Der Weinberg ist die Kirche. Bringt er die Frucht, die Gott sich von ihr erwartet?
Der Weinberg ist die Kirche. Bringt er die Frucht, die Gott sich von ihr erwartet?
Gedanken zum Evangelium von Kardinal Christoph Schönborn, am Sonntag, 5. Oktober 2014. (Matthäus 21,33-44)
Die Liebe zum eigenen Weinberg! Viele Menschen in unserem Land verstehen das. Es ist eine schöne, befriedigende Arbeit, den eigenen Weingarten zu hegen und zu pflegen. Die Bibel kennt diese Liebe und spricht oft davon. Heute zum Beispiel wird im Gottesdienst eine Stelle aus dem Propheten Jesaja gelesen. Es heißt da: „Ich will ein Lied singen von meinem geliebten Freund, ein Lied vom Weinberg meines Liebsten. Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fruchtbaren Höhe. Er grub ihn um und entfernte die Steine und bepflanzte ihn mit den edelsten Reben. Dann hoffte er, dass der Weinberg Trauben brächte, doch er brachte nur saure Trauben."
An diesem Bild knüpft Jesus an. Es bekommt aber bei ihm eine viel dramatischere Wendung. Es wird ein Geschehen voller Grausamkeit und Gewalt. Die Winzer, die Weinbergpächter verhalten sich wie rücksichtslose Verbrecher. Sie verprügeln, ja sie töten die Knechte des Weinbergbesitzers. Als dieser schließlich seinen eigenen Sohn schickt, um den ihm zustehenden Anteil der Ernte abzuholen, bringen sie sogar ihn um.
Jesu Zuhörer haben verstanden: Von ihnen ist die Rede! Angesprochen ist das Volk, zu dem Jesus sich gesandt weiß: seines, das jüdische Volk. Und um die Ablehnung Jesu durch sein Volk geht es. Gott hat es als seinen geliebten Weinberg gepflanzt. Doch statt süßer Trauben brachte es ihm nur saure Beeren. Gott sandte ihm seine Knechte, das heißt die Propheten. Doch statt auf sie zu hören, wurden sie verachtet und getötet. Und nun ist das Maß voll: Jesus selber, der Sohn Gottes, wird abgelehnt – und umgebracht!
Diese dramatische Geschichte hat eine tragische Nachgeschichte. Allzuoft haben die Christen daraus gelesen: Die Juden haben Jesus, den Sohn Gottes verworfen. Deshalb wurden sie von Gott verworfen. Die Kirche trat an die Stelle der Synagoge. Die Christen haben den Weinberg des Herrn anvertraut bekomme, den Gott den Juden weggenommen hat. So manche Judenverfolgungen wurden damit gerechtfertigt. Wie viel Leid haben Christen dadurch über Juden gebracht!
Das Evangelium spricht aber nie nur über die Vergangenheit. Jesus spricht die Menschen unserer Zeit an. Die Geschichte vom Weinberg und den sauren Beeren, von den bösen Pächtern und ihren Taten spielt sich jetzt ab.
Nehmen wir also an: Der Weinberg ist die Kirche. Bringt er die Frucht, die Gott sich von ihr erwartet? Benehmen wir Christen uns nicht zu oft wie diese Knechte im Gleichnis Jesu? Sicher, es gibt wunderbare Menschen unter den Christen, große Vorbilder, die gute Früchte bringen. Aber wie oft werden sie in den eigenen Reihen verkannt, verfolgt, verachtet. Das Leben der Heiligen ist reich an Leiden durch die eigene Kirche.
In jener Zeit sprach Jesus zu den Hohenpriestern und den Ältesten des Volkes: Hört noch ein anderes Gleichnis:
Es war ein Gutsbesitzer, der legte einen Weinberg an, zog ringsherum einen Zaun, hob eine Kelter aus und baute einen Turm. Dann verpachtete er den Weinberg an Winzer und reiste in ein anderes Land.
Als nun die Erntezeit kam, schickte er seine Knechte zu den Winzern, um seinen Anteil an den Früchten holen zu lassen. Die Winzer aber packten seine Knechte; den einen prügelten sie, den andern brachten sie um, einen dritten steinigten sie. Darauf schickte er andere Knechte, mehr als das erste Mal; mit ihnen machten sie es genauso. Zuletzt sandte er seinen Sohn zu ihnen; denn er dachte: Vor meinem Sohn werden sie Achtung haben. Als die Winzer den Sohn sahen, sagten sie zueinander: Das ist der Erbe. Auf, wir wollen ihn töten, damit wir seinen Besitz erben. Und sie packten ihn, warfen ihn aus dem Weinberg hinaus und brachten ihn um.
Wenn nun der Besitzer des Weinbergs kommt: Was wird er mit solchen Winzern tun? Sie sagten zu ihm: Er wird diesen bösen Menschen ein böses Ende bereiten und den Weinberg an andere Winzer verpachten, die ihm die Früchte abliefern, wenn es Zeit dafür ist.
Und Jesus sagte zu ihnen: Habt ihr nie in der Schrift gelesen: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden; das hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen geschah dieses Wunder? Und wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen; auf wen der Stein aber fällt, den wird er zermalmen.
Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird euch weggenommen und einem Volk gegeben werden, das die erwarteten Früchte bringt.