"'Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr.' Das ist eine Provokation! Jesus geht hier zu weit! So stelle ich mir zunächst die Reaktion derer vor, denen Jesus diese Worte an den Kopf wirft", so Kardinal Schönborn.
"'Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr.' Das ist eine Provokation! Jesus geht hier zu weit! So stelle ich mir zunächst die Reaktion derer vor, denen Jesus diese Worte an den Kopf wirft", so Kardinal Schönborn.
Gedanken zum Evangelium von Kardinal Christoph Schönborn, am Sonntag, 28. September 2014. (Matthäus 21,28-32)
"Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr." Das ist eine Provokation! Jesus geht hier zu weit! So stelle ich mir zunächst die Reaktion derer vor, denen Jesus diese Worte an den Kopf wirft. Denn er sagt doch den religiösen Obrigkeiten schlicht und einfach: Die Prostituierten werden am Himmelstor besser dastehen als ihr! Die Steuereintreiber, die so verhassten und gefürchteten, die sich auf Kosten der kleinen Leute bereichert haben, kommen noch vor euch, den Extrafrommen, in das Reich Gottes! Das ist reichlich provozierend. Kein Wunder, dass Jesus sich mit solchen Ansagen keine Freunde machte. Stellt Jesus jede gute Ordnung auf den Kopf? Lobt er die Prostitution? Segnet er das damalige Steuersystem ab? Steuernzahlen war nie besonders angenehm. Und Steuerbeamte erfreuen sich nicht gerade der größten Beliebtheit. Aber das Steuersystem zur Zeit Jesu war unvergleichlich ungerechter als unser heutiges, weshalb die "Zöllner", das heißt die Steuerpächter, die die Steuer für den Kaiser eintreiben mussten, als besonders verachtete Sünder galten. Jesus nennt sie in einem Atemzug mit den Prostituierten. In dieser sprichwörtlichen Gleichstellung kommt deutlich zum Ausdruck, was die Leute damals von den Steuerbeamten hielten.
Und diese beiden Gruppen sollen vor Gott besser dastehen als die Religionsführer in der heiligen Stadt Jerusalem? Keine Frage, Jesus provoziert mit solchen Worten. Aber er tut es nicht aus Lust an der Provokation. Er spricht ganz reale und schmerzliche Erfahrungen an. Er erinnert seine Zuhörer an Johannes den Täufer. Wer hat sich von seinen Worten berühren lassen? Wer hat auf seine Aufrufe zur Umkehr gehört? Nicht die „Frommen“ und die Obergescheiten, sondern die Verachteten, die "Sünder". "Die Zöllner und die Dirnen haben ihm geglaubt." Sie haben sich von ihm sagen lassen, dass ihr Leben nicht in Ordnung ist. Sie haben seine Worte angenommen, weil sie gespürt und gewusst haben, dass sie in ihrem Leben etwas ändern sollten. Den "frommen" Obrigkeiten aber hält Jesus entgegen: "Ihr habt gesehen, wie die Zöllner und Dirnen Johannes geglaubt haben, und doch habt ihr nicht bereut und ihm nicht geglaubt."
Mit dem kleinen Gleichnis von den beiden Söhnen bringt Jesus die Sache auf den Punkt: Der eine sagt "Ja", tut aber nichts. Der andere sagt "Nein", bereut dann aber sein Nein und tut doch, worum der Vater ihn gebeten hat. Im Klartext: Ihr redet, macht fromme Sprüche, aber ihr lebt nicht danach! Ihr seid Leute der Worte und nicht der Taten. Wer ist am Ende besser dran: die Ja-Sager, die es nicht tun – oder die Nein-Sager, die es dann doch tun?
Zwei Mal kommt im heutigen Evangelim das Schlüsselwort vor. Um das, und nur um das geht es Jesus: das Wort "bereuen". Um die Reue geht es. Nicht einfach um ein schnelles "Tut mir leid!" Auf eine tiefere Haltung weist Jesus hin. Der zweite Sohn sagt dem Vater: "Ich will nicht!" Dieses Nein bereut er später. Nicht aus Angst vor dem Vater, sondern weil er sich ihm gegenüber schäbig verhalten hat. Die Zöllner und Dirnen haben ihr Verhalten bereut, nicht weil sie Angst vor Strafe hatten, sondern weil sie im Herzen gespürt haben, dass ihr Leben nicht in Ordnung war. Was aber kann Jesus bei Menschen ausrichten, die sich selber für völlig in Ordnung und nur die anderen als "ganz daneben" betrachten? Seine Frage an jeden: Hast du gar nichts zu bereuen?
In jener Zeit sprach Jesus zu den Hohenpriestern und den Ältesten des Volkes: Was meint ihr? Ein Mann hatte zwei Söhne. Er ging zum ersten und sagte: Mein Sohn, geh und arbeite heute im Weinberg! Er antwortete: Ja, Herr!, ging aber nicht. Da wandte er sich an den zweiten Sohn und sagte zu ihm dasselbe. Dieser antwortete: Ich will nicht. Später aber reute es ihn, und er ging doch.
Wer von den beiden hat den Willen seines Vaters erfüllt? Sie antworteten: Der zweite. Da sagte Jesus zu ihnen: Amen, das sage ich euch: Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr. Denn Johannes ist gekommen, um euch den Weg der Gerechtigkeit zu zeigen, und ihr habt ihm nicht geglaubt; aber die Zöllner und die Dirnen haben ihm geglaubt. Ihr habt es gesehen, und doch habt ihr nicht bereut und ihm nicht geglaubt.