Jesus hat seinen Freunden etwas Wunderbares anvertraut: die Frohe Botschaft, das Evangelium. Jesus hat aber auch deutlich gezeigt, was es braucht, damit es zu den Menschen kommt.
Jesus hat seinen Freunden etwas Wunderbares anvertraut: die Frohe Botschaft, das Evangelium. Jesus hat aber auch deutlich gezeigt, was es braucht, damit es zu den Menschen kommt.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonnagt, 3. Juli 2016 (Lk 10,1-9)
Mich wundert am heutigen Evangelium vor allem eine kleine Bemerkung Jesu: „Grüßt niemanden unterwegs!“ Im Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, war es üblich, jeden Menschen, dem man begegnete, zumindest mit einem „Grüß Gott“ oder einem „Servus“ zu grüßen. Wir Kinder wurden angehalten, immer die Erwachsenen zu grüßen. Man ging einfach nicht grußlos aneinander vorbei. Das wäre als unhöflich, ja fast als beleidigend aufgefasst worden. Ein wenig ist das bis heute so geblieben.
Warum also gibt Jesus seinen Jüngern diese seltsame Anweisung? Ich glaube nicht, dass Jesus den einfachen, schlichten Gruß im Vorbeigehen verbieten wollte. Es geht um etwas anderes. Im Orient können Begrüßungen lange dauern. Und auch bei uns kommt es vor, dass wir uns vertratschen, Zeit verlieren mit Gerede, mit belanglosem Geschwätz, das meist auf Kosten anderer geht, die nicht da sind, die wir aber umso leichter „ausrichten“. Da bekommt das Wort Jesu einen ganz aktuellen Sinn. Jesus will uns damit sagen: Vergeudet eure Zeit nicht mit müßigem Tratschen! Es gibt so viel Wichtigeres zu tun. Die Zeit drängt!
Er gebraucht dafür ein dramatisches Bild: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.“ Heute erledigen Maschinen große Teile der Ernte. Wo aber Menschenhände zur Erntearbeit gebraucht werden, da wird es ernst, wenn sie fehlen. Die Ernte kann nicht warten. Wenn die rechte Zeit versäumt wird, verkommt die Ernte. Das kann Hungersnot bedeuten.
Was will Jesus mit diesem drängenden Bild sagen? Dass deine und meine Hände gebraucht werden! Dass die Zeit drängt, weil die Not groß ist! Dass wir die Zeit zum Helfen nützen sollen, und nicht zum Quatschen. So viele Menschen brauchen ein gutes Wort, ein wenig Zeit, Aufmerksamkeit, Zuwendung. Wirklich, die Ernte ist groß! Aber viel zu wenige sind bereit, mitzuhelfen, dass unsere Welt weniger kalt und unmenschlich ist.
Jesus gebraucht aber noch ein zweites Bild: „Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe.“ Keine sehr gemütliche Vorstellung! Die heutige Gesellschaft sagt uns: Setz dich durch! Erkämpf dir deinen Platz! Dazu brauchst du Zähne wie ein Wolf, und nicht die Sanftmut eines Schafes! Aber Jesus selber hat sich nicht als Löwe gesehen, wie die Herrscher dieser Welt es gerne tun, sondern als Lamm. Er hat auch nicht den heiligen Krieg gepredigt, sondern seine Anhänger ausgesandt, den Frieden zu bringen. Und das geht nun einmal nicht, wenn man sich wie ein Wolf mitten in der Schafherde benimmt.
Noch etwas fällt auf: Jesus schickt seine Jünger nicht als Einzelkämpfer. Er sendet sie zu zwei und zwei aus. Sie sollen zuerst untereinander und miteinander leben, was sie anderen empfehlen werden. Glaubwürdig sind Jesu Jünger nur, wenn sie tun, was sie sagen. Dazu gehören auch die leeren Taschen. Sie sollen nichts mit auf den Weg mitnehmen. Nicht? Ist das nicht übertrieben? Es zeigt zumindest eines: Du kannst anderen nur überzeugend begegnen, wenn du ein offenes Herz hast. Und dazu gehört die Bereitschaft, von anderen zu empfangen. Und nicht schon alles (besser) zu wissen.
Jesus hat seinen Freunden etwas Wunderbares anvertraut: die Frohe Botschaft, das Evangelium. Jesus hat aber auch deutlich gezeigt, was es braucht, damit es zu den Menschen kommt. Die Zeit drängt, dass es ankommt!
In jener Zeit suchte der Herr zweiundsiebzig andere aus und sandte sie zu zweit voraus in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte. Er sagte zu ihnen: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden. Geht! Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Schuhe! Grüßt niemand unterwegs! Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als Erstes: Friede diesem Haus! Und wenn dort ein Mann des Friedens wohnt, wird der Friede, den ihr ihm wünscht, auf ihm ruhen; andernfalls wird er zu euch zurückkehren. Bleibt in diesem Haus, esst und trinkt, was man euch anbietet; denn wer arbeitet, hat ein Recht auf seinen Lohn. Zieht nicht von einem Haus in ein anderes! Wenn ihr in eine Stadt kommt und man euch aufnimmt, so esst, was man euch vorsetzt. Heilt die Kranken, die dort sind, und sagt den Leuten: Das Reich Gottes ist euch nahe.
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