In jener Zeit fragte Pilatus Jesus: Bist du der König der Juden? (Joh 18,33b)
In jener Zeit fragte Pilatus Jesus: Bist du der König der Juden? (Joh 18,33b)
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium, 22. November 2015 (Joh 18,33b-37)
Sieht so ein König aus? Gefangen, gefesselt, ohnmächtig steht der Mann aus Galiläa vor dem Statthalter des Kaisers, des mächtigsten Mannes der Welt. Also bist du doch ein König? Auf diese Frage des Pontius Pilatus gibt Jesus klar und ohne Zögern die Antwort: Du sagst es, ich bin ein König! Und fügt hinzu: Ich bin dazu geboren! Also von Geburt an König. Nicht König geworden, sondern bereits als König auf die Welt gekommen.
Was für ein König ist er? Wo hat er sein Königreich? Über wen ist er König? Worin besteht seine Königswürde und seine Königsmacht?
Heute, am letzten Sonntag im Kirchenjahr, wird sein Königtum gefeiert: Christkönig heißt deshalb der heutige Sonntag, ehe mit nächstem Sonntag der Advent beginnt. Aber können wir mit diesem Bild noch zurechtkommen: Christus als König? Demokratien haben die meisten Königreiche abgelöst. Und wo es noch Monarchien gibt, sind die Könige meist völlig machtlos, bloße Symbolfiguren, für die bunten Medien interessant, für königliche Hochzeiten und feierliche Auftritte. Politisch haben sie nichts zu sagen.
Entstanden ist das Christkönigsfest zu einer Zeit, als die großen Kaiser- und Königreiche bereits untergegangen waren, nach dem ersten Weltkrieg. Besonders wichtig wurde das Fest in der Nazi-Zeit, als die braunen Machthaber nur einen Führer gelten lassen wollten. Hitlers „Tausendjähriges Reich“ hat nur zwölf schreckliche Jahre gedauert und über Millionen Menschen Leid und Tod gebracht. Umso begeisterter sangen wir in meiner Jugend das Lied, in dem wir uns zu Christus als unserem König bekannten: „Christus mein König, Dir allein schenk ich die Liebe stark und rein, bis in den Tod die Treue.“
„Mein Königtum ist nicht von dieser Welt.“ Jesus ist nicht der Konkurrent des Kaisers. Er nimmt ihm nichts weg. Das Reich Jesu bedroht keines der irdischen Reiche. Und doch haben die Diktatoren dieser Welt immer wieder offensichtlich Angst vor diesem König. Hitler und Stalin wollten die Kirche vernichten. Sie konnten eines nicht ertragen: Dass Menschen ihnen nicht völlig untertan waren. Sie wollten nicht nur über das äußere Leben der Menschen herrschen, sie wollten die Seelen der Menschen besitzen. Mit Leib und Seele, mit Haut und Haar sollten die Menschen ihnen gehorchen und gehören.
Genau da hat das heutige Christkönigsfest seine Bedeutung. Keine Macht der Welt hat das Recht, die Herrschaft über die Herzen der Menschen zu beanspruchen. Die Politik hat die äußeren Verhältnisse zu ordnen. Sie darf sich nicht an die Stelle Gottes setzen wollen. Deshalb ist die Religionsfreiheit immer ein Zeichen dafür, dass die Demokratie ernstgenommen wird. Die Seele gehört Gott, nicht dem Kaiser. Jesus steht gefesselt vor Pilatus. Aber Pilatus ist nicht Herr über das Herz Jesu. Jesus sagt es ihm klar: „Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre“, also von Gott.
Heute möchte ich wieder, wie in meiner Jugend, mein Ja zu diesem König sagen, zu Christus: In seinem Reich ist es gut sein!
In jener Zeit fragte Pilatus Jesus: Bist du der König der Juden? Jesus antwortete: Sagst du das von dir aus, oder haben es dir andere über mich gesagt? Pilatus entgegnete: Bin ich denn ein Jude? Dein eigenes Volk und die Hohenpriester haben dich an mich ausgeliefert. Was hast du getan? Jesus antwortete: Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier. Pilatus sagte zu ihm: Also bist du doch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.