81 Jahre THEOLOGISCHE KURSE am 30.September 2021 in der Donaucitykirche.
81 Jahre THEOLOGISCHE KURSE am 30.September 2021 in der Donaucitykirche.
Festakt zu 81 Jahre THEOLOGISCHE KURSE in Wiener Donaucitykirche. Theologe Siebenrock: „Ohne Bildung und Verstehen kein Glaube.“ Vize-Rektorin Schnabl ortet die Herausforderung: die interessiert Fragende anspreche, ohne sie religiös zu vereinnahmen. Altbundespräsident Fischer: „Es gilt die Unwissenden und Unerreichbaren zu erreichen.“
„81 Jahre und kein bisschen alt“ unter diesem Motto feierten die Wiener „Theologischen Kurse“ am 30. September in der Donaucitykirche ihr coronabedingt verschobenes 80 Jahr-Jubiläum. Schon der gewählte Ort habe mit der Grundidee für diesen Abend zu tun, der aus dem „Zentrum am Stephansplatz hinausführe“ und bereits „aufgrund seiner Architektur eine eher egalitär-gleichberechtigte als eine hierarchische Versammlung ermöglicht, in dem wir alle gleichermaßen Gäste sind“, erklärte Ingrid Fischer aus dem Team der THEOLOGISCHEN KURSE. Ausdrücklich erbeten waren an diesem Abend Sichtweisen von außen auf die Institution und künftige Aufgaben theologischer Erwachsenenbildung.
Eingeleitet wurde die Feier mit kurzen „Perspektiven der Hoffnung“, vorgetragen von Gästen aus unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Traditionen. So formulierte etwa die Philosophin und Muslima Amani Abuzahra in Hoffnung zu leben heiße,“ in Zuversicht zu handeln, ohne zu wissen, wie dies ausgeht.“ „Eine Hoffnungsgeschichte, in der erzählt wird, wie wir Menschen gemeinsam mit allem Lebendigen und auch – in zunehmenden Maße – Nicht-Lebendigen gut und friedlich zusammenleben können, die in möglichst vielen verschiedenen Sprachen weitererzählt wird“ wünschte sich die agnostische Philosophin Karoline Feyertag. Ihre Hoffnung richte sich daher „auf eine Transzendenz zwischenmenschlicher Grenzen in der Immanenz unserer einen Welt, deren beste Variante möglich bleibt.“
Erhard Lesacher, Leiter der THEOLOGISCHEN KURSE, gab eingangs einen kurzen Überblick über die vergangenen 81 Jahre Geschichte seines Instituts. Zwischen 80 und 81 hätten sich „die TheologischeN Kurse einmal mehr als jung und beweglich erwiesen: Aus der pandemiebedingten Not online arbeiten zu müssen, hat sich innerhalb kürzester Zeit eine neue Angebotsschiene entwickelt.“ Heuer starten Lesacher zufolge der 81. Präsenzkurs in Wien, der 71. Fernkurs und erstmals der „Theologische Kurs Online“.
„Was können andere von uns erwarten?“ Mit dieser Frage eröffnete der Innsbrucker Dogmatiker Roman Siebenrock sein Hauptreferat. Mit der Coronakrise, so zeigte er sich überzeugt, sei „die Hoffnung auf die Kontingenzbesiegung zu Ende gegangen“. Das Christentum habe eine ambivalente und „nicht widerspruchslose“ Antwort.
Ohne Bildung und ohne Verstehen sei Glaube nicht möglich. Dabei sei Theologie wohl die einzige Wissenschaft, die radikal scheitern könne. Katholizität nach Siebenrock sei keine konfessionelle Bestimmung, sondern die Grundhaltung, Vernunft und Glauben zusammenzubringen, ohne, dass das notwendigerweise ein akademisches Niveau voraussetze. Jede vernünftige Auseinandersetzung mit dem Glauben berge immer auch die Möglichkeit, diesen zu verlieren. Theologie als Wissenschaft operiert mit Nichtwissen, so Siebenrock.
Glaube habe folglich nichts mit einem Anspruch auf Wahrheitsbesitz zu tun. Katholizität definiert der Dogmatiker als Haltung des Dialogs und Gesprächs zwischen einzelnen „Schulen“, wie das auch in der jüdischen Tradition zu finden sei. Wir reflektieren im Glauben, was in der Hoffnung dynamisch und in der Liebe wirksam wird, so Siebenrocks Schluss.
Die Vizerektorin der Universität Wien Prof. Christa Schnabl, selbst lange Jahre Mitarbeiterin und Lehrende bei den Theologischen Kursen, ortete die Virulenz klassischer religiöser Fragestellungen, auch in nicht-theologischen Disziplinen, wie etwa der Soziologie bei gleichzeitig zunehmender „religiöser Sprachlosigkeit“ unter Studierenden. Das fordere die Theologie heraus, „Sprachformen zu finden, die interessiert Fragende anspreche“, ohne sie zu vereinnahmen. Die Universität insgesamt werde sich ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft immer mehr bewusst. Was im universitären Betrieb als „Third Mission“ der Wissenschaft formuliert wird, habe die Theologie längst vorausgenommen.
Die THEOLOGISCHEN KURSE würdigte Schnabl als Vorreiter im Bereich Erwachsenenbildung. Dabei gehe es darum, Wissen zu teilen, wobei dieser Vorgang nicht „einspurig“, sondern im kritischen Austausch erfolgt. Die THEOLOGISCHEN KURSE seien eine wichtige Schnittstelle zwischen theologischer Forschung und Kirche wie Gesellschaft – ein Ort, wo Theologie relevant wird.
