"Ist Jesus – die Ausrede für alle, denen das Waschen zu mühsam ist? Ich glaube, es geht genau um das Gegenteil. Jesus wehrt sich dagegen, aus der Sauberkeit eine Religion zu machen", so Kardinal Christoph Schönborn.
"Ist Jesus – die Ausrede für alle, denen das Waschen zu mühsam ist? Ich glaube, es geht genau um das Gegenteil. Jesus wehrt sich dagegen, aus der Sauberkeit eine Religion zu machen", so Kardinal Christoph Schönborn.
Gedanken zum Evangelium, von Kardinal Christoph Schönborn, am Sonntag, 30. August 2015 (Markus 7,1-8.14-15.21-23).
Hygiene gehört zu unserem Leben. Noch nie wurde in der Menschheitsgeschichte so sehr auf Sauberkeit geachtet wie in unseren Tagen. Was wird nicht alles an Waschmitteln verwendet! Für viele ist die tägliche Dusche eine Selbstverständlichkeit. Ich erinnere mich gut an meine Nachkriegs-Kinderzeit: da wurden wir einmal in der Woche der Reihe nach in ein Wasch-Schaffl gesteckt (alle ins gleiche Wasser!) – es war das übliche „Bad am Samstagabend“, um am Sonntag sauber zu sein. Unter der Woche genügte uns die sogenannte „Katzenwäsche“, ein knappes Wischen mit dem Waschlappen. Dusche gab es noch keine.
Die Juden zur Zeit Jesu waren vorbildlich in Hygiene. Waschen war vorgeschrieben. Wenigstens die Hände. Zumindest vor den Mahlzeiten. Und natürlich die sogenannte Mikwe, das rituelle Bad vor dem Sabbat, um rein zu sein, ehe man zur Synagoge ging. Auch die Sauberkeit der Küche und aller Kochgeräte, des Geschirrs und Bestecks, war gut und genau geregelt, lange bevor es unsere Spülmaschinen gab. Und das war alles sehr sinnvoll und vernünftig.
Was hatte Jesus gegen diese Regeln? Warum war er so kritisch gegenüber diesen Vorschriften? War es ihm lieber, wenn durch mangelnde Sauberkeit allerlei Ansteckungen und Krankheiten sich ausbreiteten? Ist das der Grund, warum manche bis heute meinen, fromm sein heiße immer etwas ungepflegt und „schmuddelig“ sein? Jesus – ein Vorbild für ungewaschene Hippies? Jesus – die Ausrede für alle, denen das Waschen zu mühsam ist?
Ich glaube, es geht genau um das Gegenteil. Jesus wehrt sich dagegen, aus der Sauberkeit eine Religion zu machen. Wie alles im Leben kann man auch das Putzen und Reinigen übertreiben. Die Ärzte kennen die „Putzneurose“ als Krankheitsbild. Heute herrscht vielfach ein wahrer „Gesundheitswahn“. Wie oft ist zu hören: „Hauptsache gesund bleiben“. Genau das kritisiert Jesus. Was nützt die beste Gesundheit, wenn dein Herz voll Bosheit ist? Jesus will die richtige Rangordnung wieder herstellen: Zuerst muss das Herz, das Innerste des Menschen gereinigt werden. Dann erst kommt die äußere Sauberkeit.
Jesus bringt es auf den Punkt: „Hört mir alle zu und begreift, was ich sage: Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein.“ Und dann listet er nüchtern und klar auf, was da alles aus unserem Herzen an Schmutz und Dreck herauskommen kann: „Böse Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Verleumdung, Hochmut und Unvernunft.“
Es ist gut, vor dem Essen die Hände zu waschen. Wichtiger ist es, das Herz zu säubern. Nichts gegen eine saubere Wohnung. Noch besser ist es, wenn unser Inneres nicht vom Müll böser Gedanken ganz verdreckt ist. Der Gesundheitswahn ist auch eine Krankheit. Das Putzen und Waschen darf nicht zum Religionsersatz werden. Wasch dir die Hände, aber vergiss nicht, dass ein böses Herz viel mehr Schaden anrichtet als ein bisschen weniger Hygiene
In jener Zeit hielten sich die Pharisäer und einige Schriftgelehrte, die aus Jerusalem gekommen waren, bei Jesus auf. Sie sahen, dass einige seiner Jünger ihr Brot mit unreinen, das heißt mit ungewaschenen Händen aßen. Die Pharisäer essen nämlich wie alle Juden nur, wenn sie vorher mit einer Hand voll Wasser die Hände gewaschen haben, wie es die Überlieferung der Alten vorschreibt. Auch wenn sie vom Markt kommen, essen sie nicht, ohne sich vorher zu waschen. Noch viele andere überlieferte Vorschriften halten sie ein, wie das Abspülen von Bechern, Krügen und Kesseln. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten fragten ihn also: Warum halten sich deine Jünger nicht an die Überlieferung der Alten, sondern essen ihr Brot mit unreinen Händen? Er antwortete ihnen: Der Prophet Jesaja hatte Recht mit dem, was er über euch Heuchler sagte: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir. Es ist sinnlos, wie sie mich verehren; was sie lehren, sind Satzungen von Menschen. Ihr gebt Gottes Gebot preis und haltet euch an die Überlieferung der Menschen. Dann rief er die Leute wieder zu sich und sagte: Hört mir alle zu und begreift, was ich sage: Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Verleumdung, Hochmut und Unvernunft. All dieses Böse kommt von innen und macht den Menschen unrein.
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Gedanken zum Evangelium von Kardinal Christoph Schönborn