Ehrenamtliche bringen Nacht für Nacht mit dem Canisibus der Caritas an sozialen Brennpunkten Notleidenden warmes Essen.
Ehrenamtliche bringen Nacht für Nacht mit dem Canisibus der Caritas an sozialen Brennpunkten Notleidenden warmes Essen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium, 28. August 2016 (Lk 14, 1.7-14)
Seien wir ehrlich: Wir spielen alle ein wenig mit in dem großen Gesellschaftsspiel, in dem es um Rang und Ehre, Vorrang und Prestige geht. Wer hat welchen Platz? Wer kommt vor, wer kommt nach wem? Wem gebührt der Vortritt? Und wer muss sich mit den hinteren Rängen zufrieden geben? Es ist oft gar nicht böser Wille, auch nicht nur Eitelkeit und Ruhmsucht. Wir nehmen es einfach so hin, auch wenn wir darunter leiden, uns darüber ärgern: So ist eben die Welt.
In der „Dreigroschenoper“ von Berthold Brecht heißt es: „Denn die einen sind im Dunkeln/und die andern sind im Licht/und man siehet die im Lichte/die im Dunkeln sieht man nicht.“ Ich erlebe selber oft dieses „Gerangel“ um die ersten Plätze im Licht der Kameras. In meiner Rolle bin ich sehr oft unter den Ehrengästen, ob ich will oder nicht, und frage mich dann: Was sagt Jesus zu diesem Gedränge um die ersten Plätze? Wie ist es Jesus selber ergangen, wenn er, wie im heutigen Evangelium, zu einem Festmahl eingeladen war? Wurde ihm da ein Ehrenplatz eingeräumt? Er war doch der inzwischen bei allen bekannte, berühmte Mann aus Nazareth.
Jesus gibt einige Ratschläge, wie wir dem oft lächerlichen und peinlichen Gesellschaftsspiel um Rang und Namen, um Ehrenplätze und Seitenblicke entkommen können. Sein erster Rat: Bescheidenheit! „Je größer du bist, umso mehr bescheide dich, dann wirst du Gnade finden bei Gott“, heißt es in der Bibel. Echte Bescheidenheit hat nichts mit „Kriecherei“ oder Heuchelei zu tun. Sie ist eine Lebenseinstellung. Sie schaut nicht auf die anderen herab und sie übersieht nicht die, die im Hintergrund sind. Deshalb mahnt die Bibel: „Mein Sohn, bei all deinem Tun bleibe bescheiden, und du wirst mehr geliebt werden als einer, der Gaben verteilt.“
Die Haltung der Bescheidenheit kommt aus der inneren Überzeugung, dass mich ein Ehrenplatz nicht von selber zu einem besseren Menschen macht, und dass ein gesellschaftlicher Rang eine Aufgabe und nicht ein Privileg bedeutet. „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt“, sagt Jesus. Wichtigtuerei bewirkt nie Achtung und Respekt. Sie wirkt abstoßend. „Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ Wer anderen auf Augenhöhe begegnet, wer nicht seinen Rang und seine Position herausstreicht, wird Achtung und Wertschätzung erfahren. Auch wenn du aufsteigst, eine höhere Stellung erreichst, du bleibst ein Mensch wie alle anderen. Warum vergessen wir das so oft?
Weil uns das so schwer fällt, schlägt Jesus heute ein radikaleres Rezept vor: „Wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme, Blinde ein. Du wirst selig sein, denn sie können es dir nicht vergelten.“ Unsere Gesellschaft hat das kaum vorgesehen. Meist bleiben wir unter unseresgleichen, haben unsere Familien und unserer Freunde, laden uns gegenseitig ein, und das ist durchaus etwas Gutes und Schönes. Es soll nur nicht alles sein. An die andere Seite der Wirklichkeit denken die vielen Ehrenamtlichen, die Nacht für Nacht mit dem Canisibus der Caritas an sozialen Brennpunkten Notleidenden warmes Essen bringen. Da gibt es kein Gerangel um die ersten Plätze, aber viel Freude und echte Menschlichkeit.
Als Jesus an einem Sabbat in das Haus eines führenden Pharisäers zum Essen kam, beobachtete man ihn genau. Als er bemerkte, wie sich die Gäste die Ehrenplätze aussuchten, nahm er das zum Anlass, ihnen eine Lehre zu erteilen. Er sagte zu ihnen: Wenn du zu einer Hochzeit eingeladen bist, such dir nicht den Ehrenplatz aus. Denn es könnte ein anderer eingeladen sein, der vornehmer ist als du, und dann würde der Gastgeber, der dich und ihn eingeladen hat, kommen und zu dir sagen: Mach diesem hier Platz! Du aber wärst beschämt und müsstest den untersten Platz einnehmen. Wenn du also eingeladen bist, setz dich lieber, wenn du hinkommst, auf den untersten Platz; dann wird der Gastgeber zu dir kommen und sagen: Mein Freund, rück weiter hinauf! Das wird für dich eine Ehre sein vor allen anderen Gästen. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden. Dann sagte er zu dem Gastgeber: Wenn du mittags oder abends ein Essen gibst, so lade nicht deine Freunde oder deine Brüder, deine Verwandten oder reiche Nachbarn ein; sonst laden auch sie dich ein, und damit ist dir wieder alles vergolten. Nein, wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein. Du wirst selig sein, denn sie können es dir nicht vergelten; es wird dir vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten.
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