Für die Zukunft der Universität sieht sie die Herausforderung, nicht nur neue Formate, Themen und Zielgruppen zu finden. Der Wissenstransfer der Zukunft werde in diskursiven, kritischen Auseinandersetzungen stattfinden.
In einer Außensicht auf die Kirche diagnostizierte der Journalist Hans Rauscher (Der Standard), dass kirchliche Konflikte zwar Schlagzeilen machen, die Fragen der zunehmenden Irrelevanz von Glaube und der weitgehende Schwund von Basiswissen über religiöse Inhalte von der Kirche zu wenig reflektiert werden. Das Grundbedürfnis nach Spiritualität sei zwar unbestritten vorhanden. Er nehme in der katholischen Kirche allerdings zu wenige „Gurus“ und zu wenig Engagement, „ihre spannenden Geschichten unter die Leute zu bringen“, wahr. Den THEOLOGISCHEN KURSEN, besonders auch der AKADEMIE am DOM, zollte Rauscher dagegen Anerkennung. Dort finde er relevante und ansprechende Inhalte, riet aber zu besserem „Marketing“ und Strategien, die Inhalte einem größeren Publikum zu öffnen.
Altbundespräsident Dr. Heinz Fischer, der sich an der abschließenden Podiumsdiskussion beteiligte, hob die bemerkenswerte Gründungsgeschichte der THEOLOGISCHEN KURSE unter den widrigen Umständen des Zweiten Weltkrieges und der NS- Herrschaft hervor. Die Kirchen in Österreich seien nach dem Krieg, auch durch ihren Rückzug aus der Tagespolitik besonders durch Kardinal König, zu einer anerkannten moralischen Instanz und zur Verbündeten geworden, etwa im aktuellen Engagement für Flüchtlinge und Asylsuchende. Hans Rauscher schloss sich dieser Einschätzung an und sprach von der humanitären Grundierung der Kirche, aus der sie „mehr Kapital schlagen könne“. In Richtung der THEOLOGISCHEN KURSE und der Bildung wünsche er sich die kritische Auseinandersetzung mit fundamentalen Fragen und zugleich die Vermittlung von grundsätzlichem religiösen Wissen, dessen „langsames Verdunsten“ er bedauert.
Roman Siebenrock hob den Beitrag von Philosophie und Theologie hervor, die in einer Informationsgesellschaft „das Ganze in der Welt in den Blick nehme“. Das Grundthema der Theologie charakterisierte er als universal. Noch bestehe hierzulande allerdings die Versuchung eines weltdeutenden „Platzhirschentums“ im „langen Schatten der Habsburger“. Die THEOLOGISCHEN KURSE hätten dabei die Aufgabe, noch mehr zu eröffnen, was es heiße, zu glauben, ohne das konfessionalistisch zu verstehen. Im Blick auf die katholische Kirche habe er persönlich den Eindruck, „alles fliege auseinander“. Auch der derzeitige Papst hätte es bislang vermieden grundsätzliche Weichenstellungen vorzunehmen, hinter die niemand mehr zurückkönne.
Dieser Sicht widersprachen sowohl Heinz Fischer als auch Hans Rauscher. Fischer zeigte sich zuversichtlich, dass die Kirche, die in ihrer Geschichte schon größere Krisen gemeistert habe, auch die gegenwärtigen Herausforderungen bewältige. Auch Rauscher sieht in der drohenden Irrelevanz des Glaubens eine größere Gefahr als die Spaltungstendenzen innerhalb der Kirche.
Angesprochen auf die „Ökonomisierung von Bildung“ hob Christa Schnabl, den österreichischen Grundkonsens des freien Zugangs zu Bildung hervor, der auch auf weitere Sicht gesellschaftlich außer Frage stehe. Das Thema bleibe aber gesellschaftsrelevant, wieviel Bildung sich eine Gesellschaft, auch die Kirche, leisten wolle.
Abschließende Worte fand Heinz Fischer. Er sei überzeugt und finde es tröstlich, dass es nicht nur das physikalische Gesetz der „Erhaltung von Energie“ gebe, sondern auch ein Gesetz der „Erhaltung von geistiger Energie“. Nicht alles, was gedacht und errungen werde, gehe immer sofort auf, aber ähnlich, wie es Amani Abuzahra am Anfang formuliert habe, gehe oft nach Jahrzehnten auf, was andere zuvor gedacht und erarbeitet haben. „Engagement in Sachen Humanität, Philosophie und Religion hat Wirkung, auch wenn man sie nicht unmittelbar sieht“, schloss der Altbundespräsident die Podiumsdiskussion.
Das Kernangebot der THEOLOGISCHEN KURSE ist seit 81 Jahren der zweijährige Theologische Kurs, der – orientiert an den Fächern des universitären Theologiestudiums – eine umfassende Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben bietet. Er kann als Präsenzkurs in Wien am Stephansplatz oder als Fernkurs mit Studienwochen oder Studienwochenenden sowie neuerdings auch online besucht werden.
Ab 2004 wurden neue Angebotsschienen neben dem Theologischen Kurs entwickelt: kompakte Spezialkurse u. a. zu Weltreligionen, Spiritualität, Kulturgeschichte, Kunst & Theologie, christlicher Archäologie sowie Studienreisen; sie erreichen nun auch Personen, die nicht direkt an Theologie interessiert sind. Aus dem breiten seinerzeitigen THEMA-Angebot an Einzel-Veranstaltungen, die über den Bereich der Theologie hinausgehen, entstand 2017 die AKADEMIE am DOM. Sie macht das Angebot noch deutlicher nach außen hin wahrnehmbar und legt den Akzent verstärkt auf interdisziplinäre Veranstaltungen im Dialog mit Wissenschaft, Politik, Religion, Kunst und Kultur.