Durch die enge Tür geht zum Licht des ewigen Lebens.
Durch die enge Tür geht zum Licht des ewigen Lebens.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium, 21. August 2016 (Lk 13,22-30)
Ein ganzes Leben lang müssen wir uns bemühen, durch enge Türen zu kommen. Selten ist das Leben ein breiter, bequemer Weg. Fast alles ist mit Mühe und Anstrengung verbunden. Das Glück wird kaum jemandem fertig auf dem silbernen Tablett serviert.
„Bemüht euch mit allen Kräften durch die enge Tür zu gelangen“, sagt Jesus. Mir kommt bei diesem Wort in den Sinn, dass unser Leben auf dieser Welt mit der engen Pforte der Geburt beginnt. Alle mussten wir nach den neun Monaten der Schwangerschaft durch die Enge des Mutterschoßes, um das Licht der Welt zu erblicken. Und am Ende des Lebens wird es das enge Tor des Todes sein, durch das wir alle in das Licht des ewigen Lebens gelangen.
Das Wort „ Angst“ ist mit dem lateinischen Wort „angustia“ verwandt, das so viel wie Enge, Bedrängnis bedeutet. Die Enge macht Angst. Ich weiß, ich muss da durch. Es gibt keinen Ausweg, es gibt nur das Durchkommen – oder Scheitern. Und diese Situation bewirkt Angst. Prüfungsangst ist von dieser Art. Man spricht von Existenzangst, wenn alles rundherum eng wird und nirgendwo ein Ausweg sich zeigt. Angst vor Arbeitsverlust, vor Krankheit, vor dem Alter. Angst vor allem vor Liebesverlust, der schlimmsten Not.
Aber es gibt auch die Freude, wenn wir den Durchgang durch eine enge Tür geschafft haben: die Freude über die Geburt eines Kindes, über eine bestandene Prüfung, eine überwundene Beziehungskrise, eine gelungene Versöhnung, eine Genesung, eine wiedererlangte Gesundheit. Das gibt Mut, schenkt neue Lebensfreude.
Jesus sagt freilich ein erschreckendes Wort: „Viele werden versuchen hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen.“ Die Ausgangsfrage hatte jemand Jesus gestellt. „Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden?“ Jesu Antwort ist eine Aufforderung: „Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen.“ Meint Jesus letztlich doch nur die letzte aller der engen Türen, durch die wir im Leben gehen müssen, das enge Tor des Todes? Geht es eigentlich um die Frage, ob nur wenige, einige, oder doch viele, ja vielleicht gar alle Menschen in den Himmel kommen? Kommen letztlich die meisten in die Hölle? Ist der Himmel weniger bevölkert als die Hölle?
Genau diese Frage will Jesus nicht beantworten. Er liefert keine Statistiken über ewiges Glück oder Unglück. Er wendet sich an jeden von uns persönlich: „Bemühe dich mit allen Kräften!“ Wenn wir wissen wollen, wie wir das tun sollen, müssen wir andere Seiten des Evangeliums aufschlagen. Da gibt Jesus sehr klare Hinweise: Ob die letzte enge Türe deines Lebens ein Tor zum Himmel wird, das entscheidet sich nicht im letzten Moment, sondern heute. Die enge Tür steht mitten in deinem Leben. Es ist die Tür der Liebe. Hast du heute geliebt, deinen Egoismus überwunden, deinem Nächsten Gutes getan? Wer täglich die Tür der Liebe wählt, dem wird sie am Ende zum Tor des Himmels.
In jener Zeit zog Jesus auf seinem Weg nach Jerusalem von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf und lehrte. Da fragte ihn einer: Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden? Er sagte zu ihnen: Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen; denn viele, sage ich euch, werden versuchen hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen. Wenn der Herr des Hauses aufsteht und die Tür verschließt, dann steht ihr draußen, klopft an die Tür und ruft: Herr, mach uns auf! Er aber wird euch antworten: Ich weiß nicht, woher ihr seid. Dann werdet ihr sagen: Wir haben doch mit dir gegessen und getrunken, und du hast auf unseren Straßen gelehrt. Er aber wird erwidern: Ich sage euch, ich weiß nicht, woher ihr seid. Weg von mir, ihr habt alle unrecht getan! Da werdet ihr heulen und mit den Zähnen knirschen, wenn ihr seht, dass Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes sind, ihr selbst aber ausgeschlossen seid. Und man wird von Osten und Westen und von Norden und Süden kommen und im Reich Gottes zu Tisch sitzen. Dann werden manche von den Letzten die Ersten sein und manche von den Ersten die Letzten.
Mehr über Kardinal Christoph Schönborn