufte und Gefirmte als Träger des Heiligen Geistes und als berufener Teil dieser Kirche betrachtet. Die nachbarschaftlich organisierten Gruppen von Christen bilden dabei eine Substruktur innerhalb einer Pfarre. Schneider dazu warnend: Was etwa im Weinviertel aufgrund der dort überschaubaren Pfarrgrößen passt, könnte im großstädtisch pluralistischen "Supermarkt der Möglichkeiten" zu unscheinbar, ja "unsichtbar" geraten. Wenn Gruppen zu "kleinkariert" wirkten, könnten sie keine Strahlkraft in die Gesellschaft entwickeln, so Schneider.
Eine weitere Herausforderung für den Großstadtbereich: Änderungen in der Bevölkerungsstruktur machen Christen in manchen Bezirken zur Minderheit, manche Pfarren müssten aufgegeben werden. Und das müsse gut begleitet sein, da die auch räumliche Zugehörigkeit eine Frage christlicher Identität sei und Konflikte drohten, wie Schneider hinwies.
Lösungsversuche durch den verstärkten Einsatz ausländischer Priester wiederum würden die Gefahr von Kultur- und Mentalitätsunterschieden bergen, die manchmal kaum überwindbar erscheinen. Die Erfahrung zeige, dass die "Leute wegbrechen", wenn sich etwa im Gottesdienst Verständigungsschwierigkeiten häufen.
Hoffnungen auf eine Trendwende beim derzeit mangelnden einheimischen Priesternachwuchs sollten laut dem Salzburger Fachmann realistisch bleiben; die Erwartungen der Verantwortungsträger an die Berufungspastoral seien oft zu hochgeschraubt.
Schneider selbst setzt auf Kompetenz in der Gestaltung von Veränderungsprozessen. Als Mitarbeiter des Seelsorgeamtsbereiches "Organisationsentwicklung - Gemeindeberatung in der Kirche" bietet er regelmäßig Tagungen über "Seelsorge(t)räume" an, bei denen sich Verantwortliche und Organisationen als Ganze begleiten und beraten lassen. "Innerkirchliche Beratungseinrichtungen sind nicht mehr wegzudenken", weiß Schneider, Flexibilität sei dabei unerlässlich bei Leitfragen wie: Welches Angebot ist hilfreich für die jeweilige Situation? Welche Chancen stecken in der Gemeindeberatung, in der Supervision, im Coaching oder in der geistlichen Begleitung? Was sind die Erfolgsfaktoren, wie kann das Veränderungspotenzial gefördert werden? Der Blick auf Best-practice-Modelle über eigenen Grenzen hinaus sei für die Kirchenentwicklung in Diözesen und Pfarrgemeinden befruchtend, erklärte Schneider.
der Pastoralexperte Walter Krieger vom ÖPI betonte dazu im Gespräch mit "Kathpress", es gebe im deutschen Sprachraum keine "Vorzeigediözese" und auch keine "Patentrezepte". Denn "niemand weiß, wie es geht", und was dort passt, könne woanders fehl am Platz sein. Derzeit gebe es viele verschiedene Ansätze, allein in Linz vier Leitungsmodelle, so Krieger. Er staune darüber, "wie individuell die Situation vor Ort betrachtet wird".
Zuständig sind jedenfalls die Diözesanbischöfe, denen die Sorge für das "Heil der Seelen" aufgetragen ist - danach sind Strukturen auszurichten, sagte Krieger. Auch der Befund darüber, ob der für Laiengemeindeleitung erforderliche "Notstand" gegeben ist, obliege den Bischöfen. Der ÖPI-Generalsekretär erinnerte an das Kirchenrecht (can. 517 § 2 CIC), wonach per Dekret "ein Diakon oder eine andere Person, die nicht die Priesterweihe empfangen hat, oder eine Gemeinschaft von Personen an der Wahrnehmung der Seelsorgsaufgaben einer Pfarrei" beteiligt werden kann.